kmuRUNDSCHAU 02/2019

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AUSGABE 02 / 2019

NEUVERMESSUNG DER WELT AUSSENWIRTSCHAFT IN GESÄTTIGTEN MÄRKTEN

NEANDERTALER IN UNS | LEADERSHIP ID | DIE SCHEINKRISE | NACHFOLGEMANAGEMENT


r e d n e s s a p r h r I : e l t l e a sipc nie-Anbi o f e l ’s e Te n n e ag h, w

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Liebe Leserin, lieber Leser, Europa ist politisch ein schwankendes Schiff. Die politischen Pole streben auseinander und die Gesellschaften sind gespalten. Als Wirtschaftsstandort können Westeuropa und Teile Osteuropas aber glänzen. Auf der Agenda der derzeit attraktivsten Investitionsstandorte liegt die Europäische Union ganz weit vorne. Sogar Grossbritannien schlägt sich trotz des Brexit-Chaos beachtlich. Die BRIC-Staaten fallen demgegenüber hinten durch. Man kann von einer Renaissance der Industrieländer sprechen.

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Diese Situation hat im Frühjahr das Aussenwirtschaftsforum zum Anlass genommen, das Thema gesättigte Märkte in den Fokus zu nehmen. Wir publizieren dazu in der vorliegenden Ausgabe einen Schwerpunkt. Es ist aber falsch, ein rosarotes Bild zu malen. Es zeichnen sich Frontlinien der kommenden Handelskriege ab, die nicht zu unterschätzen sind. Das verdeutlichen aktuelle Beispiele. So baut BMW in San Luis Potosi in Zentralmexiko ein neues Werk, um dort zukünftig einen Grossteil der 3erReihe zu fertigen. Mexiko ist eigentlich seit Jahrzehnten ein strategisch wichtiger Knotenpunkt für die Automobilindustrie. Doch nun hagelt es Dekrete und Tweets aus Washington. Anfang Juni war dies der Fall, als die Regierung von Mexiko angeblich zu wenig für die illegale Migration tun würde. Sollte Mexiko nicht einknicken, könnten die Sonderzölle bis Oktober auf 25 Prozent steigen. Trumps Drohungen hat die mexikanische Autoindustrie auf dem falschen Fuss erwischt. Gerade war man positiver Stimmung, da das Abkommen USMCA (USA-Mexiko-Kanada-Abkommen) als Nachfolger des Nafta-Abkommens in trockenen Tüchern gelandet ist. Trotzdem kommen die Unternehmensverantwortlichen nicht in Panik. Sie vertrauen auf die positiven Zahlen und schieben Trump in den Hintergrund. Wie lange diese Strategie aufgehen wird, bleibt abzuwarten. An den Börsen genoss man im ersten Quartal einen Honeymoon. Die strategischen Probleme wurden ausgeblendet. In der zweiten Jahreshälfte spricht viel dafür, dass sich dies ändern wird. Führende Wall-StreetBanken erwarten innerhalb der nächsten neun Monate einen Abschwung. Es gilt, vorbereitet zu sein. Besuchen Sie uns auf der

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Inhalt

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Herausforderung Aussenwirtschaft Die reifen Märkte Europas wirken unspektakulär, sie sind aber gerade für die Schweizer Aussenwirtschaft wichtig. Die Schweiz ist ein Exportland. Im Jahr 2018 exportierte die Eidgenossenschaft Waren im Wert von 233 Milliarden Franken – und davon stammen drei von den vier ExportFranken aus den reifen Märkten. Das Thema ist gerade heute herausfordernd, da die Handelshürden in Teilen wieder am Wachsen sind.

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Disruptive Situation Der Markt für Unternehmenssoftware, oder Neudeutsch: Enterprise Application Software (EAS), gilt bisher als ruhiger Luftraum. Alle Marktteilnehmer haben ihre Flughöhe erreicht und kreisen mehr oder weniger erfolgreich um ihre Interessenten und Kunden. Aber werfen wir doch einmal einen genaueren Blick in diesen Luftraum und damit auf den Markt für Unternehmenssoftware.

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Unbewusst inkompetent Wer heute auf IT-Veranstaltungen sich umhört, bekommt nicht selten Aussagen aufgetischt, die sich widersprechen. Einerseits hat man aus seinem persönlichen Umfeld von Sicherheitsproblemen gehört und war schon selbst Angriffen ausgesetzt. Der Handlungsdruck wird bejaht. Andererseits hat das Agieren im eigenen Sicherheitsrahmen noch viel Luft nach oben.

66 Der Neandertaler in uns Ein Blick in die Evolutionsgeschichte des Homo sapiens und des Neandertalers kann uns helfen, die Herausforderungen des modernen Arbeitslebens besser zu bewältigen. Dr. Axel Müller ist von Haus aus Apotheker und Pharmakologe und hat so ganz andere Perspektiven auf unser Arbeitsleben.

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Inhalt

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Die Scheinkrise Wir sind davon überzeugt, dass unsere lineare Wirtschaftskraft nachlässt und wir dringend gegensteuern müssen – fälschlicherweise, wie das Buch «Die Scheinkrise» darlegt. In der Schweiz haben wir durchaus ähnliche Herausforderungen zu bewältigen, wie sie im Buch beschrieben werden. kmuRUNDSCHAU sprach mit den Autoren Kay Bourcarde und Karsten Herzmann über ihre Bewertungen zur Diskussion um das lineare Wirtschaftswachstum.

Vorsorge für KMU-Verantwortliche

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Die berufliche Vorsorge wird als strategisches Thema immer bedeutsamer. Denn Firmen haben, je nachdem, wo sie im Lebenszyklus stehen, ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Pensionskasse. Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach der passenden Lösung, sondern ganz generell nach dem passenden Vorsorgeanbieter und der richtigen Modellwahl. Es gilt, die verschiedenen Indikatoren sorgfältig abzuwägen und eine ganzheitliche Betrachtung einzunehmen.

Wir sind vor Ort

Rubriken Editorial 1 Kommentare 6, 8 Highlight 10 Global & Lokal 22 Software & Hardware 26 IT-Sicherheit 36 itRUNDSCHAU 48 Menschen im Unternehmen 56 Marcom 94 Kolumnen 29, 44, 72, 100 Die Welt der Finanzen 102 Unternehmen unterwegs 114 kmuRUNDSCHAU empfiehlt 126 Impressum 128

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Unter anderem sind wir in den nächsten Monaten an folgenden Messen und Veranstaltungen vor Ort. Gerne können Sie im Vorfeld mit uns Termine vereinbaren. Auf Wunsch schauen wir in Ihrem Unternehmen auch persönlich vorbei. SKO Leader Circle, www.sko.ch Swiss CRM Forum, www.swisscrm.ch topsoft Fachmesse 2019, www.topsoft.ch FFHS Business Breakfast, www.ffhs.ch

Im Web Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News, Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden. Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen. Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL. Besuchen Sie www.kmurundschau.ch


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kommentar

Verständnis schärfen von Stefan Kuhn

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nternehmern und Unternehmen stehen turbulente Zeiten bevor. Nach Dekaden von ruhigen Gewässern erreichen wir ein qualitativ neues Niveau von Handelsprotektionismus und Ungewissheit, was sich insbesondere in steigenden Zolltarifen und eingeschränkteren Handelsfreiheiten widerspiegelt. Jahrzehntelang konnte die Welthandelsorganisation (WTO) als verlässliche Institution ein multilaterales Handelssystem schaffen, das für Stabilität sorgte und Streitigkeiten in diesen Belangen beilegte. Leider aber haben die WTO-Mitglieder auf Dauer keine Einigkeit mehr in Fragen zu fortlaufenden Handelsbeziehungen gefunden. Während sich vor allem die grossen geopolitischen Blöcke USA und China in Position bringen und handelsrechtliche Klingen kreuzen, stehen europäische und schweizerische Unternehmen – gerade im mittleren und kleineren Bereich – zwischen den Fronten und verstehen oft nicht, was mit ihnen geschieht. Trotzdem muss agiert werden. Was ist zu tun? Es gilt die eigenen Wertschöpfungs- und Zulieferketten im Detail zu prüfen und kritisch zu hinterfragen. Die politische Schweiz ist auf der einen Seite sehr aktiv und unabhängig vom europäischen Umfeld bemüht, mit wichtigen Handelspartnern Freihandelsabkommen (FHA) abzuschliessen. Schlagzeilen machte erst kürzlich die Einigung zwischen der Schweiz mit Grossbritannien mit dem Übergangsabkommen für den Fall eines unkontrollierten Brexits. Auf der anderen Seite können wir uns den direkten und extraterritorialen Auswirkungen von Entscheiden der Grossmächte nicht entziehen. Mit über 30 FHA ist die Schweiz eines der Länder mit der grössten Anzahl solcher Handelsverträge. Das FHA mit China war ein Meilenstein und besteht noch heute als eines der einzigen FHA, das China mit einem westlichen Land (mit Ausnahme von Island) eingegangen ist. Die Schweiz spielt somit nicht nur international in der höchsten Liga mit, sondern packt auch auf nationaler Ebene notwendige Massnahmen an, wie zum Beispiel das «DaziT», ein Schlüsselelement zur Modernisierung und Digitalisierung der Eidgenössischen Zollverwaltung. Die Zoll- und

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Abgabenerhebungsprozesse werden damit vereinfacht, harmonisiert und durchgehend digitalisiert. Des Weiteren hat die Schweiz vor, per 1. Januar 2022 sämtliche Industriezölle auf null zu senken sowie die Tarifstruktur grundsätzlich zu vereinfachen. Doch der Staat nimmt den Unternehmen nicht alle Aufgaben ab. Jetzt sind alle Unternehmer gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen und ihre internen Prozesse, Handelsbeziehungen und Wertschöpfungsketten zu überprüfen. Das Thema Zölle und Handelsabkommen wurde jahrelang sehr stiefmütterlich behandelt, und vielerorts fehlt es am notwendigen Wissen im Unternehmen. Kennen die KMUs in der Schweiz ihre Zulieferketten? Sollen Lieferanten gewechselt und Warenströme umgeleitet werden? Alles Fragen, die es rasch zu klären gilt, wenn nicht nur die politische Schweiz, sondern auch die importierenden und exportierenden KMUs im Land ihre Agilität und Wettbewerbskraft erhalten sollen. Der wachsende Protektionismus und die handelspolitische Streitigkeiten der grössten Wirtschaftsmächte führen dazu, dass auch Schweizer Unternehmen weltweit betroffen sind und die Handelskosten dadurch in die Höhe getrieben werden. Deshalb sind das Verständnis sowie die Kontrolle über die Lieferkette und die Verknüpfung zu den zoll- und handelsrechtlichen Aspekten für Unternehmen heute essentiell. Wenn ein Unternehmen seine Warenströme kennt, kann es in Bezug auf den Handel strategisch planen, so von reduzierten Abgaben profitieren und die eigene Konkurrenzfähigkeit verbessern.

Stefan Kuhn ist Leiter Steuern und Rechtsberatung sowie Mitglied der Geschäftsleitung von KPMG Schweiz. www.home.kpmg/ch/de


Rubrik

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IT-Sicherheit unter Druck? von Christian Lueg

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ktuell wird in vielen Medien und auf vielen Social Media Plattformen intensiv darüber diskutiert und spekuliert, welche Auswirkung die aktuellen aussenwirtschaftlichen Entwicklungen auf die Gerätesicherheit haben könnte. Konkreter Auslöser war die Ankündigung Googles als Resultat eines US-Dekrets der Regierung unter Donald Trump im Mai 2019, sein Android-Betriebssystem zukünftig nicht mehr an den chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei lizenzieren zu können.

In der Vergangenheit hat beispielsweise Huawei über ein eigenes Betriebssystem für seine Geräte gesprochen. Die Entwicklungen hierfür scheinen laut Medienberichten bereits weit fortgeschritten zu sein. Für die IT-Sicherheit wäre es dabei wünschenswert, dass «Security by Design» bei der Entwicklung des Systems bereits eine hohe Priorität erhält. Das sind aber bislang Spekulationen und Sicherheitsstrategien brauchen eine verlässliche Grundlage. Sollte Huawei eigene Dienste, wie einen App Store einführen, kann der Konzern bereits Erfahrungen aus seinem Heimatmarkt einfliessen lassen. Google Play und andere Dienste des US-Unternehmens sind in China nicht verfügbar. Daher sind SmartphoneHersteller dort seit Jahren auf alternative Lösungen angewiesen.

Zunächst war von einem sofortigen Handelsstopp die Rede, nun besteht eine Übergangsfrist. Für Millionen Besitzer eines Huawei- oder Honor-Gerätes stellt sich nun die Frage: Was bedeutet das für mich oder für die Sicherheit des eingesetzten Devices in meinem Unternehmen? Für Smartphone-Besitzer ändert sich einmal nichts. Google hat bereits klargestellt, dass sich für die Anwender und bereits hergestellte und ausgelieferte Geräte nichts ändern wird. Diese erhalten weiterhin alle Sicherheits-Updates und können die Dienste des US-Unternehmens wie Google Maps, Play oder Gmail vollumfänglich nutzen. Kurzum: bei der jetzigen Smartphone-Generation kann aus heutiger Sicht für die IT-Sicherheit Entwarnung gegeben werden. Notwendige Updates werden auch zukünftig für diese Geräte ausgerollt. Wir können zunächst festhalten: für die aktuelle Produktgeneration werden Sicherheits-Updates weiterhin ausgerollt. Wie die Situation sich langfristig auf neue Geräte auswirken wird, ist nicht ganz klar und vieles bleibt reine Spekulation. Was den möglichen Schwenk von Herstellern auf die Open-Source-Variante von Android (AOSP) angeht, setzt wiederum eine eigene Infrastruktur voraus. Zudem wären wichtige Systemdienste, wie beispielsweise Google Maps, Google Drive oder Google Play Store nicht verfügbar, da auch diese lizenziert werden müssten. Diese fallen nicht unter das Open-Source-Siegel.

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Wichtig ist, dass Huawei, genauso wie Google, eine eigene IT-Security-Infrastruktur bereithält, um schädliche Apps herauszufiltern. Es wäre fatal, wenn Trittbrettfahrer mit Dritt-Märkten und schadhafte Programme versuchen, ihr Unwesen zu treiben. Aus Anwender- und Sicherheitssicht wäre es wünschenswert, wenn ein eigener App Store bei Marktstart bereits mit einer Vielzahl wichtiger und bei Nutzern beliebter Anwendungen aufwartet. Die vorgestellten Szenarien sind Gedankenspiele, was passieren könnte. Kleine und mittlere Unternehmen sollten derzeit nicht in Panik verfallen oder sich nicht verunsichern lassen. Derzeit ist gewährleistet, dass Anwender weiterhin Sicherheits-Updates für ihre Geräte erhalten und alle wichtigen Funktionen verfügbar bleiben.

Christian Lueg ist PR Manager der ESET Deutschland GmbH. www.eset.ch


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Eine adäquate Risikoeinschätzung ist ein zentraler Baustein für den Erfolg.

So geht’s! KMU zum internationalen Erfolg führen von Ingo Stolz und Sylvie Scherrer

Die Internationalisierung von Schweizer KMU verläuft anders als diejenige von Grossunternehmen. Eine Studie der Hochschule Luzern zeigt auf, was dabei erfolgsentscheidend ist und welche Führungs- und Managementkompetenzen notwendig sind.

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er Erfolg des Wirtschaftsstandorts Schweiz ist zu einem grossen Teil vom Erfolg der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterschiedlichster Branchen abhängig. Weil die Schweiz als Heimatmarkt gerade für hochspezialisierte Nischenangebote schnell gesättigt ist, suchen viele Schweizer KMU früh den Erfolg im Ausland. Die Forschung zur Internationalisierung von Unternehmen fokussierte sich bislang auf Grossunternehmen und multinationale Konzerne. Eine systematische Untersuchung zu den speziellen Voraussetzungen und notwendigen Führungs- und Managementkompetenzen bei KMU fehlte bisher. Das Thema Internationalisierung orientiert sich bei KMU-Verantwortlichen an Gelegenheiten. Eine von Innosuisse geförderte

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Studie der Hochschule Luzern zeigt nun auf, dass sich die Internationalisierung von KMU und Grosskonzernen deutlich unterscheidet. Kleine und mittlere Unternehmen beschreiten die Internationalisierung in schnellen Zyklen, orientieren sich an den sich bietenden Gelegenheiten, beziehungsweise Zufälligkeiten und sind dabei stark vom Entrepreneurship und den Führungs- und Managementkompetenzen der Führungskräfte abhängig. Das ist die Ausgangslage aus qualitativen Interviews mit über 20 Schweizer KMU. Dies widerspricht den bisherigen Beschreibungen und Modellen, welche die Internationalisierung traditionell in Stufen als linearen und strategisch geprägten Prozess beschreiben. In der anschliessenden quantitativen Studie erhoben die Forscherinnen und Forscher bei rund

70 weiteren Unternehmen die Ausprägung der Internationalisierungskompetenzen. Dabei standen folgende Fragen im Zentrum: welche Wege führen zu einer erfolgreichen Internationalisierung von KMU? Welche Führungs- und Managementkompetenzen sind wichtig zur Beschreitung dieser Wege? Wie kann gemessen werden, ob die nötigen Kompetenzen in ausreichendem Masse vorliegen? Und wie können diese Kompetenzen – wenn nötig – entwickelt werden? Das Wechselspiel zwischen den Polen Intuition und rationalen Entscheiden prägen die unterschiedlichen Prozesse. Führungskräfte von KMU begleiten Internationalisierungsprojekte in der Regel durch drei Phasen: eine Start-Phase zum Aufsuchen der möglichen Szenarien und Opportunitäten;


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eine Konsolidierungs-Phase, um durch die Lancierung von Pilotprojekten eine konkrete Umsetzungsidee zu testen; und eine Etablierungs-Phase zur konsequenten Umsetzung und Skalierung eines Internationalisierungsprojekts. Während dieser drei Phasen bewegt sich eine KMU-Führungskraft ausgeprägter als in anderen Geschäftssituationen in zwei Spannungsfeldern: sie muss einerseits den jeweils richtigen Zeitpunkt für intuitives Handeln oder aber für rationales Entscheiden identifizieren. Und sie muss andererseits effizient bereits bestehende Ressourcen verwenden, ohne den Zeitpunkt für mutige Investitionen in Neues zu verpassen. Internationalisierung verlangt vielfältige Kompetenzen. Die Führungs- und Managementkompetenzen zur Internationalisierung sind in sieben Teilbereiche zu unterteilen: Risikobewusstsein, Strategie, lernfähige Organisation, Unternehmergeist, interkulturelle Kompetenz, internationale Partnerschaften und Marktorientierung. Erfolgreich internationalisierende KMU-Führungskräfte verfügen über gute Internationalisierungskompetenzen in allen

sieben Teilbereichen. Je nach Phase der Internationalisierung sind die Kompetenzen innerhalb dieser sieben Teilbereiche unterschiedlich ausgeprägt.

Konkrete Ergebnisse Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass die KMU-Internationalisierung als eine Aneinanderreihung von Opportunitäten und auch Zufälligkeiten zu verstehen ist. Die KMU-Internationalisierung gleicht deshalb stark einem unternehmerischen Prozess, und weniger einem linearen, stufenartig geplanten Strategieprozess. Die meisten traditionellen Internationalisierungstheorien betrachten die Internationalisierung jedoch als einen solchen linearen und stufenartigen Prozess, in welchem Unternehmen ihre internationalen Aktivitäten strategisch und schrittweise ausdehnen. Dabei wird typischerweise von der Annahme ausgegangen, dass zuerst in geographisch nahe Märkte expandiert werden soll – das heisst ähnliche Sprache, Kultur, politisches System und vergleichbarer industrieller Entwicklungsstand. Im Verlauf des Internationalisierungsprozesses – so diese traditionellen Theorien – bauen Un-

ternehmen dann schrittweise Wissen und Kompetenzen auf, als Grundlage für eine stufenartige Intensivierung der Internationalisierungsaktivitäten im Zielmarkt oder den Eintritt in neue und distanziertere Märkte. Kurzum, die traditionelle Sicht auf Internationalisierung geht davon aus, dass Unternehmen und ihre Führungskräfte Zeit haben, sich Schritt für Schritt an die Internationalisierung heranzutasten und dadurch ihre Internationalisierungskompetenzen zu entwickeln. Doch entspricht dieses Internationalisierungsmuster immer weniger den heutigen Realitäten von KMU. Die Internationalisierung – wie so vieles – ist bedeutend schneller geworden. Für die meisten Schweizer KMU bedeutet dies, dass sie nur fünf Jahre nach Internationalisierungsbeginn bereits um die zehn Auslandsmärkte bearbeiten. Ebenfalls dehnt sich das internationale Engagement in ferneren Kontinenten deutlich aus, auch wenn die meisten Schweizer KMU nach wie vor in Westeuropa aktiv sind. Die Internationalisierung aus einer KMU-Perspektive geht also von keinem linearen und stufenartigen Prozess aus, 

Eine lernfähige Organisation, die sich flexibel anpassen kann, passt in die fluide Welt der Globalisierung.

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sondern von einem opportunitätsgesteuerten Prozess, der niemals anhält. Erfolgreich internationalisierende Führungskräfte in KMU schaffen daher fortwährend einen fruchtbaren Nährboden für internationale Opportunitäten, um über die effektive und effiziente Nutzung dieser Opportunitäten immer wieder neue Internationalisierungsaktivitäten einzuleiten.

Internationalisierung im Spannungsfeld Führungskräfte in KMU bewegen sich im Prozess der Internationalisierung stets in zwei Spannungsfeldern. Einerseits bewegen sie sich kontinuierlich zwischen intuitivem Handeln und rationalem Entscheiden. Das intuitive Handeln von KMU-Führungskräften zeigt sich unter anderem darin, dass sie auf Reisen gehen, Events besuchen und sich aktiv vernetzen; um im direkten Kontakt ein Gespür für die Opportunitäten der Internationalisierung zu entwickeln. Doch die erfolgreiche Internationalisierung bedarf auch sehr fokussierter und durchdachter Momente, in denen KMU-Führungskräfte strategisch, rational und mutig entscheiden, welche Opportunitäten der KMU-Internationalisierung verfolgt werden sollen. Mit diesen mutigen Entscheiden schaffen diese die Voraussetzung, dass die Energie des Handelns nicht verpufft, sondern für das Vorantreiben des richtig gewählten Internationalisierungs-Szenarios verwendet wird. Andererseits suchen KMU-Führungskräfte kontinuierlich die richtige Balance zwischen dem Bestehenden und dem Neuen. Im Rahmen der Internationalisierung müssen KMU zwangsläufig Neues schaffen, wie

International Leadership Forum Luzern Das International Leadership Forum Luzern (ILFL) richtet sich an Führungskräfte. Es will diese dabei unterstützen, ihr Unternehmen zu internationalem Erfolg zu führen. Das ILFL tut dies, indem neueste Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zur internationalen Unternehmensführung präsentiert werden, ein fundierter und persönlicher Austausch in einer Community of Practice gefördert wird, und ein wachsendes Netzwerk international orientierter Führungskräfte gepflegt wird. www.hslu.ch/ilfl

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zum Beispiel den Aufbau einer internationalen Supply-Chain oder Niederlassung oder der Rekrutierung neuer Mitarbeitenden. Gleichzeitig verfügen KMU-Verantwortliche aber meist über beschränkte Mittel, weshalb es für sie besonders wichtig ist bereits bestehende Stärken und Ressourcen effektiv und effizient zu nutzen. Im weiteren Verlauf der Ergebnispräsentation wird immer wieder deutlich werden, dass die Führungs- und Managementkompetenzen, die KMU-Führungskräfte im Prozess der Internationalisierung benötigen, von diesen zwei grundlegenden Spannungsfeldern stark geprägt sind.

Internationalisierung in drei Phasen Die Internationalisierung von KMU ist heute klar ein Prozess ohne Anfang und Ende. Dennoch durchlaufen KMU im Rahmen der Umsetzung unterschiedlicher Internationalisierungsideen immer wieder drei übergeordnete Phasen der Internationalisierung: Start-Phase, KonsolidierungsPhase und Etablierungs-Phase. Diese Phasen beschreiben die Intensität, den Reifegrad und auch die Ausprägung der in einer jeweiligen Phase nötigen Führungsund Managementkompetenzen. In der Start-Phase findet durch geschäftiges und hartnäckiges Handeln eine Ideenfindung und eine erste Exploration statt, um überhaupt die Optionen, Szenarien und Opportunitäten einer etwaigen Internationalisierung zum Leben zu erwecken und zu reflektieren. In dieser Phase nutzen Führungskräfte in KMU beispielsweise das bestehende private und professionelle Netzwerk, um schnell und kostengünstig erste Informationen zur Internationalisierungsidee zu sammeln. In dieser Phase entwickeln erfolgreiche KMU-Führungskräfte ein Gespür für die möglichen Erfolgschancen und die potenziellen Herausforderungen der Internationalisierungsidee. In der Konsolidierungs-Phase werden diese neuen Informationen verdichtet und zu ersten Entscheidungsgrundlagen ausgearbeitet. Diese Entscheidungsgrundlagen sind jedoch nicht als festgelegte Strategie zu verstehen, vielmehr dienen sie der Entwicklung erster Pilotprojekte, um die Internationalisierungsidee zu testen und zu evaluieren. Diese Pilotprojekte werden meist unterschwellig, ressourcenarm und risikoreduziert gestaltet. Ziel dieser Phase

ist es, den besten Weg zur Umsetzung der Idee sowie Lösungen auf unmittelbar auftretende Herausforderungen zu finden. Die Phase ist daher geprägt von einem kontinuierlichen Hin und Her zwischen intuitivem Handeln und reflektiertem Entscheiden. Der Eintritt in die Etablierungs-Phase markiert den Übergang zur konsequenten Umsetzung der Internationalisierungsidee. In dieser Phase werden mutig diejenigen Lösungen skaliert und implementiert, die man zuvor getestet und evaluiert hat. Das bedeutet, dass KMU-Führungskräfte in dieser Phase zwar kontrolliert aber doch konsequent sehr viel riskieren. Sie priorisieren ein zuvor getestetes Projekt klar und investieren konsequent die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen. Dazu gehört unter anderem die Rekrutierung neuer Mitarbeitenden oder der Aufbau einer internationalen Marke.

Die Führungskraft im Internationalisierungsprozess Für uns war es wichtig offenzulegen, welche Führungs- und Managementkompetenzen von Führungskräften in KMU wann notwendig sind, um internationalen Erfolg zu erarbeiten und zu sichern. Im Rahmen unserer Forschung wurde zunächst deutlich: erfolgreiche KMU-Führungskräfte sind im Prozess der Internationalisierung Generalisten, sie können Vieles, sie machen sehr viel Verschiedenes, und sie tun dies gleich-


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schiedlichen Ausprägung der Teil-Kompetenzen voranzutreiben. Zudem ist es wichtig zu erwähnen, dass KMU-Führungskräfte mit Kompetenzen auf der Stufe der Phase 3 nichts desto trotz bezüglich neuer Projekte die Projektbegleitung wieder in Phase 1 beginnen. Führungskräfte in KMU brauchen also neben den oben dargestellten Teil-Kompetenzen die Fähigkeit zu erkennen, in welcher Phase sich das Internationalisierungsprojekt befindet, um sich richtig und phasengerecht für das Projekt einzusetzen.

Das Thema interkulturelle Kompetenzen wird gerne vernachlässigt.

zeitig. Trotz dieser ausserordentlich grossen Vielfalt an gleichzeitigen Handlungen entsteht aber keinesfalls ein Chaos. Bei genauem Betrachten entsteht vielmehr ein klares Bild davon, welche Führungs- und Managementkompetenzen wann eingesetzt werden müssen. Unsere Forschung zeigt, dass die Internationalisierungskompetenz von KMU-Führungskräften aus sieben Teil-Kompetenzen besteht, die je nach Phase der Internationalisierung eine andere Ausprägung annehmen. Die sieben Teil-Kompetenzen sind wie folgt zu benennen: 1. Risikobewusstsein: die Kompetenz eine adäquate Risikoeinschätzung vorzunehmen, um – je nach Phase – entweder kleinteilige Internationalisierungsvarianten mit Fehlertoleranz zu testen oder konsequent und mutig grosse Ressourcen zu mobilisieren. 2. Strategie: die Kompetenz eine Internationalisierungsstrategie herzuleiten, zu fokussieren und umzusetzen. 3. Lernfähige Organisation: die Kompetenz eine Kultur einer lernfähigen Organisation herzustellen, so dass im Internationalisierungskontext im richtigen Masse Exploration, Delegation und Entwicklung stattfinden. 4. Unternehmergeist: die Kompetenz im ausreichenden Ausmass und kontinuierlich Elan, Durchhaltewille, Problem-

lösungsorientierung, Improvisationsvermögen, Zielgerichtetheit und Resilienz vorzuleben. 5. Interkulturelle Kompetenz: die Kompetenz Personen mit anderen kulturellen Hintergründen sowohl persönlich wie beruflich einschätzen zu können, sowie die Kompetenz sich an Gepflogenheiten und Regeln anderer Kulturen und Märkte anzupassen und etwaige Divergenzen zu überbrücken. 6. Internationale Partnerschaften: die Kompetenz zum Aufbau, zur Nutzung und Förderung internationaler Partnerschaften, zum Zweck des Voranbringens unternehmerischer Ziele. 7. Marktorientierung: die Kompetenz Kunden- und Marktbedürfnisse sowie -mechanismen zu verstehen, um darauf aufbauend die Kunden und Märkte effektiv und effizient zu bedienen. Je nach Phase der Internationalisierung nehmen diese Teil-Kompetenzen eine andere Ausprägung an. Wichtig zu erwähnen ist, dass sich die oben dargestellten Teil-Kompetenzen auf die Projektebene beziehen. Dies heisst, dass es beispielsweise durchaus sein kann, dass sich ein KMU mit einem Internationalisierungsprojekt bereits in der Etablierungs-Phase befindet, mit einem anderen aber erst in der Konsolidierungs-Phase. Die KMU-Führungskraft muss hier gleichzeitig in der Lage sein – je nach Phase dieser beiden Projekte – diese Projekte mit einer unter-

Im Rahmen unserer Forschung hat sich der rechtzeitige Übergang in die jeweils nächste Phase als entscheidend für den langfristigen Erfolg eines Internationalisierungsprojekts erwiesen. Das Verweilen in einer Phase – das heisst das fehlende Vermögen Führungs- und Managementkompetenzen der nächsten Herausforderungsstufe anzupassen – ist bei KMU-Führungskräften oftmals deutlich ausgeprägt. Mit dem Wissen um die Phasenhaftigkeit und Ausprägung der Teil-Kompetenzen in der jeweils nächsten Phase können KMUFührungskräfte ihr Handeln bewusster steuern und anpassen.

Professor Dr. Ingo Stolz ist Projektleiter und Dozent an der Hochschule Luzern – Wirtschaft im Rahmen des Instituts für Betriebsund Regionalökonomie IBR.

Sylvie Scherrer ist stellvertretende Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern – Wirtschaft im Rahmen des Instituts für Betriebsund Regionalökonomie IBR. www.hslu.ch/kmu-international

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Reife Märkte für die Schweiz Potentiale und Herausforderungen für KMU von Claude Maurer

Die Schweiz ist ein Exportland. Im Jahr 2018 exportierte die Eidgenossenschaft Waren im Wert von 233 Milliarden Franken – und davon stammen drei von den vier Export-Franken aus den reifen Märkten. Diese machen gemessen am Bruttoinlandsprodukt zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Entsprechend wichtig sind sie demnach auch für die KMU. Allerdings sind diese Märkte zusehends gesättigt und die Frage stellt sich, wie es dennoch gelingen kann Produkte und Dienstleistungen erfolgreich zu exportieren.

Export aus der Schweiz erfolgt mehrheitlich in reife Märkte – hier Hamburg (D).

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eife Märkte sind für den Export aus der Schweiz zentral. Fast die Hälfte aller Ausfuhren geht in die EU und an zweiter Stelle folgen die USA. «Alleine die beiden an die Schweiz grenzenden deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern importieren doppelt so viele Schweizer Produkte wie China», betont Sascha Jucker, Ökonom der Credit Suisse, die Bedeutung der reifen Märkte. Diese sind weit entwickelt und verfügen über eine hohe Kaufkraft. Die kulturelle und teils geografische Nähe zur Schweiz erleichtert es, Waren in entwickelte Länder

auszuführen. Nicht zuletzt unterstützen wirtschaftliche Stabilität und langjährige Handelsbeziehungen den beständigen Erfolg. Dennoch ist es falsch zu glauben, es wäre einfach, Produkte und Dienstleistungen in reife Märkte auszuführen. Denn meist sind es gesättigte Märkte. Es herrscht ein grosser Wettbewerbsdruck und selbst Nischen sind häufig bereits besetzt. Gleichzeitig sind die Kunden äusserst anspruchsvoll. Deshalb müssen Schweizer KMU in diesen Ländern von Anfang an mit ihren Produkten und Dienstleistungen überzeugen.

Klare USP entwickeln Für Schweizer Unternehmen, die in reife Märkte exportieren möchten, ist eine klare USP zentral. Gegenüber der Konkurrenz müssen sie sich deutlich positionieren und mit starken Produkten und Dienstleistungen überzeugen. Gefragt sind insbesondere innovative Produkte. Als innovativstes Land der Welt befindet sich die Schweiz diesbezüglich in einer guten Ausgangslage. Neben Nachhaltigkeit ist der grosse Megatrend derzeit ganz klar die Digitalisierung. Beispielsweise suchen Kunden in Grossbritannien stets nach digitalen Lösungen – sowohl im B2B - als auch im B2C-Bereich. Bei der Vermarktung müssen Schweizer Exporteure ebenfalls digital denken. So ist E-Commerce in den USA und in Kanada ein wichtiger Verkaufskanal, in Südkorea ist hingegen Home-TVShopping beliebt.

Kundenbedürfnisse im Zentrum Überhaupt gilt es, besonders beim Exportieren in reife Märkte die Kundenbedürfnisse zu kennen und zu erfüllen, sei es betreffend Marketing, Lieferfristen oder Serviceleistungen. So sind in den USA Lieferzeiten von einigen Stunden heute Standard. In Japan ist vor allem der AftersalesService zentral und Support wird rund um die Uhr verlangt. Je nachdem muss auch das Preismodell angepasst werden. Zwar handelt es sich bei reifen Märkten um kaufkräftige Volkswirtschaften. Doch sind zum Beispiel Kunden in Deutschland deutlich preissensibler als in der Schweiz. Auch in südeuropäischen Ländern, wie Italien, Frankreich oder Spanien, ist der Preis ein wichtiges Kaufkriterium. Selbst in Hochpreisländern, wie Australien und Neuseeland, werden die Preise zunehmend hinterfragt. Hier drängt günstige Konkurrenz aus dem nahen Asien auf den Markt.

Geschäftsmodell überdenken Reife Märkte weisen zwar eine gewisse kulturelle Nähe zur Schweiz auf. Dennoch müssen beim Export länderspezifische Eigenheiten berücksichtigt werden. Dies gilt besonders für südeuropäische Länder, in denen viel Wert auf persönliche Beziehungen gelegt wird. Dort arbeiten Schweizer Exporteure am besten mit lokalen Verkaufspersonen oder lokalen Partnern zusammen. Dasselbe gilt auch für weiter entfernt liegende Märkte, wie zum Beispiel Australien und Neuseeland. In manchen Ländern bilden zudem rechtliche Bestimmungen eine Stolperfalle. Diesbezüglich sind KMU die nach Nordamerika ausführen besonders gefordert. Nicht nur sind die Vorschriften oftmals strenger, sie sind in den USA und Kanada auch fast immer unterschiedlich. Aus diesem Grund müssen sich Unternehmen, die in reife Märkte exportieren möchten, gut mit den örtlichen Besonderheiten auseinandersetzen. Allenfalls muss beim Export aus der Schweiz das Geschäftsmodell angepasst werden.

Qualität als wichtiges Kriterium Zentral ist in reifen Märkten insbesondere die Qualität der exportierten Produkte und Dienstleistungen. Diesbezüglich geniesst «Swissness» einen guten Ruf. Im Ausland ist «Made in Switzerland» als Gütesiegel ein wichtiges Verkaufsargument. «Es steht für Qualität, Exklusivität, Tradition und neuste Technologie», so der Ökonom Sascha Jucker. Wenn Schweizer KMU also auch künftig konsequent auf Schweizer Qualitätsstandards setzen – vom Produkt über den Lieferanten bis hin zum Service – stehen die Chancen gut, dass sie weiterhin erfolgreich in reife Märkte ausführen können. 

«Schwellenländer werden überdurchschnittlich wachsen. Ihr Marktanteil ist aber gering.» Ausgabe 2/2019 // Seite 15


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Am Aussenwirtschaftsforum von Switzerland Global Enterprise diskutierten deshalb Schweizer Wirtschaftsgrössen, wie es gelingt, in reifen Märkten zu wachsen. An der Breakoutsession «Wohin geht die Reise in den reifen Märkten?» warfen die Experten der Credit Suisse einen Blick in die Zukunft und wir führten ein Interview.

Szenarien im Auge haben Heute stammen drei von vier Schweizer Export-Franken aus reifen Märkten: Wie wird sich dieses Verhältnis künftig entwickeln? In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis nur sehr wenig verändert. Tendenziell ist der Anteil der reifen Märkte aber leicht zurückgegangen. Im Gegenzug gewinnen Schwellenländer etwas an Bedeutung für den Schweizer Export. Insbesondere wird die Kaufkraft von China grösser. Die Entwicklung geht aber sehr, sehr langsam vonstatten. Ich rechne damit, dass der Anteil am Schweizer Exportvolumen, der in

reife Märkte geht, in den nächsten Jahren auf nicht weniger als 70 Prozent zurückgehen wird. Sie sprechen China an. Wird das Land für Schweizer Exporte so zentral werden, wie manche es erwarten? Für Luxusgüter wie Uhren ist China aufgrund der grossen Bevölkerungszahl und der Kaufkraft der Oberschicht tatsächlich ein spannender Markt. Das gilt aber nicht für alle Branchen gleichermassen. Die Industrie, beispielsweise die Autoindustrie, ist stark von Deutschland abhängig. Das wird auch so bleiben. Sicherlich ist es für Schweizer Exportunternehmen sinnvoll, sich in China zu etablieren. Die anderen und insbesondere die reifen Märkte dürfen aber nicht vernachlässigt werden. Welche Exportländer sind für die Schweiz besonders wichtig? Europa und insbesondere Deutschland ist für Schweizer Exporte zentral und wird es

Den verschärften Wettbewerbsdruck gilt es auszuhalten.

Seite 16 // kmuRUNDSCHAU

auch bleiben. Das unterschätzen viele. Weiche Faktoren wie der ähnliche kulturelle Hintergrund erleichtern den Handel mit unseren Nachbarländern. In Asien oder Lateinamerika ist das völlig anders. Doch auch hier ist teils vielversprechendes Potenzial vorhanden, beispielsweise in grossen Ländern wie Brasilien. Wichtig ist allerdings, sich nicht nur aufgrund der aktuellen Wirtschaftslage für einen neuen Markt zu entscheiden, sondern auch hinsichtlich Rahmenbedingungen wie der politischen Stabilität. Wie ist die Situation in den USA? Dorthin gehen Schweizer Exporte am zweithäufigsten. Ähnlich wie beim Export in unsere Nachbarländer gibt es in den USA kaum Sprachbarrieren für Schweizer Exporteure. Spannend in den USA ist insbesondere das Gesundheitswesen. Dieses ist weniger stark reguliert und der Gesundheitsmarkt wächst schnell. Für mehr Nachfrage wird die demografische Alterung sorgen.


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Auch in fremden Märkten erwarten Kunden zielgerichtetes Marketing, klare Lieferfristen oder passende Serviceleistungen.

Welche Länder werden für Schweizer Exporteure in den nächsten Jahren wichtig sein? Das Grundwachstum wird global in den meisten Ländern anhalten. Überdurchschnittlich wachsen werden die Schwellenländer. Ihr Marktanteil ist aber gering und die Hürden, welche ein Exporteur überwinden muss, sind teilweise hoch. Innerhalb der reifen Märkte dürften die USA das stärkste Wachstum verzeichnen. Am Aussenwirtschaftsforum wurde die Wachstumsverlangsamung in Europa angesprochen. Was ist die Ursache? 2017 und im ersten Halbjahr 2018 hatten wir ein starkes Wachstum. Ende 2018 folgte dann eine Verlangsamung. Das ist völlig normal im Wirtschaftszyklus, vor allem in der Industrie. Einerseits hatten wir aussergewöhnliche und temporäre Faktoren wie beispielsweise den Hitzesommer 2018, die zu einer Abschwächung führten. Andererseits löste der Handelsstreit zwischen den USA und China Unsicherheit aus. In der Folge verzeichnete insbesondere Deutschland eine schwächere Nachfrage aus China.

Diese betrifft allerdings primär den Industriebereich. Der Dienstleistungsbereich und der Arbeitsmarkt sind nach wie vor solide. Wird die Konjunktur in den reifen Märkten bald wieder anziehen? Das wahrscheinlichste Szenario ist tatsächlich, dass wir bereits am Tiefpunkt angelangt sind. Die europäische Wirtschaft dürfte sich in den nächsten Monaten erholen. Wir erkennen bereits erste positive Wachstumsimpulse aus China. Ginge der Abschwung dagegen weiter, würde sich das früher oder später im Arbeitsmarkt niederschlagen. Eine Rezession wäre dann das «Worst Case Szenario». Davon gehen wir allerdings nicht aus. Für die Schweizer Wirtschaft ist der Exportsektor bedeutend. Wie abhängig ist die Schweiz aber tatsächlich von der Entwicklung in anderen Ländern? Da wir nicht zu den grossen Volkswirtschaften gehören, sind wir selten Handelspartner Nummer 1 für ein anderes Land. Daher leiden wir auch oft nicht als erste bei einer Wirtschaftsflaute. Häufig

bewegen sich Schweizer Unternehmen in Nischen oder Sektoren, welche weniger konjunktursensibel sind. Beste Beispiele sind die Pharmaindustrie, der Medtech-Bereich, die Uhrenindustrie, aber auch die Textilindustrie, welche sich auf hochfunktionale Textilien spezialisiert hat. Die Qualität von Schweizer Produkten schützt uns daher auch zu einem gewissen Grad vor Preisdruck. Trotzdem ist es gut, wenn man sich diversifiziert und in mehreren Märkten präsent ist. Gerade die Dominanz der reifen Märkte wird noch einige Jahrzehnte anhalten.

Claude Maurer ist Leiter Konjunkturanalyse Schweiz der Credit Suisse www.credit-suisse.com/unternehmer

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Das Aussenwirtschaftsforum ist das jährliche Highlight der Exportwirtschaft der Schweiz. Daniel Küng setzt auf immer mehr «born globals».

Akteure in reifen Märkten Globalisierung ist kein Selbstläufer mehr Interview mit Daniel Küng von Georg Lutz

Das Aussenwirtschaftsforum in diesem Jahr hatte die reifen Märkte Europas, Amerikas und Asiens auf der Agenda. Das Thema war und ist herausfordernd, da die Handelshürden in Teilen wieder am Wachsen sind. Zudem standen die Megatrends der Digitalisierung, Industrie 4.0 oder der Nachhaltigkeit auf der Agenda. Wir führten dazu ein Interview mit dem CEO von Switzerland Global Enterprise (S-GE), Daniel Küng. Seite 18 // kmuRUNDSCHAU


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Heute kennt man nicht nur seine Mitbewerber, sondern arbeitet mit Ihnen partiell sogar zusammen. Ja, das kennen wir von uns selbst im Rahmen der S-GE. Wenn es um Exportförderung geht, haben wir nicht nur die anderen Akteure im Blick, sondern holen sie mit an Bord. Das sind beispielsweise Drittanbieter oder Branchenverbände, es können aber auch Kammern sein, die den Zugang zum Markt kennen. Alleine wären wir verloren. Mit dem Stichwort integratives Arbeiten kann, glaube ich, die zentrale Veränderung der letzten 15 Jahre am besten zusammengefasst werden. In den HR-Welten nennt man das Teamplay und flache Hierarchien. Der klassische Patron hat abgedankt. Voila, Sie haben heute gar nicht mehr die Ressourcen dafür. Und die Welt ist komplexer geworden. Komplexer und schwieriger. Schauen Sie sich doch nur die zunehmenden Handelsbarrieren an, die in den letzten Jahren dazugekommen sind. Diese zunehmende Komplexität kann nur durch intensivierte Kooperationen und den Einsatz digitaler Tools gemeistert werden.

H

err Küng, das war Ihr 15. Aus senwir tschaf tsforum u n d gleichzeitig das letzte in Ihrer Funktion als CEO von S-GE. Das führt zu der Frage, was sich in diesen 15 Jahren verändert hat? Wenn Sie heute als Unternehmer Erfolg haben wollen, nicht nur bei Ihren aussenwirtschaftlichen Aktivitäten, müssen Sie viel mehr in Netzwerken und Teams arbeiten. Heute als Solotänzer sich selbst zu genügen, ist sicher die falsche Strategie und reicht nicht mehr aus.

Einer der interessantesten Key-Notes für mich war der von Adrian Steiner, CEO der Thermoplan AG, der unter dem Titel «Ein KMU aus Weggis kooperiert mit internationalen Marktführern und wächst in reifen Märkten» seine Zusammenarbeit mit Starbucks skizzierte. Er musste zunächst die DNA des Riesen verstehen, um überhaupt an eine Zusammenarbeit denken zu können. Zudem denkt er aber heute, wo es eine erfolgreiche Zusammenarbeit gibt, schon wieder über die Situation des Ausstiegs nach. Brauchen wir Strategien für disruptives Denken? Definitiv. Wir benötigen als Unternehmensverantwortliche immer ein Stück weit proaktives Denken. Es geht darum, das Heft immer selbst in der Hand zu haben. Das heisst konkret: So, jetzt gehe ich, bevor die mich rauswerfen oder die Währung mich kaputt macht. Lenke ich wirklich noch meine Strategie? Adrian Steiner betonte die Unabhängigkeit. Selbst wenn man mit Starbucks erfolgreich kooperiert, braucht man seine eigenen Handlungsspielräume. Im Rahmen dieses Aussenhandelsforums geht es um gesättigte Märkte.

«Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Veränderung der Unternehmenskultur.» Lassen Sie uns in die Praxis springen. Fällt Ihnen spontan ein erfolgreiches KMU ein, welches in einem gesättigten Nischenmarkt agiert? Da gibt es einige und ich konzentriere mich hier auf zwei Beispiele. Luxus-Chalets aus mehrhundertjährigem Holz sind die Spezialität der Chalissima SA in Verbier. Das verwendete Holz ist zwischen 200 und 350  Jahre alt. Dafür suchen die Verantwortlichen von Chalissima überall nach alten Hütten und Maiensässen mit einer über Jahrhunderte gealterten Patina, weiden sie aus und bringen das gesunde Antikholz in ihr Lager. Neben dem zentralen Alpenraum Europas erkannte Chalissima auch in den USA eine mögliche Nachfrage nach den edlen Ferienresidenzen. Genauer in den Bergen Colorados mit berühmten und beliebten Skiresorts wie Aspen oder Breckenridge. Ferienhäuser der Oberklasse gibt es in den Colorado Mountains viele, aber keine Schweizer Luxus-Chalets aus Antikholz. Seit 2016 sind sie in diesem schwierigen und gesättigten Markt und können seither schon einige Erfolge aufweisen. Und das zweite Beispiel? Das Thurgauer Unternehmen Geobrugg fertigt Sicherheitsnetze und andere Zäune aus Stahl. Steinschläge oder Lawinen sind ständige Begleiter im Alpenraum. Das wird im Zeichen des Klimawandels noch zunehmen. Geobrugg sorgt mit seinen Lösungen hier für Sicherheit. Das meiste Geschäft wird inzwischen in fremden Märkten realisiert. Zum Beispiel durch die Entwicklung eines Fangzaunes für Formel1-Rennstrecken: 40’000 Quadratmeter des sogenannten FIA Debris Fence sind im russischen Sotschi montiert worden. Dort sorgt der Zaun am neuen Formel1-Kurs für effektiven Zuschauerschutz. Beide Unternehmen sind in reifen Märkten tätig und sind erfolgreich, da sie einen 

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Die grosse Gefahr für die Schweiz liegt nicht im Brexit, sondern in einer erneuten Schwäche des Euro.

neuen Lead schaffen, der vorher in dieser Form noch nicht bekannt war. Das hat nicht unbedingt mit disruptiven Strategien zu tun, sondern ganz klassisch mit kreativen Lösungen und dem Mut, neue Geschäftsmodelle auszudenken. Der neue Wirtschaftsminister der Schweiz, Guy Parmelin, hat für freie globale Märkte geworben, für die wir kämpfen müssten. Das ist heute ja keine Selbstverständlichkeit. In den Neunzigerjahren war Globalisierung eine leichte Sache. Heute wird sie von unterschiedlichen Akteuren wieder infrage gestellt. Der Nationalstaat soll es mal wieder alleine richten. Wie stellt sich die liberale Wirtschaftswelt der Schweiz hier auf? Die Globalisierung hat sich in den letzten Jahren etwas verlangsamt. Auf der anderen Seite sehe ich viele junge Unternehmensverantwortliche, die «born globals» sind. Es wird sich strukturell einiges verändern. Traditionelle Unternehmen müssen im Zeichen der digitalen Transformation einige neue strategische Überlegungen anstellen, um international noch eine Chance zu haben. Es gibt aber historisch gesehen immer Zyklen, in denen die Verfechter von eher abgeschotteten Binnenmärkten,

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die sich bei der Frage der Globalisierung nur die Rosinen rauspicken wollen. Schauen Sie nach Ungarn, Italien, den USA oder Brasilien … Das stimmt, aber wie konsequent sich das heute noch umsetzen lässt, ist eine andere Frage. Selbst Akteure, die für mehr Protektionismus werben, kaufen sich Produkte bei global agierenden Internetplattformen wie Zalando oder Amazon. Ich glaube nicht, dass das eine das andere ausschliesst. Es wird neue Formen der Globalisierung geben, und die Digitalisierung zeigt uns, in welche Richtung es geht. Diesen Zug dürfen wir nicht verpassen. Es deutet vieles darauf hin, dass nationale Lösungen und Globalisierung zusammengehen. Das tönte 2016, als wir hier zusammen im Vorfeld des Brexit-Referendums diskutierten, aber noch etwas anders. Wir stellten uns die Frage: Hält das Europa aus? Der Brexit macht mir heute viel weniger Angst als noch vor zwei, drei Jahren. Die Wirtschaftswelt wird sich auch in der PostBrexit-Periode weiterdrehen. Und wir als Schweiz haben mit Grossbritannien ja auch bereits ein Freihandelsabkommen ausgehandelt, welches nach dem Ausstieg aus der EU die Grundlage für die weiteren Beziehungen bildet.

Wo liegen aus Ihrer Sicht die zentralen Gefahrenherde? Was ich weiter als gefährlich ansehe, ist das Klumpenrisiko, welches wir in Bezug auf den Euro in der Schweiz haben. 44 Prozent unserer Exporte gehen nach wie vor in Eurowährungsländer. Wenn ich nach Italien oder auch Frankreich schaue, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Euro wieder zu schwächeln beginnt und Mittel wieder in den Schweizer Franken abfliessen. Diese Abschwächung des Euro in Verbindung mit der Verteuerung des Frankens wird uns das internationale Geschäft mit den EU-Ländern erschweren und auf die Margen drücken. Und wir werden eigenständig kaum dagegen agieren können. Da hilft nur mehr Diversifizieren. Das betrifft Märkte, Währungen und Regionen.

Daniel Küng ist CEO von Switzerland Global Enterprise. www.s-ge.com/de


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Weniger Administration

Der Online-Schalter fĂźr Unternehmen easygov.swiss Ausgabe 2/2019 // Seite 21


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Global & Lokal

Gute Chancen Brasiliens bürokratische Anforderungen in Griff bekommen von Harald Henkel

Brasilien hat die wirtschaftliche Talsohle durchschritten und einen neuen Präsidenten gewählt. Mittelfristig sind das gute Aussichten für D-A-CH-Unternehmen. Doch Vorsicht: bei einer Expansion gibt es einige bürokratische Fallstricke zu beachten.

S

eit Mitte 2017 geht es in Brasilien aufwärts. Das BIP legte in den letzten Jahren wieder leicht zu, sodass die Ökonomen überwiegend positiv gestimmt sind. Schliesslich ist Brasilien die mit Abstand grösste Volkswirtschaft Lateinamerikas und verfügt neben einem natürlichen Reichtum an Rohstoffen auch über eine gute handelspolitische Vernetzung innerhalb der Region und dem Weltmarkt. Diese Faktoren machen das Land zu einem attraktiven Hub für ausländische Unternehmen.

die Branchen Elektronik, Chemie, Fahrzeugbau, Maschinen- und Anlagenbau, Pharma, Energie und Konsumgüter werfen, denn gerade hier dürfte bei einem neuerlichen wirtschaftlichen Boom ein erhebliches Absatzpotenzial für europäische Anbieter zu erwarten sein. Doch Vorsicht ist geboten: Nicht alles, was auf den ersten Blick ein profitables Geschäft erscheint, stellt sich in der Praxis vor Ort als Selbstläufer dar.

Chancen für D-A-CHUnternehmen

Das liegt vor allem an der brasilianischen Bürokratie. Diese macht sich für ausländische Unternehmen insbesondere bei der Steuergesetzgebung bemerkbar. Jörg Gerdiken von der österreichischen Softwareberatung Phoron Consulting kennt sich aus. Er ist für Sales und Marketing in Brasilien zuständig und beschreibt die dem zugrunde liegende Philosophie so: «Während in Deutschland der Fiskus das Prinzip der vermuteten Steuerehrlichkeit anwendet, verhält es sich in Brasilien genau umgekehrt: Hier wittert der Staat bei jedem Vorgang einen Steuerbetrug, entsprechend streng sind die Vorschriften, um dies von vornherein zu unterbinden.» Das daraus entstandene Regelwerk ist äusserst unübersichtlich und kann für expansionswillige Firmen ein grosser Stolperstein sein. Vor allem dann, wenn die Regularien nicht vollständig und tagesaktuell IT-systemseitig abgebildet

Von dem nun einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung könnten daher auch Unternehmen aus der D-A-CH-Region profitieren. Mittel- bis langfristig erwartet beispielsweise das deutsche Bundeswirtschaftsministerium «erleichterte Handelsund Investitionsbedingungen» und das umfasst auch Marktliberalisierungen. Handlungsbedarf sieht der BDI allerdings noch beim Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem MERCOSUR. Bei der Infrastruktur setzt die neue Regierung von Präsident Jair Bolsonaro auf einen strikten Privatisierungskurs: so sollen mehrere Flughäfen, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und Hafenanlagen sowie Teile des Energiekonzerns Eletrobrás an Investoren veräussert werden. Besonderes Augenmerk sollten expansionswillige Firmen auf

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Brasilianische Steuergesetzgebung

worden sind. Denn nur wenn diese in das unternehmenseigene ERP-System eingepflegt sind, können später auftretende Probleme in der korrekten Anwendung von Steuersätzen und der peniblen Dokumentation sämtlicher Geschäftsvorfälle vermieden werden.

1 000 neue Steuerregeln integrieren Eines dieser Dokumente ist die sogenannte Nota Fiscal Eletrónica (NFe), eine Art elektronischer Lieferschein und Rechnung in einem, der die Bewegung von Waren akribisch erfasst. «Ohne dieses Dokument verlässt nicht eine einzige Schraube das Firmengelände», so Birgit BeimbornBecker, Unit Manager und Head of Products bei Phoron Consulting und ebenfalls für den brasilianischen Markt zuständig. «Wir raten Unternehmen, die in Brasilien eine Niederlassung aufbauen wollen, daher dringend, sich erfahrene Partner zu suchen. Denn die Implementierung einer speziell für Brasilien entwickelten Landesversion von SAP reicht zur Abdeckung der komplexen steuerrechtlichen Anforderungen nicht aus. Zusätzlich sind AddOns notwendig, die tagesaktuell die neuesten Hinweise zu Gesetzesänderungen und Reportingregeln liefern. Denn bereits geringfügige Fehler bei der Abgabe einer Steuererklärung werden in Brasilien hart sanktioniert», so Beimborn-Becker weiter. Dass diese für unbedarft agierende Firmen fast zwangsläufig vorprogrammiert sind,


Global & Lokal

verdeutlicht eine Statistik der brasilianischen Steuerbehörde IBPT. Demnach braucht man für den Ausdruck aller relevanten Regeln der aktuellen Steuergesetzgebung mehr als 5 900 Meter Papier im DIN A4-Format. Seit 1998 verabschiedeten der Bund, die 26 Bundesstaaten und die vielen tausend Gemeinden mehr als 30 neue steuerliche Regelungen – pro Tag!

Vorausschauende Planung schafft Sicherheit

Abacus ERP-Software mit E-Business Die führende Standardlösung für Lieferanten des Detailhandels Abacus Forum – Abea, E-Business 13.06.2019 in Oerlikon-ZH Anmeldung abacus.ch/forum

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Um hier ein Höchstmass an Prozesssicherheit im Produktivbetrieb eines Unternehmens zu schaffen und kostspielige Sanktionen oder gar Produktionsausfälle zu vermeiden, bietet sich eine erprobte Lösung wie das Template Beyond.Brasil von Phoron Consulting an. Die darin enthaltenen vorgefertigten Lösungen für logistische Prozesse, einschliesslich der komplexen Importprozesse in Brasilien und das Rechnungswesen vor Ort können problemlos in das vorhandene SAP-System des Gesamtunternehmens integriert werden. Auch die WALTER AG mit Sitz in Tübingen hat von der lokalen Expertise des Beratungsunternehmens Phoron profi-

tiert. Im Rahmen der Integration seiner ERP-Software am brasilianischen Standort Sorocaba bei São Paulo setzte der Werkzeugspezialist auf die Expertise von Phoron: «Wir wollten nicht nur eine weltweit einheitliche IT-Landschaft, mit der auch Kollegen aus Deutschland die Warenbewegungen und Bestellvorgänge problemlos nachvollziehen können, sondern auch ein Template, das den sehr komplizierten gesetzlichen Anforderungen in Brasilien gerecht wird. Hier gibt es nämlich wesentliche Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung von Geschäftsvorfällen. Diese hängt beispielsweise davon ab, ob man einen Werkstoff lokal einkauft oder importiert oder ob man ihn im eigenen Betrieb weiterverarbeitet, respektive als Handelsware weiterverkauft», beschreibt Konstantinos Giannakidis, verantwortlicher Projektleiter für den SAPRollout in Brasilien, einige der Herausforderungen. Bei der Suche nach einem erfahrenen und kompetenten Partner überzeugte ihn schliesslich der Softwareberater Phoron Consulting: «Das Unternehmen verfügt nicht nur über die fachliche Kompetenz, sondern bringt 

• Elektronischer Dokumentenaustausch (EDI) mit Kunden und Lieferanten • Standardisierte Anschlüsse an EDI-Provider wie STEPcom, Conextrade, SIX Paynet, PostFinance • Alle wichtigen Retail-Prozesse für Food und Nonfood im Standard abbildbar • Integriert in die Abacus Auftragsbearbeitung mit Lagerverwaltung, Verkauf, Einkauf, PPS

Konstantinos Giannakidis ist IT-Projektmanager bei der Walter AG in Tübingen und war verantwortlicher Projektleiter für den SAP-Rollout in Brasilien.

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Ecknauer+Schoch ASW

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Birgit Beimborn-Becker ist Unit Managerin und Head of Products bei der Phoron Consulting GmbH und zuständig für den brasilianischen Markt.

auch das interkulturelle Know-how mit, um ein solch umfangreiches Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen», so Giannakidis. Aufgrund der koordinierten Zusammenarbeit zwischen der IT-Abteilung am Stammsitz in Tübingen, den Mitarbeitern von Walter AG in Brasilien und den Beratern von Phoron in Deutschland und Brasilien vergingen vom Kick-off bis zum Go-live lediglich neun Monate.

Mit erfahrenen Partnern zum Erfolg «Es ist auf jeden Fall notwendig, mehrmals vor Ort am brasilianischen Standort präsent zu sein, um das Projekt erfolgreich zu koordinieren. Die Mitarbeiter von Phoron haben uns dabei hervorragend unterstützt. Wir haben jetzt eine einwandfrei funktionierende Lösung für die Nota Fiscal Eletrónica, eine vollständige Integration unseres brasilianischen Standortes in die Gesamtstruktur unseres Unternehmens und eine weltweit homogene IT-Landschaft. Mit dieser bilden wir beispielsweise einen Bestellvorgang nicht nur im Lagerbestand vor Ort ab, sondern übermitteln ihn zeitgleich an die lokale Buchhaltung sowie das zentrale Rechnungswesen in Deutschland. Wir sind dank des Beyond.Brasil-Templates mit seinen AddOns auch steuerrechtlich immer auf dem neuesten Stand und können uns so ganz auf unser Kerngeschäft konzentrieren», beschreibt Giannakidis die Meilensteine des Projektes. Es bleibt festzuhalten: Gerade in Brasilien

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Wer einen Standort in Brasilien aufbauen möchte, benötigt vor allem bei der IT-systemseitigen Abbildung der Prozesse Unterstützung.

stellt der Rollout einer ERP-Software wie SAP aufgrund der spezifischen steuerrechtlichen Regeln eine Herausforderung dar. Unternehmen, die eine Expansion planen, sollten sich für einen Partner entscheiden, der neben der technischen Expertise auch die interkulturelle Erfahrung mitbringt und nach dem Go-Live auch den zeitnahen SAP-Support der brasilianischen Landesorganisation unterstützt. Nur dann steht einem optimalen Start am Zuckerhut nichts mehr im Wege.

Harald Henkel ist freier Redaktor. www.phoron.com


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Verpasste Chancen Die Disruption im Markt für Unternehmenssoftware von Matthias Weber

Der Markt für Unternehmenssoftware, oder Neudeutsch: Enterprise Application Software (EAS), gilt bisher als ruhiger Luftraum. Alle Marktteilnehmer haben ihre Flughöhe erreicht und kreisen mehr oder weniger erfolgreich um ihre Interessenten und Kunden. Aber werfen wir doch einmal einen genaueren Blick in diesen Luftraum und damit auf den Markt für Unternehmenssoftware.

In der Cloud weht mittlerweile ein rauer Wind.

D

en EAS-Markt teilen sich primär zwei Arten von Raubvögeln auf dem Beutezug nach neuen Kunden unter sich auf: Software-Hersteller und Software-Anbieter. Hersteller sind primär Unternehmen, die eine Unternehmenssoftware programmiert haben und auf dem Markt anbieten. Der Vertriebsweg kann direkt oder indirekt sein. Beim direkten Vertriebsweg kauft der Interessent direkt beim Hersteller. Beim indirekten Weg kommen die Anbieter ins Spiel. Sie sind meist Vertriebspartner des Herstellers und übernehmen die Marktbearbeitung.

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Im Gegenzug erhalten sie eine Marge für ihre Mühen. Oft bieten Anbieter als Systemhaus noch weitere Dienstleistungen an und versuchen sich als Full-ServiceIT-Lieferant für Unternehmen.

Der raue Wind in den Wolken Die Cloud hat aber auch vor Enterprise Application Software nicht haltgemacht. Je nach Markteintritt haben Hersteller bereits von Anfang an auf eine Cloud-Implementierung gesetzt oder müssen ihre Software «Cloud-fähig» machen. Einige Hersteller waren tatsächlich der Meinung,

dass sich der Cloud-Trend nicht hält, und haben die Weiterentwicklung verschlafen. Sie verkaufen im Moment zum Teil PseudoCloud-Lösungen, also Implementierungen, die zwar über das Internet verfügbar sind, aber nicht dieselbe Flexibilität aufweisen, die eine reine Cloud-Lösung hat. Die Fakes sind daran zu erkennen, dass einzelne Software-Module nur über eine klassische Installation verfügbar sind oder die Abrechnung und Lizenzierung der Software immer noch den Standards aus den 90er-Jahren entspricht, und diese sind meist unflexibel.


Software & Hardware

Es weht mittlerweile ein zunehmend rauer Wind am Markt. In der Vergangenheit wurde oft auf einen Partner-Vertrieb gesetzt – so konnte ein kundennaher Service über den Anbieter gewährleistet werden. Die Cloud verändert aber die Spielregel. Durch die neue Technologie rücken die Hersteller selbst näher an die Kunden. Sie können dank der digitalen Nähe über das Internet ihre Produkte einfacher selbst vertreiben. Einige Hersteller kappen ihr Partner-Modell und betreuen aufgrund der Cloud die Kunden mittlerweile selbst. Anbieter sehen sich zunehmend gegenüber den Herstellern in Konkurrenz und müssen um ihre Relevanz als Marktteilnehmer bangen. Gerade Systemhäuser müssen sich hier neu aufstellen.

Wohlstandsbauch und Trägheit Nun ist guter Rat teuer. Blickt man auf die Abnehmerseite, so hat bereits nahezu jedes Unternehmen eine Unternehmenssoftware. Der Markt ist an sich gesättigt. Die Kunden befinden sich in aller Regel in einer mehr oder weniger aktiven Betreuung durch einen Software-Hersteller oder -Anbieter. Software-Pflegeverträge (SWP) binden die

Kunden zusätzlich an den Lieferanten. So fliesst regelmässig Geld, und der Kunde erwartet dafür Software-Updates und Programmneuerungen. Ein Wechselwunsch besteht deswegen nur, falls eine massive Unzufriedenheit mit der Software oder der Betreuung besteht. Die einzige Chance für den Vertriebsmitarbeiter der Hersteller und Anbieter ist das Geschäft mit der Angst. Oft müssen Kunden künstlich aus ihrem sicheren Nest geworfen werden. Man schupst sie in unbekannte Probleme, sodass sie das Gefühl haben, sie bräuchten für die Lösung des Problems eine neue Software. Die KMU-Verantwortlichen verhalten sich jedoch sehr unterschiedlich. Einige sind noch zögerlich gegenüber der Digitalisierung. Die eingesetzte Warenwirtschaft erzeugt die gewünschten Belege und gibt einen groben Überblick über die Wert- und Mengenflüsse beziehungsweise Lagerbestände. Es lief doch mit diesem Grad der Digitalisierung auch die letzten 20 Jahre gut. Dabei gibt es gute Gründe für einen Umstieg auf neue und moderne Unternehmenssoftware, denn in Zukunft wird der Digitalisierungsgrad ein Wettbewerbsvorteil

sein und den Fortbestand des Unternehmens sichern. Mit diesem Wissen um die digitale Disruption müssten Hersteller und Anbieter von Unternehmenssoftware an den Interessenten und Kunden herantreten. Lieferanten für Unternehmenssoftware müssten sich mehr als DigitalisierungsPartner sehen und den digitalen Wandel ihrer Kunden begleiten. Dabei verpassen oft vor allem Anbieter von Unternehmenssoftware die eigene Disruption, die durch den Markt geht.

Die Disruption im EAS-Markt Viele Marktteilnehmer fühlen sich im EASMarkt sicher. Der Einstieg neuer Player ist schwierig und mit hohen Kosten verbunden. Die verfügbaren Software-Produkte sind horizontal, wie auch vertikal, meist ausgereift. An diese Funktionsbreite und -tiefe müssen neue Hersteller erst mal rankommen. Hersteller wiegen sich hier in Sicherheit. Dennoch, B2B-Start-ups sind im Kommen. Sie schaffen Microservices, also kleine Bausteine, die zwar nicht breit aufgestellt sind, aber eine sehr hohe Funktionstiefe aufweisen. Die Idee: Ein anderes Unternehmen stellt einen weiteren 

Bei der Disruption der IT-Märkte müssen sich einige Akteure einen Ruck geben.

Ausgabe 2/2019 // Seite 27


Software & Hardware

Microservice zur Verfügung, der sich horizontal an den anderen Service angliedert. Am Ende entsteht eine EAS-Architektur mit verschiedenen Produkten, die aber hoch integriert arbeiten. Nach der Devise: das Beste von jedem Hersteller. Ob die jetzigen Hersteller auf den Ansatz noch rechtzeitig aufspringen? Nicht alle werden es schaffen. Und dann stellt sich noch die Frage, wo die Anbieter bleiben. Voraussichtlich werden sie die absoluten Verlierer der Disruption im EAS-Markt werden. Hersteller kaufen ihre Partner, um ihr Angebot vertikal zu erweitern und so als Full-IT-ServiceProvider auftreten zu können. Grosse Systemhäuser halten dagegen, schliessen sich zusammen, kaufen sich gegenseitig auf, um ein wenig Macht gegenüber ihren Lieferanten zu behalten. Gerade kleine Anbieter werden verschwinden, wenn sie nicht in Wachstum investieren. Aber auch die grossen Anbieter werden gegenseitig mehr in Konkurrenz treten und dann kommen noch die Hersteller, die auch mehr vom Kuchen haben wollen.

Neue Entscheider und neue Kunden Die gute Nachricht lautet: Die Disruption im EAS-Markt wird kommen! Die schlechte Nachricht: Die Disruption wird kommen und einiges auf den Kopf stellen. Und nicht alle werden die Veränderungen überleben. Dies macht aber Platz für neue Hersteller und Anbieter, die sich auf die neuen Entscheider in den Unternehmen einstellen – die Generation Y. Diese Generation wird Firmen übernehmen oder neue Unternehmen gründen und damit frischen Wind in die Geschäftswelt bringen und die Disruption vorantreiben.

Überlebensmassnahmen einleiten Nach all den negativen Szenarien stellt sich die Frage: Wie übersteht man diesen Sturm? Fünf Themenfelder haben einen massgeblichen Einfluss darauf, ob man abstürzt oder heil durch das Unwetter kommt: >>PR: Die PR-Abteilung muss sich in einen integrieren KommunikationsHub verwandeln und als Stabsstelle nahe an der Geschäftsführung agieren. Sie ist nicht nur für die klassische Media-Relation verantwortlich, sondern auch für eine

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Der Vertrieb mutiert zunehmend zum Sprachrohr in Richtung der Kunden.

ganzheitliche Kommunikation zuständig. Zusammen mit dem Vertrieb erarbeitet und führt sie Kommunikations-Kampagnen. Diese Kampagnen beinhalten dann nicht nur die Komponente Media-Relation, sondern auch Inbound Marketing, klassisches Marketing und das Budget für Outbound Marketing. >>Marketing: Das klassische Marketing ist im Markt für Unternehmenssoftware weit verbreitet, sogar schon in Systemhäusern. Hier braucht es den stärksten Wandel. Das Marketing geht im integrierten KommunikationsHub auf und arbeitet nun integriert an einer Kommunikationsstrategie mit. >>Vertrieb: Der Vertrieb, meist die Königskinder im Unternehmen, müssen näher an den Kommunikations-Hub rücken. Zusammen sind sie das Sprachrohr zu Interessenten und Kunden. Daher müssen auch sie künftig eine Sprache sprechen. >>Produkt: Das Produkt, sei es eine Software oder eine Dienstleistung, muss sich dem Digitalisierungsprozess der Kunden anpassen. Dabei

müssen die Product-Owner zurück auf den Markt und den Dialog mit den Interessenten und Kunden suchen. Nur so kann das wertvolle Feedback direkt ins Produkt fliessen. >>Ökosystem: Software-Hersteller und Anbieter müssen sich vernetzen und ihr Netzwerk erweitern. Sie brauchen ein Ökosystem, damit Sie als Full-ITService-Provider wahrgenommen werden. Nur so können sie die Anforderungen ihrer Interessenten und Kunden befriedigen.

Matthias Weber ist Experte auf dem Gebiet der Unternehmenssoftware (ERP, CRM und Warenwirtschaft). www.mwbsc.de


kolumne

Die Wolke macht keine Angst mehr von Samuel Schweizer

U

nser Leben hat sich dank Internet, Smartphones und Cloud Computing stark verändert. Dies gilt auch und insbesondere für die Arbeitswelt. Gerade die Cloud-Services haben sich rapide entwickelt und eröffnen neue Business-Möglichkeiten. Da gibt es mittlerweile Services für Machine Learning, Künstliche Intelligenz und Blockchain. Die Datenwolke ist omnipräsent. Ich fange mal damit an, was mich in den letzten Jahren zu diesem Thema am meisten beeindruckt hat. Nämlich, dass die Cloud heute das «new normal» in der IT und in der Geschäftswelt geworden ist. Während man anfangs noch richtig Angst vor der Datenwolke hatte, navigiert man heute ganz selbstverständlich durch die verschiedenen Möglichkeiten von Cloud Services. Trotzdem, wirklich banal und einfach ist das Thema noch immer nicht. Ganz im Gegenteil. Denn die Cloud ist heute fester Bestandteil einer IT-Strategie und nicht einfach ein Experimentierfeld für IT-Freaks mit basisdemokratischen Ideen. Marktanalysten des Beratungsunternehmens Gartner schätzen, dass bis 2021 bereits drei von vier Unternehmen eine Cloud für ihr Business nutzen werden. Wer innovativ bleiben will, muss auf die Cloud setzen. Dabei ist klar, dass Cloud-Lösungen in verschiedener Hinsicht klare Vorteile bringen. Stellen Sie sich nur mal einen Stromausfall in Ihrem hauseigenen Rechenzentrum vor. Der Super-GAU für Datensicherheit und Datenverfügbarkeit, oder? Was auch immer man in eine solche Datenwolke hineinkopiert, ist danach immer und überall verfügbar. So kann man seinem Kumpel die tollen Ferienfotos auf dem Tablet zeigen oder in einem Tagungshotel schnell die Präsentation abrufen, die man im Büro vorbereitet hat. Und vieles mehr.

in Unternehmen. DMS- oder ECM-Systeme sind extrem effizient zur Beseitigung von Dateichaos, Papierbergen und sie verbessern die lästige Suche nach Dokumenten. Moderne Enterprise-Content-Management-(ECM)-Systeme sorgen für effizientere Geschäftsabläufe. Das ist heute auch notwendig, denn Unternehmen haben mit immer mehr geschäftsrelevanten Daten zu tun – Stichwort: Big Data. Diese Daten können dank ECM-Systemen übersichtlich abgelegt und klar strukturiert werden. Die relevanten Informationen sind somit leichter zugänglich und wiederauffindbar – und dank Cloud immer und überall abrufbar. Eine Lösung ganz im Sinne von «Industrie 4.0» für die Herausforderungen der heutigen Zeit bietet ELO Digital Office. Die Software besteht im Kern aus einem effizienten DokumentenManagement-System (DMS) ergänzt mit verschiedensten Modulen und Business-Solutions. ELO verwaltet und archiviert aber nicht nur Dateien, sondern lässt sich mit unterschiedlicher Software kombinieren und überbrückt so auf intelligente Weise Schnittstellen beziehungsweise verschiedene Informationsquellen. Das beschleunigt den Durchlauf von Dokumenten sowie die Prozesskontrolle. Sei es, dass der Kunde rechtzeitig die Baufreigaben erteilt oder man erinnert wird, dass Rechnungen noch nicht freigegeben sind und somit ein Skonto-Verlust droht.

Samuel Schweizer ist Head of Sales der ELO Digital Office CH AG.

Interessant sind Cloud-Lösungen auch für das DokumentenManagement (DMS) und Enterprise Content Management (ECM)

www.elo.swiss

Ausgabe 2/2019 // Seite 29


Software & Hardware

Innovation als Leidenschaft Vollumfängliche Cloud-Lösungen seit über 10 Jahren von François Pajot

Seit über 30 Jahren bietet VTX ein umfassendes Angebot von IP-orientierten Lösungen: Internet, Mehrstandort-Vernetzung, IP-Telefonie, Cloud, Housing und Security. VTX unterhält seine eigenen Rechenzentren in der ganzen Schweiz. Ein umfangreiches Netz aus Zweigniederlassungen und Partnern steht für die Unternehmenswerte der VTX und dessen Einsatz für ihre Kunden.

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as Cloud-Abenteuer von VTX begann vor rund zehn Jahren: Ein internationaler Sportverband beauftragte das Unternehmen mit dem Hosting seiner virtuellen Infrastruktur. Aufgrund der Erfahrung mit Shared Hosting, Domainnamen, dedizierten Servern sowie Housing nahm VTX den Aufbau einer Cloud-Plattform in Angriff. Hierzu stützte sich das Team auf zuverlässige Partner wie DeLL für den Teil Computer, NetApp für den Teil Storage (dynamisch oder passiv für Backups) sowie VMware für den Teil Virtualisierung. High-EndCloud-Lösungen galten für VTX schon damals als Richtlinie. Fundiertes Knowhow ermöglichte es VTX, das Projekt schnell voranzutreiben, selbst wenn das Unternehmen dabei als Pionier auch Rückschläge hinnehmen musste. Es entstanden die ersten Entwicklungen unter Linux und Windows und im Februar 2011 konnte das Resultat präsentiert werden: eine CloudInfrastruktur mit 30 virtuellen Maschinen.

Neue Wege beschreiten Diese bereichernde Erfahrung nutzte VTX, um ein Cloud-Produkt für dessen andere Kunden zu entwickeln. Parallel dazu beauftragte der erste Kunde das Unternehmen, seinen Park mit virtuellen Maschinen zu vergrössern (heute über 70). Das Angebot an neuen Lösungen wurde erweitert zum Beispiel durch Backups, die sich auf Veeam stützen, oder DRP mit Geo-Redundanz in den Rechenzentren. Im Gegensatz zu anderen Cloud-Providern, die zu Lösungen vom Typ Content Server oder Pass tendieren, fokussiert sich VTX auf virtuelle, selbstgemanagte Lösungen: Als Vollsortimentanbieter begleitet VTX dessen Kunden bei der Einrichtung ihrer Cloud-Infrastruktur von A bis Z. Das gilt auch für gesicherte VPN MPLS-Verbindungen zur

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VTX betreut Kunden bei der Einrichtung ihrer Cloud-Infrastruktur von Anfang an.

Standortvernetzung. Alle Aspekte der IT- und Telekom-Umgebung werden ins Auge gefasst.

Engagement, persönliche Betreuung und Innovation Heute hat sich das Angebot von VTX stark vergrössert und die Cloud ist allgegenwärtig: Auf diesem stark expandierenden Wachstumsmarkt dominieren die amerikanischen Schwergewichte. Die Cloud von Microsoft, die bis Ende Jahr in den Schweizer Rechenzentren ihren Einzug hält, macht VTX keine Angst, da sich dessen Dienste an KMU richten. Der Mehrwert beruht auf individueller Beratung. Hierbei tut sich Microsoft als Provider von Infrastruktur-Lösungen schwer. Einer der Vorteile besteht darin, dass VTX ein unabhängiger Anbieter ist. Die Teams managen die gesamte Infrastruktur aus der Schweiz. Da sich die Rechenzentren auch in der Schweiz befinden, ist dies die

Garantie für die Kunden, dass ihre Daten nicht ins Ausland abwandern. Lösungen in der Art von Microsoft sind undurchsichtiger, insbesondere, was die Speicherorte und -art anbelangt. VTX versteht sich als Architekt für Telekom-Lösungen für seine Kunden. VTX baut Dienste auf, die optimal auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.

François Pajot ist Head of Product Management und Marketing bei der VTX Services AG. www.vtx.ch



Software & Hardware

Ressourcen stehen wesentlich schneller zur Verfügung.

ERP-System in der Cloud Der Weg zu mehr Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit von Raymond Jones

Die Verlagerung des ERP-Systems in die Cloud verspricht Unternehmen zahlreiche Vorteile. Bedenken wegen IT-Sicherheit und Datenschutz sind oft übertrieben. Wichtig ist allerdings, dass Unternehmen flexibel zwischen verschiedenen Betriebsmodellen wählen können.

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nternehmen weltweit legen ihre Cloud-Skepsis ab und erwägen immer öfter, sogar kritische Systeme in die Cloud auszulagern. Das gilt in zunehmendem Masse auch für das Herzstück der Unternehmens-IT: die ERP-Systeme. Zu den vielen Vorteilen, die ein solches Vorgehen verspricht, zählt allen voran die bessere Skalierbarkeit. Ändern sich die Geschäftsanforderungen, etwa weil ein Unternehmen wächst oder sich neue Märkte erschliessen, benötigen mehr Nutzer Zugang zum ERP-System und dieses muss grössere Datenmengen verarbeiten. Bei herkömmlichen On-premisesSystemen ist es nicht nur zeitaufwändig, sondern auch äusserst kostenintensiv, das ERP und die zugrundeliegende IT-Infrastruktur entsprechend zu erweitern. Bei einem ERP-System in der Cloud haben Unternehmen die Möglichkeit, zusätzlich benötigte Ressourcen einfach freizuschalten und damit wesentlich schneller zur Verfügung zu stellen. Dadurch können sie nicht nur deutlich agiler, sondern auch kosteneffizienter agieren.

Zahlreiche Vorteile Unternehmen benötigen überhaupt keine eigene IT-Infrastruktur mehr für den Betrieb des ERP und müssen damit auch nicht mehr betreuen und modernisieren. Das zahlt sich gerade in Zeiten des permanenten Wandels und der Digitalen Transformation aus. ERP-Systeme nutzen zunehmend Technologien wie Internet of Things (IoT) oder Künstliche Intelligenz (KI)

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und eröffnen damit ganz neue Möglichkeiten. Durch den Wegfall der Infrastrukturen und des ERP-Inhouse-Betriebs werden die IT-Teams zudem erheblich entlastet und können sich stattdessen ganz auf Initiativen und Projekte der Digitalen Transformation konzentrieren, die ihr Unternehmen weiter voranbringen. Nicht zuletzt ist der Wegfall der administrativen Aufgaben durch ein Cloud-basiertes ERP auch ein wirkungsvolles Mittel gegen den grassierenden Fachkräftemangel. Darüberhinaus wird der Zugriff auf ERP-Funktionen und -Daten ausserhalb des eigenen Unternehmens durch ein Cloud-Rechenzentrum erheblich vereinfacht. Mobile Mitarbeiter, seien es Führungskräfte auf Geschäftsreisen oder Sales- und Service-Mitarbeiter, können das ERP unkompliziert ortsund zeitunabhängig nutzen. Die Abonnement-basierten Bezahlmodelle von Cloud-basierten ERP-Lösungen ermöglichen Unternehmen auch eine bessere Kostenkontrolle bei der Bereitstellung der Software. Sie können das System exakter auf die passende Grösse zuschneiden, indem sie bei Bedarf einfach nach oben skalieren oder überflüssig gewordene Abonnements kündigen.

Sicherheitsniveau professionalisieren Zögern Unternehmen, ihr ERP-System in die Cloud zu verlagern oder ziehen diese Option erst gar nicht in Betracht, liegt das häufig an Bedenken in Sachen IT-Sicherheit und Datenschutz. Diese sind aber oft

übertrieben oder sogar gänzlich unbegründet. Die Wahrheit ist, dass das Sicherheitsniveau, das ein professioneller CloudBetreiber wie beispielsweise Microsoft Azure bietet, deutlich höher ist als alles, was ein Unternehmen für seine eigene Onpremises-Installation realisieren kann. Dennoch sollten Unternehmen auf jeden Fall darauf achten, dass ein Cloud-Anbieter ein nach ISO 27001 zertifiziertes Informationssicherheits-Managementsystem hat. Daneben sind professionelle CloudBetreiber heute natürlich auch in der Lage, Datenschutzanforderungen wie die Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union oder das Schweizer Bundesgesetz über den Datenschutz zu erfüllen. Auch das sollten sich die Unternehmen vom Anbieter aber durch entsprechende Zertifikate nachweisen lassen. Zwei weitere Sorgen, die Unternehmen bei der Verlagerung des ERP in die Cloud oft umtreiben, sind die Verfügbarkeit des Systems und die so genannte Disaster Recovery, also die Wiederherstellung des Systems nach einem Störfall. Die Erfahrung zeigt aber, dass in den allermeisten Fällen die Verfügbarkeit im Vergleich zu einer Inhouse-Installation steigt. Das gilt insbesondere bei Unternehmen mit mehreren Standorten und für Mitarbeiter, die ausserhalb des Firmengeländes tätig sind. Eine Verfügbarkeit von 100 Prozent bei vertretbaren Kosten zu gewährleisten, ist für Cloud-Anbieter zwar heute noch nicht möglich; dasselbe gilt aber auch für eine On-premises-Installation. Eine Verfügbarkeit von 100 Prozent


Software & Hardware

würde auch hier signifikant hohe Kosten verursachen. Der Business-SoftwareAnbieter IFS beispielsweise vereinbart deshalb mit Unternehmen, die sein ERPSystem aus der Cloud nutzen, vertraglich meist eine Verfügbarkeit von 99,5 Prozent und erreicht de facto eine Quote von 99,8 Prozent. Auch die Wiederherstellung verbessert sich erfahrungsgemäss durch den Umzug in die Cloud. Je nach Umfang des ERP und nach Ausmass des Störfalls kann eine Wiederherstellung bei On-premises-Installationen Tage bis Wochen dauern. Bei einem Cloud-basierten ERP ist sie eine Frage von wenigen bis maximal 24 Stunden.

Software as a Service versus Managed Cloud Welches konkrete Cloud-Betriebsmodell sich für ein Unternehmen eignet, hängt davon ab, wie viele individuelle Code-Anpassungen es vornehmen möchte und wie autonom es hinsichtlich des Software-Lifecycle agieren will. Das klassische Software-as-a-Service (SaaS)-Modell ist die kostengünstigere Variante, bringt aber Einschränkungen mit sich. Bei diesem Modell

nutzen Unternehmen die Standardversion Firebox T35 & Firebox T55 eines ERP-Systems und haben nicht die Möglichkeit, den Code individuell anzupassen. Moderne Systeme können diese Einschränkung zwar abschwächen, indem sie sich durch umfassende Konfigurierbarkeit an individuelle Anforderungen anpassen lassen, aber nicht vollständig beseitigen. Zudem wird die Software vom Anbieter automatisch kontinuierlich aktualisiert. Unternehmen können dadurch nicht selbstständig entscheiden, welche Updates oder Upgrades sie einspielen und welche sie auslassen möchten. Unternehmen, die diese Einschränkungen nicht akzeptieren können, steht mit der Managed Cloud eine Alternative zur Verfügung. Bei diesem Modell richtet der Anbieter eine eigene Cloud-Infrastruktur für das Anwenderunternehmen ein – und ermöglicht ihm damit, das ERP-System genauso wie bei einer On-premises-Installation mit Individualanpassungen zu nutzen und nach eigenem Ermessen zu aktualisieren. Damit Unternehmen flexibel und zukunftssicher sind, sollte ihnen ihr ERP-Partner idealerweise verschiedene Betriebsmo-

delle aus einer Hand zur Auswahl bieten: Firebox M470, M570 & M670 von einer On-premises-Installation über Software as a Service bis hin zur Managed Cloud. Dann können die Unternehmen ihre ERP-Prozesse und -Daten nicht nur Schritt für Schritt in die Cloud verlagern, indem sie zunächst On-premises- und CloudKomponenten miteinander kombinieren und den Anteil der Cloud-Komponenten kontinuierlich ausbauen. Sie haben auch die Möglichkeit, jederzeit zwischen den einzelnen Modellen hin und her zu wechseln, wenn sich ihre Anforderungen oder Pläne in der Zukunft ändern sollten.

Raymond Jones ist Vice President of Cloud Operations beim Business-Software-Anbieter IFS. www.ifsworld.com/de/

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Ausgabe 2/2019 // Seite 33 WatchGuard Technologies | www.watchguard.de


Software & Hardware

Zusammen in die Zukunft Fit für Data Science von Professor Dr. Christoph Heitz, Dr. Gundula Heinatz Bürki und Dr. Jürg Meierhofer

Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts – dem sind sich auch die KMU in der Schweiz bewusst. Doch begrenzte Ressourcen und Fokus auf das operative Geschäft hemmen den Einsatz von datengetriebener Innovation. Hier setzt das Projekt Data4KMU des IBH-Labs KMUdigital an und will auch KMU den Anschluss an Data Science ermöglichen. Die Erfolgsgeschichte ist eines der Innovationsprojekte, welches von Mitgliedern der Swiss Alliance for Data-Intensive Services geleitet wird, dem Schweizer Technologie-Netzwerk, das Unternehmen bei der Entwicklung neuer datenbasierten Produkte und Dienstleistungen unterstützt.

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ie systematische Erfassung und Auswertung von Daten erlaubt es Unternehmen, ihr Dienstleistungsangebot beträchtlich auszubauen – im Maschinenbau beispielsweise im Bereich der Servicedienstleistungen. Konventionelle Dienstleistungen in der Maschinenwartung wie Ersatzteile oder Garantieleistungen waren gestern: Data Science eröffnet innovative neue Services wie die vorausschauende Wartung von Maschinen oder eine gezielte Beratung entlang der Customer Journey. Diese neuen Services bedingen für Unternehmen nicht nur ein Umdenken darin, was überhaupt alles als Serviceleistung angesehen und angeboten wird, sondern erfordern in erster Linie auch ein strukturiertes Datenmanagement und eine iterative und explorative Herangehensweise an die Themen Data Science und Servitization. Doch genau hier stossen KMUs oft an ihre Grenzen.

Knappe Ressourcen und gesuchte Fachleute Das typische KMU verfügt im Regelfall über wenig Ressourcen in den Bereichen Data Science und Service Design. Wenn Projekte oder Initiativen gestartet werden, unterscheiden sich diese denn auch drastisch von solchen in Grossunternehmen und Konzernen. Diese verfügen typischerweise bereits über professionell aufgegleiste Initiativen für eine Daten-basierte Serviceentwicklung und streben in langfristig angelegten Projekten beispielsweise eine Optimierung des Outputs auf hohem Niveau an. Für KMUs geht es oft viel eher darum, in einem überschaubaren Zeit- und Kostenrahmen die ersten Schritte überhaupt zu machen und einen ersten Servicenutzen aus den verfügbaren Daten zu holen. Und die geeigneten Fachleute für solche Data Science Projekte zu finden, ist für KMU eine weitere Herausfor-

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derung – denn dabei konkurrieren sie mitunter mit attraktiven und namhaften Grosskonzernen und Tech-Giganten um die Data und Service Spezialisten.

vicenutzen generieren können. Stets im Fokus dabei sind die Bedürfnisse der Unternehmen und die möglichst einfache Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials.

Perspektiven vereinen

Kollaborative Ökosysteme

Aber nicht nur fehlende Ressourcen und Fachleute stellen für Unternehmen eine Hürde dar – auch mangelnde Abstimmung zwischen Serviceperspektive und technischer Perspektive komplizieren den Erfolg. Während bei der Serviceperspektive immer zuerst bei den Bedürfnissen des Kunden angesetzt und anschliessend geschaut wird, wie man das technisch realisieren kann, funktioniert dies aus technischer Perspektive gerade umgekehrt: zuerst wird geschaut, was man technisch alles realisieren kann – das wirkliche Bedürfnis bleibt darob oft auf der Strecke. Plakativ ausgedrückt kann man sich das so wie beim Tunnelbau vorstellen. Wenn die beiden Seiten einfach anfangen zu graben, ohne eine systematische Vorgehensweise, dann graben sie im schlimmsten Fall komplett aneinander vorbei und viel Potential geht verloren.

Um die relevanten Data Science Anwendungen in das operative Geschäft eines Unternehmens zu integrieren, braucht das durchschnittliche KMU intern grundsätzlich keinen absoluten Data-Crack, sondern fährt gut mit einem Generalisten: Jemand mit genügend breitem Know-how, um das Thema zu verstehen und die Sachlage richtig einschätzen zu können. Komplexe Programmierarbeiten können in so einem Setting anschliessend gut an Universitäten, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen ausgelagert werden. So kristallisieren sich partnerschaftliche Kooperationen heraus, die weg von der traditionellen linearen Wert-

Möglichkeiten ausloten Damit KMU den Anschluss an Data Science und die sich damit eröffnenden Möglichkeiten nicht verpassen und die Zukunft aktiv mitgestalten können, brauchen sie in erster Linie praxisorientierte Lösungen. Im Rahmen von Data4KMU haben die Projektbeteiligten aus diesem Grund unzählige Gespräche mit Unternehmen geführt und anschliessend Situationsanalysen erstellt. Darauf aufbauend zeigen die Verantwortlichen – mit überschaubaren Pilotprojekten beziehungsweise PoCs (Proof-of-Concept) – den KMU konkrete Handlungsoptionen auf und demonstrieren den Firmen so handfest, wie sie auch mit einfachen Mitteln aus Daten ersten Ser-

Der organisatorische Rahmen Das Projekt Data4KMU wird von der ZHAW geleitet und gemeinsam umgesetzt mit der FHS St.Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften, der Fachhochschule Vorarlberg und der Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG). Das Projekt IBH-Lab KMUdigital ABH 69 Data4KMU wird aus Mitteln des Interreg-Programms «Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein», dessen Mittel vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und vom Schweizer Bund zur Verfügung gestellt werden, gefördert.


Software & Hardware

schöpfungskette immer mehr in Richtung eines kollaborativen Ökosystems führen.

«Together, we move faster» Und genau in solchen Ökosystemen, in denen unterschiedliche Perspektiven und Expertisen zusammentreffen, entfaltet sich Raum für Fortschritt und Innovation. Davon ist auch die Swiss Alliance for Data-Intensive Services überzeugt. Die Alliance ist ein starkes Schweizer Technologie-Netzwerk für innovative Unternehmen, akademische Institute und Einzelpersonen mit Fokus auf datengetriebener Wertschöpfung. Ziel ist es, die Digitalisierung in der Schweiz nicht nur voranzutreiben, sondern die einzelnen Akteure dazu befähigen, ihre Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Genau zu diesem Zweck setzt die Swiss Alliance for Data-Intensive Services auf Innovationsprojekte wie Data4KMU, die praxisorientierte Lösungen für Unternehmen hervorbringen.

Innovation, Bildung und Inspiration Damit die Schweiz zu einer international anerkannten Drehscheibe für datengetriebene Wertschöpfung werden kann, fördert

die Swiss Alliance for Data-Intensive Services Dienstleistungen, Produkte und Geschäftsmodelle auf Basis digitaler Daten. Dabei stehen stets die drei Hauptbereiche Innovation, Bildung und Inspiration im Zentrum. Durch die Kreation eines inspirierenden Innovationsökosystems wird die Entwicklung von neuen datengetriebenen Geschäftsmodellen, Dienstleistungen und Produkten vorangetrieben. Industrie und Wissenschaft tauschen sich in der Alliance aktiv aus und können so Synergiepotenzial erkennen und nutzen – und bringen letztendlich die Schweizer Wirtschaft weiter.

Dr. Gundula Heinatz Bürki ist Geschäftsführerin der Swiss Alliance for Data-Intensive Services.

Dr. Jürg Meierhofer

Professor Dr. Christoph Heitz ist Präsident der Swiss Alliance for DataIntensive Services und Professor am Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP) an der ZHAW School of Engineering.

ist Projektleiter bei Data4KMU und Leiter der Expert Group «Smart Services». Zudem koordiniert er die ZHAW Plattform Industrie 4.0 beider ZHAW School of Engineering. www.kmu-digital.eu www.kmu-digital.eu/de/projekte/data4kmu data-service-alliance.ch

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Ausgabe 2/2019 // Seite 35


IT-Sicherheit

Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Strategie.

Unbewusst inkompetent Das falsche Vertrauen in eine ungenügende Sicherheit von Fridel Rickenbacher

Wer heute auf IT-Veranstaltungen sich umhört, bekommt nicht selten Aussagen aufgetischt, die sich widersprechen. Einerseits hat man aus seinem persönlichen Umfeld von Sicherheitsproblemen gehört und war schon selbst Angriffen ausgesetzt. Der Handlungsdruck wird bejaht. Andererseits hat das Agieren im eigenen Sicherheitsrahmen noch viel Luft nach oben. Das fängt schon bei den Passwörtern an.

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ieses Bild bestätigen auch Studien und Veranstaltungen von ICTDachverbänden An der 40. Delegiertenversammlung des IT-Dachverbands ICTSwitzerland in diesem Frühjahr in Luzern blieb viel Zeit für gute Inhalte aus der aktuellen Umfrage zum Thema Cyberrisiken, durchgeführt vom Sozialforschungsinstitut gfs-Zürich. Immerhin 15 Prozent der Befragten sagten, sie seien schon einmal Opfer eines Angriffs (zum Beispiel Virus, Malware, (Crypto-)Trojaner, Spam- oder PhishingMail) aus dem Internet geworden. Gefragt wurde nach Angriffen, die konkrete Folgen wie finanzielle Schäden, Aufwände für

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Schadensbereinigung oder emotionale Belastungen hatten. Trotzdem ist mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Befragten der Meinung, dass sie gut darüber informiert sei, wie man sich vor Angriffen aus dem Internet schützen kann. Und ganze 80 Prozent fühlen sich im Umgang mit dem Internet sicher. Dies, obwohl rund die Hälfte der Befragten einfache Regeln oder Fachbegriffe (geschweige denn Angriffsvektoren oder «Stand der Technik») der CyberSecurity nicht kennt oder nicht anwendet. So verwendet rund die Hälfte der Befragten das gleiche Passwort bei mehreren oder sogar allen Internet-Anwendungen oder Datenzugängen. Die Anwendung von optimierenden, einfachen Basis-Schutz-

möglichkeiten wie zum Beispiel Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA), KennwortStrategie, Rechte- und Zugangstrennungen in privatem und geschäftlichem Umfeld, Kennwortmanagerprogrammen, CyberSecurity-Sensibilisierung scheint noch zu wenig verbreitet und nicht im Fokus der Agenda der Dringlichkeiten zu sein.

Einigermassen erschreckend Das Gefühl der Mehrheit der Bevölkerung, gut informiert und vor Cyberrisiken geschützt zu sein, ist oft unbegründet. Die Schweizer Bevölkerung leidet in Sachen Cyberrisiken unter «unbewusster Inkompetenz» bei vermeintlich genügender Si-


IT-Sicherheit

cherheit. Die Ergebnisse sind einigermassen erschreckend, denn sie zeigen, dass grosse Teile der Bevölkerung ihre Kompetenz in Sachen CyberSecurity und Datenschutzthemen überschätzen. Teilweise basierend auf gefährlichem Halbwissen oder einem zu grossen Vertrauen in einen vermeintlich guten Basis-Schutz oder einen guten Verlauf bei einem entsprechenden Vorfall («wenn denn mal was überhaupt eintreffen würde»). Auch hier würde ein «UN-learning von gefährlichem Halbwissen bei gleichzeitiger Unkenntnis von «Stand der Technik» helfen können. Die digital durchwachsende Gesellschaft mit unseren Medien und beherrschendem Plattformkapitalismus mit Internet-Angeboten, Social Media, Apps, Streams und anderen Inhalten treibt uns alle zum Konsum und nicht immer einfachen Herausforderungen rund um unseren persönlichen Datenschutz. Das kann dazu führen, dass wir dadurch einen gewissen Anteil an Loyalität und Verbundenheit zu einem Produkt oder System bewusst verlieren und durch diese andere Art von Verbindlichkeit auch unser Vertrauen in Technologien beziehungsweise «Stand der Technik» (oder eben auch Datenschutz/ Datensicherheit) ändern oder sich suboptimal entwickeln. Mitunter scheint aus solchen Betrachtungen die Einstellung vieler Konsumenten und Kunden zu sein, dass vieles in der Cloud als mittlerweile gegeben und genügend sicher ist. Dies auch aufgrund der sich anders entwickelnden Art von vermeintlichem Vertrauen in die Technologie. Trotz der Sicherheit, die in den Clouds passend orchestrierbar und erweiterbar ist, gehören das Datacenter, die Infrastruktur, die Rechner und Servers, die Netzwerke und andere Hardwarekomponenten einem Anbieter, welcher letzten Endes die vertraglich zu definierende (meist regulierte) Hoheit hat.

Werte helfen Darum und trotz der entsprechenden Vertragsbestimmungen, Datenschutzerklärungen, allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Service Level Agreements (SLA), ICT Weisungen/ICT Security Policy braucht es nebst dem Vertrag auch ein gesundes und gegenseitig zu erarbeitendes Vertrauen in die entsprechenden Lösungsbetreiber und Plattformen.

Vertrauen zum Anbieter aufzubauen, ist ein wichtiger Baustein.

Dadurch können wichtige Werte der Loyalität, Vertrauen und Verbindlichkeit helfen, die vermeintliche Kompetenz beziehungsweise die unbewusste Inkompetenz des Konsumenten/Kunden mittels bewährter Partnerschaften, «Stand der Technik» und «best practices» zu verbessern. Erst nach Klärung und Verständnis dieser Parameter kann sich der Konsument/ Kunde in guter Sicherheit und guten Händen fühlen. Dadurch kann die Balance zwischen Freiheit und Loyalität, zwischen Alternativen und Verbindlichkeit, zwischen Abenteuer und Sicherheit zugunsten des Kunden neu definiert werden in gemeinsamer laufender Weiterentwicklung in der Zusammenarbeit und laufenden Nutzungs- und Kostenoptimierungen.

ICT Strategie, ICT Audit, ICT Compliance, ICT Contingency Planning, Risk Management, Versicherungswesen, DatenschutzRegulationen, «Stand der Technik» oder CyberSecurity-Sensibilisierung. Dadurch gelingt es zunehmend, nicht «nur immer im (vorgegebenen) System», sondern gemeinsam «am System» arbeiten zu können. In gewissen Teilaspekten könnte man es mit einer solchen ernsthaften Partnerschaft von unterschiedlichen Akteuren gar schaffen, sich «vom (vorgegebenen) System zu befreien» und sich mittels Innovationen weitergehende Vorteile und Diversifikationen im Markt und gar auch in CyberSecurity-Aspekten zu schaffen.

Vertrauen aufbauen Im Bereich des Datenschutzes und Datensicherheit beziehungsweise CyberSecurity im Allgemeinen kann dadurch das wichtige Basis-Vertrauen zum Anbieter erarbeitet und aufgebaut werden. Durch eine solche «relational leadership» können in einer Art von «Intelligenz von Beziehungen» auch weitergehende organisatorische oder technische Aspekte gemeinsam abgedeckt werden, bei zum Beispiel

Fridel Rickenbacher ist Senior Consultant / Auditor, cloud security division, eXecure AG www.execure.ch

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IT-Sicherheit

Die Fachmesse topsoft 2019 stellt die Digitalisierung in den Mittelpunkt.

topsoft Fachmesse 2019 Digitalisierung mit konkretem Mehrwert für Unternehmen von Cyrill Schmid

Über Digitalisierung sprechen viele. Nur wenige zeigen den konkreten Mehrwert. Die digitale Realität live erleben und in der Praxis gewinnbringend zur Anwendung bringen – das macht die topsoft IT-Fachmesse aus. Während zwei Tagen erwartet die Besucher in der Umwelt Arena Schweiz in Spreitenbach ein volles Programm. Themen-Cluster, Workshops, Referate, Lösungen und Technologien gehören ebenso dazu wie Networking und Expertengespräche. Digitalisierung und Business stehen im Mittelpunkt.

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chweizer Unternehmen sind an praxistauglichen Innovationen mit klarem Mehrwert interessiert. topsoft 2019, die Fachmesse für die digitale Zukunft, präsentiert nicht nur moderne Anwendungen, um einen Betrieb voranzubringen. Hier gewinnen Besucher im Gespräch mit Referenten und Ausstel-

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lern konkretes Wissen und nützliche Expertenkontakte. Ein Messebesuch, der das digitale Denken verändert.

Business Software als Erfolgsfaktor Zuerst das Business, dann die Technologie – unter diesem Motto zeigen natio-

nale und internationale Systemanbieter und Softwarehersteller, wie moderne ITAnwendungen Geschäftsprozesse optimal unterstützen. Digitalisierung sollte in der gesamten Wertschöpfungskette als künftiger Erfolgsfaktor eines Unternehmens genutzt werden. Als Marktplatz für die Bereiche ERP, CRM, DMS, Business


IT-Sicherheit

Intelligence und viele mehr bietet die topsoft 2019 die ideale Gelegenheit, um sich ein umfassendes Bild über die zahlreichen Möglichkeiten zu machen.

Showcases als Schlüssel zur Zukunft Eine digitalisierte Modellfabrik live erleben? Smarte Lebensmittel zum Anfassen? Pay-per-View-Anwendungen im öffentlichen Verkehr? Hologramme und Augmented Reality im Einsatz? Diese und weitere Showcases liefern realen Anschauungsunterricht und Inspirationen für Anwendungen in Unternehmen. Vor Ort kann gemeinsam mit Fachleuten der digitalen Kreativität freien Lauf gelassen werden. Die topsoft bietet den Schlüssel zur Zukunft.

Hier trifft sich die digitale Schweiz Die richtigen Leute zu kennen, ist auch in Zeiten der Digitalisierung wertvoll. Auf der topsoft knüpfen Besucher Kontakte und vernetzen sich mit interessanten Menschen aus Wirtschaft, Forschung und Organisationen. Vertreten sind unter anderem die Plattform der Schweizer Frauenorganisationen SWONET sowie der Wirtschaftsverband für die digitale Schweiz SWICO. In der Startup-Zone gilt es spannende Startups zu entdecken. Als Treffpunkt rund um das digitale Business lädt die Schweizer IT-Fachmesse topsoft auch dieses Jahr wieder ein zu Networking und Erfahrungsaustausch.

Willkommen im E-Business der Zukunft Im Mittelpunkt dieses Themenschwerpunktes stehen zukunftsorientierte Systeme in den Bereichen Online-Marketing, Social Media, Suchmaschinenoptimierung, Newsletter und E-Mail-Marketing, E-Commerce, Mobile Business, Collaboration und vieles mehr. Spezialisierte Anbieter und Fachleute zeigen nicht nur die Anwendung und verschiedene Praxisbeispiele, sondern geben auch hilfreiche Tipps für Konzepte, Umsetzung und Optimierung.

Themen-Cluster für das ganze Unternehmen Nebst der Startup-Zone und dem Fokusbereich E-Business können sich die Messebesucher auf der topsoft in weiteren Themen-Clustern spezifische Informationen holen:

>>Data Analytics Cluster: Big Data,

>>«Künstliche Intelligenz = lebens-

Analytics, Data Discovery, Natural Language Processing oder Machine Learning, KI. >>CRM Cluster: Targeting, Kampagnenmanagement, Sales, Events, Projekte, Kundenservice und Auswertungen. >>ECM/DMS Cluster: DokumentenWorkflows, Freigabeprozesse, Archivierung und Wissensmanagement. >>Software Development: Individualsoftware, Outsourcing, Near-/Offshoring, Tools und Methoden. >>IT-Infrastruktur Cluster: Mobile Devices, Data Storage, Cloud Services, Peripherie oder Software. >>Information Security Cluster: Datenschutz/-sicherheit, CyberGefahren, Social Engineering und Bot-Netze. >>PIM/MAM Cluster: ProduktdatenManagement, Media Asset Management, E-Kataloge und Klassifikationssysteme.

werte Arbeit?» von Dirk Apel, Informatiker und Digitalisierungspezialist, Batix Schweiz AG. >>«AI for Marketing – Was machen Chatbots hier?» von Sophie Hundertmark, Gründerin aiZuerich, Chatbot-Expertin, Paixon GmbH. >>«Die Digitale Transformation im Service» von Thomas Hellerich, CEO und Experte für Digitale Helpdesk-Services, Samhammer AG. >>«Excel und KI – KraftfahrzeugDaten intelligent gemacht» von Andreas Schulz, Dipl. Ing. Maschinenbau und Blogger im Bereich Industrie 4.0 und KI, ingenieurversteher.de. >>«Digitale Ethik – Traum oder Alptraum für Unternehmen?» von Cornelia Diethelm, Master in Digital Business, Gründerin Thinktank für Digitale Ethik, Centre for Digital Responsibility. >>«Software für Ihr KMU. Kosten, Nutzen und Vorgehen» von Marcel Siegenthaler, Dozent FHNW und Partner topsoft, schmid + siegenthaler consulting gmbh.

Wissen tanken für die KMU-Praxis Kaum eine andere Veranstaltung bietet eine derartige Wissensfülle in Form von Referaten, Workshops und Expertengesprächen zum Thema Digitalisierung wie die topsoft Fachmesse. Die Inhalte reichen von konkreten Anwendungsmöglichkeiten im gesamten Unternehmen über aktuelle Themen der Digitalisierung bis hin zu praktischen Handlungsempfehlungen. Die Zukunft der Arbeit wird dabei genauso behandelt wie neueste Erkenntnisse über Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Datenschutz, Digitale Ethik und vieles mehr.

«meet-the-experts»-Referate Die topsoft 2019 bietet eine Fülle an hochstehenden Fachreferaten zu aktuellen Themen rund um Business und Digitalisierung. Nach jedem Vortrag stehen die Experten für vertiefende Informationen und persönliche Gespräche in der «meet-the-experts»-Zone zur Verfügung. Insgesamt stehen 24 Referate auf dem Programm, unter anderem mit folgenden Highlights: >>«Wie die Blockchain das Marketing auf den Kopf stellen wird» von Jörg Eugster, Zukunftsforscher und Bestsellerautor, NetBusiness Consulting AG.

Messetermin 28./29. August 2019 Öffnungszeiten Mittwoch, 10 bis 18 Uhr Donnerstag, 9 bis 16 Uhr Ort. Umwelt Arena Schweiz Türliackerstrasse 4 CH-8957 Spreitenbach www.umweltarena.ch

Cyrill Schmid ist Managing Partner bei schmid + siegenthaler consulting gmbh und Messeleiter der topsoft Fachmesse 2019. www.topsoft.ch

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IT-Sicherheit

Zeitgemässes Dokumentenmanagement DMS in der Cloud Interview mit Helmut Sproll von Lone Halvorsen

Dokumentenmanagement ist keine neue Erfindung, aber wenn Unternehmen nachhaltig effizienter werden wollen, steht das Thema seit Jahren an vorderster Stelle. Im Bereich der Buchhaltung und Geschäftsressourcenplanung gibt es kaum ein Unternehmen, das nicht schon auf entsprechend spezialisierte Lösungen setzt. Im Bereich der Dokumentenablage und Verwaltung hingegen setzen nach wie vor viele Unternehmen auf die chaotische Ablage auf dem altbekannten Fileserver.

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as Thema Dokumentenmanagement wurde nicht «erfunden» um den Benutzern das Leben schwer zu machen, sondern ganz im Gegenteil. Das Ziel war auch nicht die Realisierung (des alten Traums) von einem papierlosen Büro, sondern vielmehr alle Arten von Dokumenten in einer Lösung zu speichern um den Benutzern umfassende Zugriffsund Suchmöglichkeiten zu bieten. Jedem Unternehmen stellt sich somit nicht die Frage ob, sondern wann das Thema Dokumentenmanagement aktuell wird. Insbesondere für KMU ist die einhergehende technische aber auch organisatorische Herausforderung teils schwer zu stemmen. Schaut man sich die Lösungen der verschiedenen Anbieter an, ist es schwer Vorteile und Nachteile der einzelnen Angebote zu erkennen. Die Einführung eines DMS ist eine langfristige Investition. Neben der Wahl der richtigen Lösung und des richtigen Partners, betrifft einer der wichtigsten Aspekte die darin gespeicherten Daten und Dokumente. In Europa gibt es für viele Unternehmen eine Reihe von Ländern, in welchen diese ihre Daten und Dokumente nicht gespeichert sehen wollen. Es gibt aber auch durchaus Länder, die hierfür sehr gut geeignet sind. Einer der wichtigsten Vertreter dafür ist die Schweiz. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig und richtig zu fragen, wo sind meine Daten und Dokumente gespeichert? Ein zweiter wichtiger Aspekt ist der Export der gespeicherten Dokumente inklusive aller Versionen, Metadaten, verbleibender Aufbewahrungszeit und Zugriffsrechte. Wenn der manuelle Weg die einzige Möglichkeit

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Das digitale Zeitalter ist jetzt.

darstellt, die genannten InformationsElemente aus einer Cloud-Lösung zu exportieren, ist das definitiv sub-optimal. Auch bei kleinen Unternehmen hat man schnell mehrere 10’000 Dokumente und ein manueller Export dieser Dokumente ist daher illusorisch. Zu achten ist also auf Schnittstellen wie zum Beispiel «CMIS» – einem bei namhaften Anbietern weit verbreiteten Standard.

Welche Wettbewerbsvorteile kann ein KMU durch ein zeitgemässes Informations- und Dokumentenmanagement erlangen? Im Bereich der Dokumente besteht bei vielen Unternehmen ein gewisses historisch gewachsenes Chaos. Jeder entwickelt seine eigene Logik für Benennung und Ablage von Dokumenten. Was für den einen Mitarbeiter logisch ist, muss nicht

Rundum sorglos mit einem Dokumentenmanagement-System.


IT-Sicherheit

«Für KMU ist ein DokumentenmanagementSystem eine Herausforderung.» zwingend auch für alle anderen Mitarbeiter logisch sein. Es gibt Untersuchungen nach denen ein und dasselbe Dokument durchaus sieben (oder gar mehr) mal im Unternehmen existiert. Diese Flut von Versionen, diverse Ablageorte und fehlende Möglichkeiten für ein zielgerichtetes Suchen führen dazu, dass Mitarbeitende viel Zeit für Unnötiges aufwenden, statt diese in Kundenbeziehung, Produktentwicklung und andere relevante Themen zu investieren.

Welche zentralen Features beinhaltet ein sicheres Dokumentenmanagement? Abbildung von Dossiers, Abbildung von Dokumentenklassen inklusive unterschiedlicher Metadaten, Berechtigungskonzepte, Aufbewahrungszeiten und Prozesse. Abgelegte Inhalte sind ebenso verschlüsselt wie die Kommunikation zwischen Benutzer und System. Gerade im KMU-Bereich ist es wichtig zu wissen, wo die Daten sind. On Premise, hosted oder in der Cloud – Welche Lösungen für welches Unternehmen? Alle drei Varianten haben ihre Vorteile. Gerade für KMU ist die Einführung eines Dokumentenmanagement-Systems eine grosse Herausforderung. Neben den finanziellen und technischen Aspekten gilt es vor allem organisatorische Hürden zu nehmen. Bei den beiden erst genannten kann eine Cloud oder eine beim Kunden vor Ort gehostete Lösung Vorteile bringen. Die organisatorischen Herausforderungen sind in allen drei Varianten die gleichen und nicht zu unterschätzen.

Um mit der digitalen Transformation Schritt zu halten, sollten Dokumente überall verfügbar sein. Zieht eine zweite IT-Landschaft nicht gewisse Risiken mit sich? Ja und Nein. Ziel muss sein, alle Dokumente in einem System abzulegen. Ist das der Fall, ist es für die Mitarbeiter einfach. Herausfordernd ist es, wenn Dokumente in unterschiedlichen internen oder externen Systemen liegen. Wer entscheidet dann, was wo zu liegen hat? Wie weiss der Mitarbeiter, was er wo zu suchen hat?

Helmut Sproll ist Managing Partner von CROSS-WORKS. www.cross-works.net

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IT-Sicherheit

Multi-Cloud-Netzwerke absichern optimale Sicherheit für in der Cloud ausgeführte Anwendungen von Franz Kaiser

Cloud-basierte Rechen- und Serviceplattformen versetzen Unternehmen in die Lage, sich an die neue digitale Wirtschaft anzupassen. Die Cloud ermöglicht es ihnen, schnell Ressourcen zu bündeln, neue Anwendungen zu implementieren und in Echtzeit auf die Anforderungen von Nutzern und Verbrauchern zu reagieren. So können sie auf dem heutigen digitalen Markt effektiv agieren und konkurrenzfähig bleiben. Doch dabei müssen sie die Security im Blick behalten.

Die Cyber-Kriminellen wissen um die komplexe Natur von Multi-Cloud-Umgebungen.

I

nnerhalb von nur wenigen Jahren haben über 80 Prozent der Unternehmen zwei oder mehr Anbieter von PublicCloud-Infrastrukturen in Anspruch genommen. Fast zwei Drittel nutzen drei oder mehr. Gleichzeitig werden kritische Daten über unterschiedlichste Cloud-basierte Anwendungen und Dienste verbreitet und verarbeitet. Doch der Performance darf dabei nicht die Security zum Opfer fallen. Es kann praktisch unmöglich werden, eine dynamische, hoch elastische Multi-Cloud-Umgebung mit herkömmlichen Sicherheitslösungen und -strategien angemessen zu sichern. Stattdessen brauchen digitale Umgebungen von heute ein integriertes, fabric-basiertes Security-Konzept, das das «Unmögliche möglich» macht. Das Unternehmen Fortinet hat fünf Aspekte auf den Punkt gebracht, die Unternehmen helfen sollen, eine effektive MultiCloud-Security-Strategie zu entwickeln.

Einheitlichkeit Lassen sich Geräte nur isoliert verwalten, führt dies zu einer lückenhaften Security. Abwehrmassnahmen können dann weder koordiniert erfolgen, noch Sicherheitsrichtlinien oder -protokolle konse-

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quent durchgesetzt werden. Unternehmen müssen nicht nur Sicherheitslösungen bereitstellen, die über Cloud-Ökosysteme hinweg konsistent funktionieren. Sie müssen auch in der Lage sein, die Automatisierung in Vorlagen zu integrieren, damit die Sicherheit konsistent bleibt und gleichzeitig in der Umgebung jedes Cloud-Anbieters angewendet werden kann. CISOs müssen daher für eine Automatisierung der gesamten IT-Infrastruktur sorgen, damit sich die Sicherheit dynamisch an die Workloads und Informationen innerhalb und zwischen verschiedenen Cloud-Umgebungen anpassen kann.

Schnelligkeit Der Einsatz von IoT-Geräten führt zu einem exponentiellen Anstieg des zu schützenden Datenvolumens. Softwareas-a-Service-(SaaS)-Anwendungen arbeiten mit höheren Durchsätzen. Erschwerend kommt hinzu, dass über die Hälfte dieses Traffics mittlerweile verschlüsselt ist. Die SSL-Inspektion erfordert in diesem Umfang eine hohe Rechenleistung, was jedoch viele Sicherheitsgeräte in die Knie zwingt. Da gleichwohl der Erfolg in einer solchen Umgebung in Mikrosekunden gemessen wird, können

sich Unternehmen keine Security leisten, die das Netzwerk ausbremst. Das richtige Sicherheitsframework stellt eine SSL-Inspektion in hoher Geschwindigkeit zur Verfügung.

Transparenz und Skalierbarkeit Die Stärke einer Cloud-basierten Unternehmensumgebung liegt in ihrer Skalierbarkeit und Elastizität. Das führt allerdings häufig zu einem unvorhersehbaren Datenfluss, was für viele Security-Lösungen problematisch ist. Multi-Cloud-Security muss daher integriert funktionieren, um effektiv zu sein. Die Integration von Sicherheitstools ermöglicht eine plattformübergreifende Transparenz und konsistente Security. Die Cloud-Sicherheitsarchitektur muss ausserdem dynamisch, flexibel und in der Lage sein, sich mit Cloud-Workloads und Anwendungen bei deren Erweiterung zu bewegen.

Automatisierung Cyber-Kriminelle wissen um die komplexe Natur von Multi-Cloud-Umgebungen und nutzen Sicherheitslücken zwischen verschiedenen Netzwerk-Segmenten und -Umgebungen aus. Indem Unternehmen Bedrohungs-Feeds nutzen und die


IT-Sicherheit

nativen Sicherheitsfunktionen aller Clouds in das Multi-Cloud-Sicherheitsframework integrieren, können sie ihre CloudSecurity multiplizieren. Sobald Sicherheitsvorgänge automatisiert sind, kann beispielsweise eine automatische Koordination der Bedrohungsreaktion erfolgen. Dazu gehören die Isolierung infizierter Geräte, die Identifizierung und Abschaltung von Malware und die Ausweitung des Schutzes auf die gesamte Multi-Cloud-Umgebung.

Bedrohungsaustausch Security-Technologien müssen zudem gesammelte Bedrohungsdaten – sogenannte Threat Intelligence – automatisch austauschen können. Unternehmen, Security Operation Center (SOCs) und Managed Security Service Provider (MSSPs) profitieren hier gleichermassen von integrierten SIEM-Technologien (Security, Information and Event Management). Diese verbessern die Erkennung raffinierter Bedrohungen, erleichtern die Priorisierung und ermöglichen die Automatisierung einer gemeinsamen Reaktion.

Schutz aller Daten Die digitale Transformation verlangt nach dem Umstieg auf Multi-Cloud-Netzwerke und erfordert eine entsprechende Transformation der Security. Unternehmen müssen jetzt mit der Implementierung eines Fabricbasierten Security Frameworks beginnen. Nur so lassen sich Daten, Workflows und Ressourcen schützen und zugleich die Herausforderungen an Performance, Skalierbarkeit und Komplexität einer sich ständig weiterentwickelnden Multi-Cloud-Umgebung erfolgreich meistern.

Franz Kaiser ist seit 2004 Country Manager Switzerland für den Sicherheitsspezialisten Fortinet. www.fortinet.com

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kolumne

Meine Stimme, mein Geheimnis? von Cornelia Diethelm

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nternehmen wie Postfinance und bis vor Kurzem auch bei Swisscom identifizieren ihre Kundinnen und Kunden anhand der Stimme. Dadurch entfallen lästige Sicherheitsfragen, was wertvolle Zeit einspart. Ist uns das bewusst? Unsere Stimme besteht aus über 200’000 individuellen Merkmalen. Sie ist so einzigartig wie unser Fingerabdruck oder unsere Gesichtsmerkmale. Dabei ist der Klang der Stimme nur ein Teil des Stimmabdrucks. Auch die individuelle Art und Weise, wie eine Person spricht, wird analysiert. Gibt es erste Anzeichen von Demenz? Leidet jemand unter einer Depression? Oder besteht sogar die Gefahr, dass sich eine Person das Leben nehmen will? Auch solche hoch sensiblen Informationen lassen sich aus der Stimme herauslesen. Dank Künstlicher Intelligenz sind dafür nur wenige Sekunden nötig. Die Gefahr ist gross, dass wir unser Einverständnis für einen Stimmabdruck bereits gegeben haben, ohne dass uns dies bewusst ist. Denn beliebt bei Schweizer Unternehmen ist die Opt-out-Strategie: Wir werden darüber informiert, dass ein Stimmabdruck angefertigt wird. Und wenn wir uns nicht explizit dagegen wehren, wird von unserem Einverständnis ausgegangen. Für Unternehmen hat dies den Vorteil, dass nur wenige Personen dagegen sind. Für uns Kundinnen und Kunden besteht allerdings die Gefahr, dass wir uns zu wenig bewusst sind, um was es geht. Wenn wir beim Kundendienst das erste Mal anrufen, heisst es in der Ansage, dass das Gespräch zu Schulungs- und Wiedererkennungszwecken aufgezeichnet wird, und dass daraus ein Stimmabdruck erstellt wird. Schulungszwecke? Tönt doch sympathisch! Und weil wir uns an solche Ansagen beim Warten am Telefon gewöhnt haben, fragen wir uns nicht, was mit «Wieder-

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erkennungszweck» und «Stimmabdruck» konkret gemeint ist. Mir war es bis vor Kurzem nicht bewusst, und Ihnen? Bereits heute werden wir bei der Ansage zwar darauf hingewiesen, dass wir es der Agentin am Telefon mitteilen können, wenn wir keinen Stimmabdruck wünschen. Doch nur wer verstanden hat, um was es geht, wird diese Option nutzen. Gleiches gilt für die Möglichkeit, den Stimmabdruck jederzeit online deaktivieren zu können. Was ich nicht weiss, kann ich auch nicht korrigieren. Hinzu kommt, dass es sich beim Stimmabdruck um biometrische Merkmale handelt. Deshalb hält der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte (EDÖB) einen Stimmabdruck nur unter zwei Bedingungen für zulässig: Die betroffene Person muss transparent und umfassend informiert werden. Und sie muss der Verwendung ihres Stimmabdruckes explizit zustimmen, so wie es in der EU bereits Pflicht ist (Opt-inStrategie). In der Schweiz ist dies nicht nötig, was sich bald ändern könnte. Gerade weil wir tagtäglich eine Unmenge an Informationen verarbeiten müssen, bin ich überzeugt, dass eine Opt-in-Strategie zur gelebten Kundenorientierung und damit zum ethischen Handeln eines Unternehmens gehört. Gleichzeitig stärkt die explizite Zustimmung die Digitalkompetenz des Einzelnen, indem wir uns bewusst mit dem Nutzen und den Folgen digitaler Innovationen auseinandersetzen müssen. Das lässt sich nicht mehr an andere delegieren.

Cornelia Diethelm ist Gründerin des Centre for Digital Responsibility (CDR), einem Think Tank für Digitale Ethik. www.digitalresponsibility.ch


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IT-Sicherheit

Die Betrugsversuche von Hackern werden immer raffinierter.

Der Teufel liegt im Detail Der Phishing-Falle entgehen von Andreas Wisler

«Bitte Kontodaten eingeben.» So kennen wir Phishing-E-Mails schon seit einiger Zeit. Die Faktoren schlechte Rechtschreibung, verdächtige Absender und unpersönliche Anreden sind mittlerweile bekannt und überzeugen fast niemanden mehr. Jedoch ist auch bekannt, dass die Gauner des Internets uns meist einen Schritt voraus sind. Nicht nur beim Erschaffen von Viren, welche nicht erkannt werden, sondern auch von immer professionelleren Phishing-E-Mails. Plötzlich enthält ein E-Mail eine persönliche Anrede, korrektes Deutsch oder die persönliche Wohnadresse. Doch woher kommen all diese persönlichen Informationen?

D

as Zauberwort lautet «Data Breaches». Beinahe monatlich wird über ein Unternehmen berichtet, dessen Daten gestohlen wurden. Diese Daten können bequem im Online-Shop des Darknets gekauft und daraus ein sehr persönliches Phishing-E-Mail erstellt werden. Doch wie kann nun eine solche Nachricht zweifelsfrei erkannt werden? Eine allgemeine Regel gibt es nicht (mehr). Jedoch helfen immer noch einige Anhaltspunkte.

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Der Absender Wenn vom Chef eine E-Mail kommt, muss schnell reagiert werden. Genau dies macht sich ein Angreifer zunutze. Die Autorität des Vorgesetzten kombiniert mit einem E-Mail, aus welchem Zeitdruck hervorgeht, ist die perfekte Falle. Vermutlich ist dies jedem schon mal passiert, dass er in diesem Fall zu schnell gedrückt hat. Durch eine saubere Vorbereitung weiss der Hacker genau, wie die Hierarchie in der Firma aussieht. Das Organigramm auf

der Firmen-Homepage oder die Einträge auf Xing / LinkedIn helfen dabei ungemein. Genaues Hinschauen bei der Absenderadresse ist notwendig. Nur ein Buchstabe ausgewechselt und schon ist der Absender ein vollkommen anderer. Auf Smartphones ist es noch schwieriger, den Unterschied zu erkennen. Dort wird auf den ersten Blick nur angezeigt, was der Angreifer sehen lassen will: Name und Betreff. Erst ein Klick auf «View Details» zeigt, um welche Adresse es sich wirklich handelt.


IT-Sicherheit

Der Inhalt Der Inhalt bietet ebenfalls ein wichtiges Indiz. Wenn der interne Ablauf für eine Zahlung klar geregelt ist und plötzlich der Chef via E-Mail verlangt, eine grosse Summe zu überweisen, ist das verdächtig. Es gilt, auf Formulierungen, Schreibstil oder Grussworte zu achten. Wenn zum Beispiel der Lieferant immer mit «Gruss Max» das E-Mail beendet und nun steht «Freundliche Grüsse Max». Das sind Details, welche von jemandem, der noch nie E-Mails von dieser Person erhalten hat, nicht erkannt werden. Aber wenn einem die andere Person bekannt ist, wird man stutzig. Und auf dieses Gefühl sollte gehört werden. Es bewahrt einem möglicherweise vor grossem Schaden.

Die Formatierung Auch die Schriftart ist ein Detail, die eine Person oder ein Geschäft ausmacht. Es gibt wenig Gründe, weshalb sich die Schriftart verändert. Sieht das E-Mail plötzlich anders aus, ist wieder Vorsicht geboten.

Technische Fallen Aber was, wenn alle oben erwähnten Tests positiv, im Sinne der Gültigkeit, ausfallen und im empfangenen E-Mail ein Link oder eine Datei vorhanden ist? Dazu gibt es einige Tricks, die auf technischer und sozialer Ebene angewendet werden können. Anhänge sind immer ein sehr schwieriges Thema. Am sichersten wäre es, wenn gar keine Dateien via E-Mails geöffnet werden. Denn mittlerweile wurde schon in vielen Arten von Dateien Viren oder Trojanische Pferde (ein in einer anderen Datei versteckter Schädling) entdeckt. Aber das ist im Geschäftlichen wie im Privaten keine akzeptable Lösung. Die Einschränkung ist zu gross. Somit muss von Dateityp zu Dateityp unterschieden werden. Als relativ sicher gilt immer noch ein PDF. Der PDFReader muss jedoch aktuell sein. Besser noch, ein «dummes» PDF-Programm verwenden, das PDFs anzeigt, aber keinen Code ausführt. Aber auch in einfachen Bildern ist es möglich, Malware zu verstecken. Hier gilt ebenfalls: Bild anzeigen ja, Code ausführen nein. Ganz klare Tabus sind Office-Dateien mit Makros, welche mit den Endungen .xlsm, .xltm oder .docm erkannt werden können. Die grösste Sicherheit bietet eine sichere Web-Datenablage. Diese kann bei Projekten mit internen oder externen Partnern gebraucht werden. Damit kann auf den Austausch von Daten via E-Mail verzichtet werden.

Um persönliche Daten zu schützen, gilt es, im Internet achtsam zu sein.

Links in E-Mails werden häufig sehr kritisch betrachtet. In vielen Fällen werden solche E-Mails sofort gelöscht. Dies ist aber gar nicht nötig. Das Zauberwort hier heisst «Mouse-Over». Einfach mit der Maus über den Link fahren und wenige Augenblicke warten, schon erscheint ein Popup-Fenster, in welchem die wirkliche Ziel-Adresse angezeigt wird. In den meisten Anwendungen ist diese Funktion enthalten. Falls das nicht der Fall ist, gibt es immer noch die Möglichkeit, einen Rechtsklick auf den Link auszuführen und dann die LinkAdresse zu kopieren. Auch hier ist uns die dunkle Seite des Netzes aber wieder einen Schritt voraus. In äusserst seltenen Fällen verwenden Hacker andere Alphabete mit denselben Buchstaben. Somit sieht der Link im Popup-Fenster richtig aus, jedoch werden andere Zielserver angesprochen. Deshalb ist es am sichersten, wenn der Link manuell in der Browser-Adresszeile eingegeben wird.

sein muss, sollte ein neues erstellt und die E-Mail-Adresse des Empfängers manuell eingetragen werden.

Merkpunkte: >> Lieber einmal zu viel nachfragen. Wer schon einmal eine Verschlüsslungs-Malware (Ransomware) auf dem Computer hatte, weiss, wie zeitintensiv es ist, diese wieder zu entfernen. >> E-Mail-Adressen oder Links von Hand eingeben. Beim Kopieren werden alle Teile mitgenommen, welche eventuell nicht gewünscht sind. >> Auf Details achten. Immer die komplette E-Mail-Adresse lesen. >> Bei Verdacht auf das Bauchgefühl hören.

Der soziale Aspekt Eine persönliche Rückfrage ist immer noch die beste Methode, um die Echtheit einer E-Mail zu prüfen. Aber auch hier gibt es «do’s and dont’s». Niemals darf für die Überprüfung auf die E-Mail geantwortet werden. Denn wenn der Angreifer alles richtig gemacht hat, bekommt er diese Antwort und teilt dem Opfer mit, dass alles in Ordnung ist. Am besten wird zum Telefon gegriffen. Falls es doch ein E-Mail

Andreas Wisler ist Inhaber und Senior Security Auditor bei der goSecurity GmbH. www.gosecurity.ch

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itRUNDSCHAU

Beim Thema Leadership ID gilt es äussere und innere Aspekte zusammen zu bringen.

potenziale nutzen Leadership-ID von Joachim Simon

Führungskräfte müssen, um in dem immer komplexer werdenden Umfeld ihrer Unternehmen erfolgreich zu agieren, zunehmend wissen: wofür stehe ich und wofür nicht? Sie benötigen eine sogenannte Leadership-ID, die ihnen als Kompass für ihr Handeln im Führungsalltag dient.

V

iele Führungskräfte haben ein Bild von der idealen Führungskraft verinnerlicht und diesem versuchen sie zu entsprechen. Das ist löblich, doch die Philosophie funktioniert meist nicht. Denn Führungskräfte sind am mächtigsten beziehungsweise wirkungsvollsten, wenn sie die «besten» Aspekte von dem, was sie als Person ausmacht, also ihrer Identität, als Grundlage für ihr Selbstverständnis als Führungskraft und ihren Führungsstil nutzen.

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Die Frage nach den Führungsidealen Eine Leadership-ID beschreibt die ganz individuelle Kombination von Erfahrungen, Qualitäten und Talenten, >>die den Verantwortlichen als Mensch und Führungskraft einzigartig und unverwechselbar machen, und >>auf diese Eigenschaften dann einfach und natürlich zurückgreifen zu können, um Führungspotenzial entfalten zu können.

Es geht also darum, zu erkennen, wer man wirklich ist, statt (Führungs-)Idealen nachzueifern, die nicht passen. Denn nur wer ein Gespür für sich als Führungskraft hat und weiss, was seine ganz persönliche Definition von Führung ist, kann langfristig als Führungskraft erfolgreich sein. Die Entwicklung und Karriere als Führungskraft sollte eine Manifestation der Leadership-ID sein. Denn nur wenn


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>>das, was die Verantwortlichen tun, und >>das (Entwicklungs-)Ziel, welches die Person hierbei hat, mit der ID übereinstimmen, ist man in der richtigen Rolle und verfolgt die richtige Vision. Ist dies nicht der Fall, sollte man darüber nachdenken, wie die spezifische Rolle und das Umfeld so verändert werden kann, dass diese stärker im Einklang mit der Leadership-ID steht.

Mehr Selbst-Bewusstsein Die Leadership-ID entsteht nicht von selbst. Es gilt diese selbst zu entwickeln, indem der Verantwortliche >>sein Leben und seine Erfahrungen reflektiert und >>die Werte, Stärken, Fähigkeiten, Leidenschaften identifiziert, die bislang die grössten und / oder schönsten Erfolge ermöglicht haben. Dabei gilt es elf Aspekte zu bedenken, die sich in innere und äussere Aspekte unterteilen lassen.

Die sieben inneren Aspekte 1. Die eigene Biografie: «Woher komme ich?» Jede Führungskraft hat ihre eigene Geschichte, die sie zu der Persönlichkeit macht, die sie ist. Erfahrungen aus der Kindheit und im Elternhaus, kulturelle Prägungen, persönliche Rückschläge, Enttäuschungen und Erfolge, das soziale Umfeld und berufliche Erfahrungen –

all diese Erfahrungen prägen die Vorstellungen davon, was eine «gute» Führungskraft ist und wie sie sich verhält. Diese Prägungen sind ein zentraler Hebel. 2. Motive: «Was treibt mich an?» Unsere Motive geben uns Auskunft darüber, warum wir tun, was wir tun. Haben wir zum Beispiel den Wunsch, Dinge zu gestalten? Suchen wir den Nervenkitzel? Streben wir nach Anerkennung? Jeder Mensch hat sein eigenes Set an Lebensmotiven. Wenn man weiss, was einen antreibt, weiss man auch, wie die Führungsrolle gestaltet sein sollte, um langfristig zufrieden und erfolgreich zu sein. 3. Werte: «Wofür stehe ich?» Werte sind der innere Kompass, der uns anzeigt, ob etwas richtig oder falsch ist. Ein Motiv ohne Werte auszuleben, ist zumindest zweifelhaft, denn: angenommen eine Führungskraft strebt nach Macht, um Dinge gestalten zu können. Wenn dieses Motiv nicht mit einem Wert wie Fairness gekoppelt ist, kann es zu einem egozentrierten, autoritären Verhalten führen. Ist es hingegen auf einen positiven Wert gerichtet, setzt die Führungskraft ihre Gestaltungsmacht zum Wohl der Mitarbeiter und der Organisation ein. Es gilt sich seiner Werte bewusst zu machen, denn jede Führungskraft braucht ein klares Wertesystem, um

Bei richtigem strategischem Vorgehen entwickelt sich ein klareres Bild, was die Qualität einer Führungskraft ausmacht.

auch in komplexen und ambivalenten Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. 4. Mission: «Wofür trete ich an?» Jeder Mensch hat den inneren Wunsch, etwas Sinnvolles in seinem Leben zu tun. Und wenn er weiss, was gemäss seinem Wertesystem für ihn sinnvoll ist, hat er seine Mission gefunden. Eine Führungskraft in der Produktion kann zum Beispiel die Mission haben, mit ihren Mitarbeitern Qualität zu produzieren; ein Personal- und Organisationsentwickler die Mission, dass die Mitarbeiter des Unternehmens sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren können. Jede und jeder muss sich die Fragen stellen: was ist meine Mission? Was verleiht meiner Arbeit Sinn? 5. Wirkung: «Woran will ich erkannt werden?» Die Leadership-ID einer Führungskraft schlägt sich in deren konkretem Verhalten nieder; das heisst die Werte, Motive und Mission einer Führungskraft sollten sich für Aussenstehende – also zum Beispiel die Mitarbeiter – erkennbar in ihrem Verhalten zeigen. Welche Verhaltensmuster, -weisen sind für Verantwortliche typisch – zum Beispiel beim Führen von Mitarbeitern, beim Kommunizieren mit ihnen? Was sollen Mitarbeiter, Kollegen, Chefs, Kunden, Lieferanten, wenn sie über die Person reden, sagen? 6. Ressourcen: «Was sind meine Kraftquellen?» Um die eigene Leadership-ID aufrecht zu erhalten und auch in schwierigen Zeiten die nötige Energie zu haben, brauchen wir Kraftquellen. Das können der Sport, Hobbys, die Familie, Freunde, das Meditieren, die Religion und vieles mehr sein. Es gilt sich die Frage zu stellen, wo die Kraftquellen liegen, die helfen, die Batterien wieder aufzuladen. Denn diese sind unabdingbar für ihren langfristigen Erfolg als Führungskraft. 7. Legitimation: «Warum bin ich hier der / die Richtige?» Eine Führungskraft muss an die eigene Wirksamkeit glauben und davon überzeugt sein, an ihrem Ort beziehungsweise in ihrer Funktion einen Unterschied machen zu können. Dabei geht es nicht darum, Allmachtsphantasien zu hegen, sondern das für den Erfolg nötige Selbstbewusstsein und -vertrauen zu 

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Über die unterschiedlichen Rollen der Führungsqualitäten ein klareres Bild bekommen.

anderem, weil man seine individuellen Stärken, aber auch Grenzen kennt. Es gilt Antwort auf folgende Frage zu finden: warum bin ich hier – in diesem Unternehmen, in dieser Branche / Funktion – der  / die Richtige?

Die vier äusseren Aspekte Eine Führungskraft ist stets in einen Kontext und in ein Netzwerk von Beziehungen eingebunden. Zudem hat sie eine Aufgabe beziehungsweise Funktion in ihrer Organisation, aus der sich wiederum Anforderungen und Herausforderungen ergeben. 8. Stakeholder: «Mit wem stehe ich in Beziehung?» Eine Führungskraft ist immer auch ein Manager zahlreicher, mehr oder minder stark ausgeprägter Abhängigkeitsbeziehungen – zum Beispiel mit Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, eigenen Vorgesetzten. Aber auch der Lebenspartner ist ein Stakeholder, der das Fühlen, Denken und Handeln einer Führungskraft massgeblich beeinflusst. 9. Erwartungen: «Was sind die Bedürfnisse meiner Stakeholder?» Jeder Stakeholder hat Interessen und Bedürfnisse sowie bewusste oder unbewusste Erwartungen an den Verantwortlichen als Mensch und /

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oder Führungskraft. Es gilt diese Erwartungen zu erfassen und / oder zu erfragen Die Frage nach dem Umgang mit den vielfältigen Erwartungen steht im Raum. 10. Probleme: «Für welche Herausforderungen liefere ich eine Lösung?» Eine Führungskraft kann nicht alle Erwartungen erfüllen, die ihre Stakeholder an sie haben – zumal sich aus ihnen oft Ziel- und Interessenskonflikte ergeben. Sie kann auch nicht alle Probleme in ihrem Umfeld lösen und sich hierfür verantwortlich fühlen, denn ihre Ressourcen sind begrenzt. Deshalb darf sie sich nicht verzetteln. Zu welchen Erwartungen und Aufgaben sage ich ja – wozu sage ich nein? Das ist hier die zentrale Frage. 11. Rollen: «Was sind meine Hauptrollen?» Eine Führungskraft hat im Rahmen ihrer Tätigkeit viele Rollen – mal ist sie als Chef, mal als Motivator und Inspirator, mal als Berater und Experte und dann wieder als Moderator und Konfliktlöser oder als Planer und Organisator gefragt. Es gilt sich dieser Rollen bewusst zu werden und zu fragen, wie die Hauptrollen aufgrund der Leadership-

ID aussehen und nach der Funktion in der Organisation zu fragen.

Tipps zum Entwickeln Für die Beantwortung der obigen Fragen, braucht es zwei, drei Stunden Zeit. Zudem sollten die Fragen möglichst schriftlich beantwortet werden. Denn eine Illusion wäre es anzunehmen, dass die Leadership-ID sozusagen ruck-zuck entwickelt werden kann, denn damit geht ein Prozess der Selbstreflexion und des Sichselbst-bewusst-werdens einher. Folglich gilt es immer wieder die genannten Fragen anzuschauen. Sind die gegebenen Antworten wirklich noch überzeugend. Zudem gilt es zwei, drei weitere Personen in das Boot zu holen. Denn jeder Mensch hat blinde Flecken und nicht selten weicht unser Selbstbild von der Fremdwahrnehmung ab. Mit der Zeit entwickelt sich ein klareres Bild davon, was die Qualität einer Führungskraft ausmacht. Dann kann man zum Beispiel selbstbewusster in der aktuellen Führungsposition agieren. Man weiss «Ich bin hier genau richtig, weil...» Ein Ergebnis kann jedoch auch die Erkenntnis sein: «Ich sollte mich mittelfristig verändern – zum


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Beispiel, weil die Erwartungen, die in diesem Unternehmen / in dieser Position an mich als Führungskraft gestellt werden, nicht meinen Werten entsprechen.» Ist dies der Fall, sollten Sie das auch tun! Die Welt braucht gute Führungskräfte. Und warum nicht wechseln, wenn man im aktuellen Job eh nie erfolgreich und zufrieden sein kann?

Joachim Simon ist Führungskräftetrainer und -coach. Er unterstützt die Führungskräfte von Unternehmen unter anderem dabei, ihre individuelle Leadership-ID zu entwickeln. www.joachimsimon.info

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Nicht nur bei der Beratung Einsatzpotenziale mit Künstlicher Intelligenz von Florian Weber

Viele Unternehmen werden künftig beim Gestalten ihrer Geschäftsprozesse auch auf künstliche Intelligenz setzen. Damit einher geht ein grosser Change-Management-Bedarf in den Unternehmen, aber auch die Beraterbranche muss sich hierauf einstellen.

Der Flügelschlag eines Schmetterlings und die digitale Annäherung.

E

s wirkt etwas verrückt, was uns der Regisseur Spike Jonze in seinem 2013 produzierten Film «Her» zum Thema künstliche Intelligenz erzählt: Theodore Twombly, der Hauptcharakter des Films, verliebt sich in Samantha, ein Betriebssystem auf seinem Rechner, mit dem er via Headset und Videokamera kommuniziert. Samantha ist eine künstliche Intelligenz. Sie lernt über die soziale Interaktion mit Theodore und ihr Verhalten wird immer menschlicher. Am Ende ist Theodore in die künstliche Intelligenz verliebt und beginnt sogar, eine intime Beziehung mit Samantha aufzubauen. Schon klar, wir sprechen hier von einem Film, der nicht den Anspruch erhebt, in allen Punkten der Realität zu entsprechen.

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Doch wie weit sind wir 2019, ein halbes Jahr nachdem in Japan ein Mann ein Hologramm zur Frau nahm, von einem solchen Szenario entfernt? Wie intelligent ist heute bereits die künstliche Intelligenz und wie gut kann sie mit uns kommunizieren?

Die Frage nach der Definition Um die Frage nach der Definition von Künstlicher Intelligenz zu beantworten, muss zunächst die Frage geklärt werden: was ist überhaupt künstliche Intelligenz? Das ist nicht einfach, denn der Begriff künstliche Intelligenz, kurz KI, ist nicht einheitlich definiert – auch weil die KI-Forschung, seit ihren Anfängen in den 1950er Jahren, eine interdisziplinäre ist. Für die praktische Anwendung hat sich jedoch

folgende Definition als sinnvoll erwiesen: «Künstliche Intelligenz ist die Eigenschaft eines IT-Systems, menschenähnliche, intelligente Verhaltensweisen zu zeigen.» Viele Systeme, die wir für intelligent halten, setzen gar nicht auf künstliche Intelligenz. Diktierfunktionen und Sprachsteuerung sind für uns zwar hilfreich, jedoch nicht Ausdruck eines intelligenten Sprachverständnisses. Sie arbeiten bisher vielmehr mit voreingestellten Stichworten, die bestimmte Funktionen ansteuern, wie beispielsweise «Wecker auf sieben Uhr stellen» oder «Lampe an». Etwas genauer betrachtet, beschreibt der Begriff künstliche Intelligenz Informatikanwendungen, die das Zeigen intelligenter


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Verhaltensweisen zum Ziel haben. Dies setzt folgende vier Kernfähigkeiten voraus: >>wahrnehmen, >>verstehen, >>handeln und >>lernen. Sie erweitern das Grundprinzip «Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe» aller EDV-Systeme. Künstliche Intelligenz soll Menschen beim Erreichen ihrer Ziele unterstützen – nicht überflüssig machen. Um Menschen jedoch optimal unterstützen zu können, sind die genannten Kernfähigkeiten nötig. Das wirklich neue an den heutigen KI-Systemen ist das Lernen und damit verbunden das Verstehen.

Für den Menschen Moderne Systeme können in der Verarbeitungskomponente trainiert werden, immer bessere Ergebnisse zu erzielen – und zwar in der Regel hochwertigere als mit herkömmlichen Verfahren. Letztere basieren nämlich im Wesentlichen auf starren, klar definierten und festprogrammierten Regelwerken (wenn…, dann…). Beispiele hierfür sind die Bild- und Spracherkennung. KI-Systeme hingegen erkennen nicht nur Buchstaben in einem Bild, sie wissen auch, was das Wort «Beschwerde» in einem eingescannten Brief bedeutet und können einen Beschwerdevorgang einleiten. Und oft sind sie viel leistungsfähiger als Menschen – zum Beispiel, wenn es darum geht, Millionen Webseiten zu durchsuchen und alle Bilder zur Verfügung zu stellen, die einen Hund zeigen. Für Menschen wäre das unmöglich. Moderne KI-Systeme werden aktuell zur Ergänzung einer eindeutigen Systemsteuerung eingesetzt. Dabei ist das Besondere an ihnen, dass sie während der Testphase und im laufenden Betrieb anhand ihrer Fehler beziehungsweise anhand eines Feedbacks lernen.

Maschinen lernen ähnlich wie Menschen Maschinen lernen im Prinzip ähnlich wie Menschen. So kann ein Computerprogramm beispielsweise lernen, bestimmte Objekte zu erkennen. Dazu wird es zunächst mit Daten gefüttert und trainiert. Ihm wird zum Beispiel gesagt, welches Objekt ein Pferd ist und welches nicht. Danach erhält das Programm regelmässig eine Rückmeldung vom Programmierer, ob es die Unterscheidung «Pferd» und «kein Pferd» richtig traf. Dieses Feedback

nutzt der Algorithmus, um sich selbst so lange zu verbessern, bis er am Ende sicher die Unterscheidung «Pferd» und «kein Pferd» trifft. Die Machine Learning Systeme bestehen in der Regel aus drei Komponenten: 1. aus einem Modell, das Vorhersagen kann und Identifikationen trifft, 2. aus Parametern, also Signalen oder Faktoren, die vom System genutzt werden, um Entscheidungen zu treffen, und 3. aus dem lernenden System. Das lernende System passt die Parameter und somit auch das Modell an, indem es sich die Unterschiede zwischen der Vorhersage und dem tatsächlichen Ergebnis anschaut. Zu Beginn des Modells wird häufig eine Prognose aufgestellt, die für eine bestimmte Situation gilt. Anfangs weichen die Ergebnisse noch oft von der Prognose ab. Das System muss also lernen. Dazu überprüft es die eingespeisten Daten kontinuierlich und lernt aus ihnen. Hierzu werden mit Hilfe mathematischer Algorithmen die ursprünglichen Annahmen angepasst und so das Modell immer weiter optimiert.

KI in (Dienstleistungs-) Unternehmen Insbesondere Dienstleistungsunternehmen wie Banken und Versicherungen investieren heute bereits viel Zeit und Geld in künstliche Intelligenz. Sie setzen beispielsweise auf KI-Disziplinen wie Robotic Process Automation (RPA), KnowledgeManagement-Software, digitale Assistenten und Predictive Analytics. Dabei sehen sie den künftigen Nutzen der künstlichen Intelligenz vor allem im Kontakt mit den Kunden. Mit Hilfe der KI sollen die Produkte und Kundenansprache individueller gestaltet werden. Dabei werden die Kunden heute jedoch noch meist von persönlichen Kundenberatern bedient; die KI hat sozusagen nur eine Unterstützungsfunktion – auch weil es auf Menschen meist befremdlich wirkt, sich mit einer Computerstimme zu unterhalten, die unsere natürliche Sprache nicht versteht. Google stellte jedoch auf der Developer Conference 2018 mit Google Duplex eine Technologie vor, mit der es möglich ist, natürliche Gespräche zu führen und echte Aufgaben über das Telefon ausführen zu lassen. Das Video, in dem Google Duplex

vorgestellt wird, erzielte bei YouTube über 2.5 Millionen Aufrufe1. Beim Anschauen wird schnell klar: Menschen können die Computerstimme nicht von der Stimme eines echten Menschen unterscheiden, und das System versteht echte menschliche Sprache und reagiert passend hierauf. Es vereinbart beispielsweise für seinen Gesprächspartner einen Friseurtermin oder bestellt einen Restauranttisch.

Menschliche Aufgaben übernehmen Aus diesem Grund ist es vorstellbar, dass das System in Zukunft auch von Unternehmen – nicht nur Banken und Versicherungen – eingesetzt wird, beispielsweise um telefonisch Bestellungen, Beschwerden oder Schadensmeldungen aufzunehmen und zu be- oder verarbeiten. Dabei lernt das System ständig durch das Feedback der Anrufer hinzu. Der britische Mathematiker und Informatiker Alan Turing, einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung, entwickelte 1950 den Turing-Test. Er soll feststellen, ob ein Computer ein mit Menschen vergleichbares Denkvermögen hat und somit nicht mehr von Menschen unterscheidbar ist. Erkennt ein menschlicher Fragesteller nicht mehr, ob er mit einem Menschen oder einer Maschine kommuniziert, gilt der Test als bestanden. Legt man dieses Kriterium zugrunde, hat Google Duplex den Turing-Test bestanden, denn: zumindest in dem Video merken die Personen am anderen Ende der Telefonleitung nicht, dass sie mit einer künstlichen Intelligenz sprechen. Der Turing-Test ist jedoch umstritten, weil er nur die Funktionalität eines Systems prüft, jedoch nicht, ob die künstliche Intelligenz auch über ein Bewusstsein und eine Intentionalität (Bezug auf Vorstellungswelten) verfügt. Zudem basiert er in seiner Grundform lediglich auf einer Konversation per Tastatur und Bildschirm: er bezieht keinen Hör- und Sehkontakt zwischen den Teilnehmern ein. Bei Google Duplex geht es lediglich um den akustischen Kontakt. Trotzdem hat Google Duplex den Test auf den ersten Blick bestanden, weil Menschen am Telefon nicht mehr zwischen Mensch und Maschine unterscheiden können2. Doch wurde der Test real bestanden? Das bleibt fraglich, denn: Google Duplex kann Gespräche nur führen, wenn es im  

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betreffenden Bereich gründlich geschult wurde. Das System kann nicht allgemein Gespräche führen. Zudem ist die Kommunikation bislang auf weniger als eine Minute begrenzt. Deshalb hat Google Duplex den Turing-Test eigentlich nicht bestanden, denn das System bekäme Probleme, wenn es ein längeres Gespräch führen müsste oder ein Gespräch über ein anderes Thema. Trotzdem könnte zum Beispiel das Annehmen von Schadensmeldungen oder Beschwerden ein künftiges KI-Einsatzfeld sein – sofern das System hierfür trainiert wurde. Dies wäre auch bezogen auf andere Themen möglich. Hieraus ergeben sich auch Einsatzmöglichkeiten im und für das Change-Management.

Bedeutung für das Change Management Dabei sollte die Bedeutung des Themas KI für das Change-Management von zwei Seiten betrachtet werden: zum einen ist mit der Einführung und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unternehmenskontext ein Veränderungsprozess verbunden. Dieser muss gestaltet und begleitet werden. Zum anderen muss sich jedoch auch die Beratungsbranche selbst dem Einsatz von KI öffnen, denn sie wird künftig auch beim Beraten (nicht nur) zum Thema Veränderung eine wesentliche Rolle spielen. Der Einsatz künstlicher Intelligenz bedingt zwangsläufig einen Veränderungsprozess in den Unternehmen, und genau darin sehen einer Erhebung des Research-Unternehmens Forrester aus dem Jahr 2017 zufolge sehr viele Entscheider eine grosse Hürde – zumindest wenn das Ziel des KIEinsatzes lautet: bisher von Menschen verrichtete Arbeiten werden von Maschinen übernommen, denn dann werden Menschen nur noch zu Beginn benötigt, um das System zu trainieren. Damit einher geht ausser einer Änderung der Geschäftsprozesse, auch ein Wandel der Unternehmenskultur. Allein schon deshalb müssen die betroffenen Menschen in den jeweiligen Unternehmen an dem Prozess beteiligt werden. Was dies genau bedeutet, muss im Einzelfall entschieden werden. Ein Patentrezept für die Begleitung eines solchen Wandels gibt es nicht. Umso wichtiger ist es, sich dessen bewusst zu werden, dass die Einführung von künst-

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licher Intelligenz zwangsläufig ein zielgerichtetes Change-Management erfordert. In einem solchen Wandel steckt aktuell bereits die Finanzbranche – unter anderem, weil FinTechs in vielen Bereichen die Marktmacht der tradierten Institute in Frage stellen mit ihrer agilen und kundenorientierten Arbeitsweise. Deshalb werden auch die etablierten Institute künftig verstärkt auf KI setzen und so versuchen, sich auch als technologisch innovative Dienstleister zu profilieren.

Berater und KI-Einsatz Neben dem Finanzdienstleistungssektor ist auch die Consultingbranche von dem Wandel betroffen. Auch sie muss sich Gedanken über den Einsatz künstlicher Intelligenz machen, denn auch in ihr spielt die Schnittstelle zum Kunden eine zentrale Rolle. Bislang sind die möglichen Einsatzgebiete solcher Systeme wie Google Duplex zwar noch sehr beschränkt, doch das wird sich in naher Zukunft ändern. Bleiben wir beim Beispiel Kundenschnittstelle. Angenommen ein Beratungsunternehmen wird für einen Veränderungsprozess angefragt. Dann gilt es zunächst, das Kundenanliegen zu verstehen. Dafür sind Telefonate und eine gute Analyse der Situation erforderlich. Bislang werden solche Telefonate entweder von einem Backoffice oder den Beratern selbst geführt. Diese vereinbaren anschliessend Termine vor Ort, um sich die Situation genauer anzuschauen und sich ein konkretes Bild zu machen. Wie wäre es, wenn diese Analyse künftig von künstlicher Intelligenz schon per Telefon vorgenommen würde? «Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: sie als Kunde rufen an und fragen eine Change Management Beratung an. Ihre Anfrage wird von einer künstlichen Intelligenz aufgenommen, die Ihnen bereits die wichtigen und richtigen Fragen stellt, um Ihr Anliegen zu klären. Danach verbindet Sie das System unmittelbar mit einem Experten hierfür. Das erspart Ihnen Zeit und Analyse-Kosten – selbst wenn anschliessend nochmals eine Detailanalyse durch den Experten beziehungsweise Berater erfolgt.»

Prozesse unterstützen. Diese sind zwar noch keine KI an sich, aber eine Vorstufe hiervon. Ein solches System kommt auch in meinem Hause im Bereich Change Management zum Einsatz. Aufgrund unserer langjährigen Beratungstätigkeit besteht in unserer Organisation ein grosses Expertenwissen hierzu. Hiervon sollen alle K&P-Berater und -Kunden profitieren. Deshalb speichert K & P das individuelle und kollektive Wissen sowie die gemachten Erfahrungen zum Thema Change in einer Software. Dieses geballte Know-how ist für Kunden jedoch nur insoweit interessant, wie es sich mit ihrem Bedarf deckt. Sie wären schnell überfordert, wenn K&P, bildhaft gesprochen, sein ganzes Wissen einfach auf dem Schreibtisch ausschütten und einen damit allein lassen würde – eventuell mit dem Hinweis: «Sie müssen uns ‚einfach‘ nur sagen, was Sie brauchen.» Aus diesem Grund werden stattdessen den Kunden mithilfe des Change Management Systems, ausgehend von ihrer Situation, die verschiedenen (Handlungs-) Optionen aufgezeigt. Die Kunden entscheiden dann selbst, welche Optionen sie wählen. Im nächsten Schritt werden ihnen für die gewählte Option wiederum die verschiedenen Alternativen aufgezeigt, von denen sie erneut die für sie relevanten Möglichkeiten auswählen. So führt das System die Kunden Schritt für Schritt durch die Kernfragen, die sie sich in ihrer aktuellen Situation stellen sollten. Das ermöglicht es den Kunden, unmittelbar ihr Anliegen zu bearbeiten, ohne die ganze Welt des Change Managements verstehen zu müssen. Und die K&PBerater? Sie können besser vorinformiert in das Gespräch mit den Kunden einsteigen. In seiner aktuellen Version arbeitet das System noch ohne künstliche Intelligenz. Es wird vielmehr kontinuierlich mit dem Wissen der K&P-Berater gefüllt und angepasst. Seine Funktionsweise ähnelt jedoch der von KISystemen. Das heisst: Systemzweige des Softwareprogramms, die sich als erfolgreich erwiesen haben, werden beibehalten; Zweige hingegen, die weniger zielführend waren, werden angepasst und verbessert.

KI in Beratungsprozesse

Kundenspezifische Lösungen

Die aktuellen bestehenden KI-Systeme können noch keine komplexen (Telefon-) Analysen und Beratungen durchführen. Doch es gibt bereits Systeme, die solche

Mit dem Einsatz dieses Systems sammelte K&P bislang äusserst positive Erfahrungen. Unabhängig von der Grösse eines Projektes hilft es schnell einen Überblick


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über das Kunden-Vorhaben beziehungsweise -Anliegen zu bekommen und kundenspezifische Lösungen zu erarbeiten. Entsprechend positiv ist die Resonanz der Kunden, denn sie interessiert in der Regel nur das Beraterwissen, das sie gerade brauchen. Und stellt sich im Laufe des Beratungsprozesses heraus, dass eine weitere Option ins Auge gefasst und durchdacht werden sollte? Dann muss lediglich basierend auf dem nun bestehenden Wissens- und Erkenntnisstand das Softwareprogramm erneut durchlaufen werden. Unter anderem aufgrund der mit dem Einsatz der aktuellen Software gesammelten Erfahrung ist K&P überzeugt: der Einsatz von KI – auch im Beratungsprozess – wird künftig weiter voranschreiten, und sowohl die firmeninternen, als auch -externen Change-Berater müssen sich hierauf einstellen. Zum einen, weil die Beratung selbst sich ändern und bereit sein muss, neue Technologien einzusetzen, und zum anderen, weil sie die aus dem KI-Einsatz der Kunden resultierenden Veränderungsprozesse begleiten können muss – und

zwar unabhängig davon, ob diese sich auf der Ebene der Strategie, der Struktur oder der Kultur eines Unternehmens vollziehen.

Wappnen für die Zukunft Der aktuelle Entwicklungsstand der KI lässt noch keine abschliessenden Anwendungsszenarien zu. Er offenbart jedoch zahlreiche Möglichkeiten, Geschäftsprozesse künftig zu beschleunigen und effizienter zu machen. Sich jetzt bereits mit den Möglichkeiten und Anforderungen eines Einsatzes KIgestützter Systeme vertraut zu machen, ist jedoch wichtig, um mögliche Einsatzgebiete früh zu identifizieren und deren operativen Einsatz vorzubereiten. Diese strategische Vorbereitung kann darüber entscheiden, welche Player in der immer dynamischer werdenden Unternehmensumwelt künftig zu den Gewinnern zählen und welche aufgrund der technologischen Disruption vom Markt verschwinden werden. Ob wir Menschen uns in Zukunft so gut mit der künstlichen Intelligenz verstehen, dass wir uns wie im Film «Her» in sie verlieben, bleibt dabei offen und vor allem jedem

selbst überlassen. Sicher ist aber: sie wird uns in Zukunft noch intensiver begleiten als sie es bereits tut. Anmerkungen 1) Grubb, J./ YouTube (2018). Google Duplex: A.I. Assistant Calls Local Business To Make Appointments. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=D5VN56jQMWM [11.03.2019]. 2) Leviathan, Y. & Matias Y. (2018). Google Duplex: An AI System for Accomplishing Real-World Tasks Over the Phone. Google AI Blog. Verfügbar unter: https://ai.googleblog. com/2018/05/duplex-ai-system-for-natural-conversation. html [11.03.19].

Florian Weber ist Changeberater bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner in Bruchsal (D). www.kraus-und-partner.de

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Menschen in Unternehmen

Ein systematisches Auswahl- und Bewertungsverfahren implementieren.

Durchstarten in neuen Märkten Schnelles Kundenwachstum mit Traction von Hagen Worch

Agilität ist in aller Munde. Während sich die Idee in der Produktentwicklung zunehmend etabliert, sind Ansätze der agilen Marktentwicklung insbesondere bei Start-ups bisher wenig verbreitet. Dies ist aber zentral, da die neuen Produkte Sichtbarkeit benötigen. Dabei bestehen für neugegründete Firmen gute Möglichkeiten, schnelles Kundenwachstum zu forcieren, wie Studien des Instituts für Management & Innovation (IMI) der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) zeigen¹.

L

aut Bundesamt für Statistik wurden in der Schweiz im Jahr 2016 insgesamt 39'125 Unternehmen neu gegründet. Allerdings scheitert jedes zweite Unternehmen innerhalb der ersten fünf Jahre. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dazu gehören der mangelnde ProduktMarkt-Fit, schlechtes Timing bei der Inves-

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tition in Vertrieb und Marketing, mangelnde Gründerfähigkeiten sowie Probleme bei der Beschaffung von Kapital und Liquidität. Ein weiterer zentraler Grund für das Scheitern ist, dass junge Unternehmen das Marketing und den Vertrieb unterschätzen. Gründerinnen und Gründer besitzen in der Regel exzellentes technologisches Wissen.

Sie haben jedoch wenig Verständnis für die Wahl und Umsetzung der richtigen Vertriebs- und Marketingkanäle. «Fast jedes gescheiterte Unternehmen hat ein Produkt. Was gescheiterte Unternehmen nicht haben, sind genügend Kunden», so Gabriel Weinberg und Justin Mares in ihrem Buch «Traction»2.


Menschen in Unternehmen

Der Marktentwicklungsansatz Wie kann nun ein Unternehmen schnelles Kundenwachstum generieren? Ein geeignetes Vorgehen ist die Anwendung von Traction. Bei Traction handelt es sich um einen agilen Marktentwicklungsansatz. Durch die Kombination verschiedener Methoden ermöglicht er, einen Markt in einer wesentlich kürzeren Zeit und mit einer höheren Kundenwachstumsrate zu entwickeln, als es mit herkömmlichen Vermarktungsansätzen der Fall ist. Die drei Hauptmerkmale des Ansatzes sind: 1. Die Marktentwicklung erfolgt zeitgleich mit der Produkt- beziehungsweise Dienstleistungsentwicklung und umfasst den gleichen Zeitaufwand. Diese Parallelität von Produkt- und Marktentwicklung wird als 50 / 50Regel bezeichnet. 2. In einem systematischen Auswahlund Bewertungsverfahren werden aus 19 möglichen Marketingkanälen die drei erfolgversprechendsten identifiziert. Diese werden in Tests auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Kunden-

gewinnung eruiert. Aufgrund der Testergebnisse kann ein Start-up den optimalen Vermarktungskanal wählen. 3. Es erfolgt eine kontinuierliche Quantifizierung des Wachstumseffektes. Zeigt der gewählte Vermarktungskanal Anzeichen einer Sättigung, kann ein Unternehmen mit einer Veränderung des optimalen Marketingkanals darauf reagieren. Der für eine neue Wachstumsphase adäquate Marketingkanal wird wie oben beschrieben wiederum durch eine Auswahl der drei erfolgversprechendsten Kanäle und anschliessenden Tests gefunden.

Potenzial wenig genutzt Das Institut für Management & Innovation (IMI) der FFHS hat mehrere Studien über die Anwendung des Tractionansatzes in Schweizer Unternehmen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Traction weder bei Schweizer Start-ups noch bei KMU angewandt wird. Nicht einmal einzelne Teilaspekte des Ansatzes finden bei den Firmen in der Praxis Anwendung. Dies gilt sogar für Start-ups und KMU, die in Traction-

affinen Branchen tätig sind, und stark mit Digitalisierung zu tun haben. Die Untersuchungsergebnisse verdeutlichen, dass nicht einmal in den Firmen, für die das Tractionkonzept ursprünglich entwickelt und erfolgreich angewandt wurde, der Ansatz bekannt ist und als Instrument Beachtung findet. «Mehr als 50 Prozent der untersuchten Firmen ziehen entweder keinen oder maximal ein bis fünf der 19 Marketingkanäle in Betracht. Der allergrösste Teil der untersuchten Firmen hat lediglich Kenntnis von einem sehr beschränkten Teil der möglichen Marketingkanäle», erläutert Bora Altuncevahir, Leiter einer der Studien. Darüber hinaus findet häufig auch dann kein Wechsel der Marketingkanäle statt, wenn mit dem bisherigen Kanal eine Sättigung des Kundenwachstums erreicht ist.

Kundenzielgruppe genau verstehen Sind fehlende Kenntnisse und Erfahrungen mit dem Marktentwicklungsansatz Traction der zentrale Grund für die Nichtanwendung im Schweizer Kontext? Oder gibt 

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Nur einmal im Jahr so richtig Ordnung auf dem Schreibtisch machen? Ganz schön wenig – wenn man bedenkt, dass die „Clean-Desk-Policy“ in manchen Unternehmen nachweislich sogar die Produktivität erhöht. Mit unseren LOCKER-SCHRÄNKEN haben Sie die Ordnung an jedem Tag fest im Griff und finden trotzdem genug Platz für Ihre ganz persönlichen Dinge. Clean Desk? Na locker.

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Oder ganz „Locker“ auch an jedem anderen Tag. Ausgabe 2/2019 // Seite 57

* Der nationale „Clean Off Your Desk Day“ ist an jedem zweiten Montag im Januar.


Menschen in Unternehmen

Die gewählten Vermarktungskanäle immer wieder überprüfen.

es andere Gründe dafür, dass das Potenzial des Ansatzes nicht weitreichender genutzt wird? Das IMI ist diesen Fragen nachgegangen. Mit einer Pilotimplementierung des Ansatzes beim Start-up Unternehmen Lost-Tag wurden Hindernisse und Herausforderungen bei der Umsetzung von Traction untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass es eine entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Ansatzes gibt: nämlich die Kundenzielgruppe genau festzulegen und den durch ein Produkt oder eine Dienstleistung generierten Mehrwert für diese Gruppe im Detail zu verstehen. Dies wiederum bedingt, dass sich die Gründerinnen und Gründer über die strategische Stossrichtung ihres Unternehmens und die Positionierung in den entsprechenden Märkten im Klaren sein sollten. Jedoch sind

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eine hinreichende Auseinandersetzung mit zentralen strategischen Fragen sowie das frühzeitige Verständnis der Bedürfnisse der relevanten Kundensegmente bei vielen Unternehmen nicht ausreichend vorhanden. Eine effektive Umsetzung von Traction ist dann kaum möglich.

Identifizierung und Kundenwachstum Erst mit der klaren Abgrenzung einer Kundenzielgruppe liess sich für Lost-Tag ein Tractionziel, das heisst ein Kundenwachstumsziel, festlegen. Anschliessend wurde für jeden der 19 Marketingkanäle eine mögliche Massnahme entwickelt, die das Potenzial hätte, das festgelegte Wachstumsziel zu erreichen. Die drei erfolgversprechendsten Marketingkanäle wurden systematisch ausgewählt und

anschliessend getestet. Als Ergebnis der Tests ergab sich ein optimaler Vermarktungskanal, mit dem das stärkste Kundenwachstum realisiert werden konnte. Gleichzeitig wurde das Know-how vermittelt, damit Lost-Tag den Tractionansatz künftig auch für andere Produkte und Dienstleistungen anwenden kann. Zafar Hasher, Gründer von Lost-Tag und erfolgreicher Absolvent des FFHS Bachelorstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen, bringt es auf den Punkt: «Durch die Anwendung von Traction haben wir eine völlig neue Kundenzielgruppe identifizieren können, die wir vorher nicht auf dem Schirm hatten. Mit dieser Neuorientierung und der konsequenten Fokussierung auf einen Marketingkanal konnten wir ein enormes Umsatzwachstum erreichen.»


Menschen in Unternehmen

Integration in den Innovationsprozess Bei Lost-Tag konnte – nachdem die Herausforderung erkannt wurde – die frühzeitige Marktentwicklung relativ schnell implementiert werden. Dies war möglich, weil wie in einem Start-up üblich die Prozessabläufe noch nicht etabliert waren. Wie aber lässt sich die frühzeitige Marktentwicklung in einem KMU mit etablierten Prozessen implementieren und somit die Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Traction schaffen? Diese Frage ist Gegenstand eines geplanten Forschungsprojektes. Dabei soll die Marktentwicklung, das heisst die Gewinnung neuer Kunden, deutlich früher im Produktentwicklungsprozess integriert und

datenbasiert entlang optimaler Marketingkanäle systematisch vorangetrieben werden. Die dafür zu entwickelnde Methodik soll KMU befähigen, bereits zu Beginn des Produktentwicklungsprozesses, auch die Kundenakquise und die Entwicklung von Absatzmärkten zu forcieren.

Kürzerer Time-to-MarketProzess Schweizer Start-ups und KMUs profitieren in mehrfacher Hinsicht vom Potenzial des Tractionansatzes. Schnelles Kundenwachstum ist der wichtigste Nutzen der Implementierung von Traction. Durch die systematische Auswahl eines optimalen Vermarktungskanals werden mehr potenzielle Kunden angesprochen. Die geziel-

tere Ansprache führt zu einer höheren Anzahl an erfolgreichen Kundenkontakten. Neben schnellem Kundenwachstum können Unternehmen kürzere Time-to-MarketZeiten realisieren. Die frühzeitige Eruierung der Marktseite erlaubt eine schnellere und zielgerichtete Neuproduktentwicklung. Das Risiko, am Bedarf vorbei zu entwickeln, wird dadurch gesenkt. Traction erlaubt weiterhin, das Kundenwachstum zu quantifizieren und analysieren. Die gewonnenen Daten können für Entscheidungen genutzt werden. Die Daten eignen sich insbesondere dafür, die Produkte und Dienstleistungen zu optimieren sowie die Ausdifferenzierung der Angebote voranzutreiben. Der Kundennutzen wird dadurch erhöht und eine allfällig stagnierende Aufmerksamkeit der Kunden überwunden. Last but not least kann durch die Umsetzung von Traction auch die Innovationskultur in Unternehmen verbessert werden. Der Ansatz komplementiert die häufig typische Technikorientierung mit einer Marktorientierung. Gerade Start-ups können so das meist exzellent vorhandene technische Fachwissen mit einem kundenbezogenen Marktdenken erweitern und so die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Skalierung ihres Geschäftes schaffen. Anmerkungen 1) Der hier erschienene Artikel ist eine leicht erweiterte und überarbeitete Version des Blogbeitrags «Digitalisierung im Marketing: agiles Kundenwachstum mit Traction» unter www.ffhs.ch/blog 2) Traction: How Any Startup Can Achieve Explosive Customer Growth

Dr. Hagen Worch ist Forschungsfeldleiter «Entrepreneurship & Innovation» am Institut für Management & Innovation (IMI) und Dozent für Innovationsökonomik, Innovationsmanagement und Entrepreneurship im M.Sc. Business Administration

Die Geschwindigkeit der Veränderungsprozesse unter Kontrolle behalten.

www.ffhs.ch www.lost-tag.com

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Die Wachstumsinitiative SEF4KMU setzt auf Vernetzung und ein breites Netzwerk.

Eine Spritze für den Erfolg Unterstützungsangebot für KMU und Jungunternehmen Text und Interview mit Franco Chicherio von Seraina Branschi

Ein Unternehmen zu gründen, ist keine Kunst. Ein Unternehmen langfristig zum Erfolg zu führen jedoch schon. SEF4KMU ist die Wachstumsinitiative des Swiss Economic Forum (SEF) für die gezielte Unterstützung von KMU und Jungunternehmen in der Schweiz.

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s braucht Mut, sein eigenes Unternehmen zu gründen und auf die Karte Unternehmertum zu setzen. Nach einer gewissen Anfangseuphorie setzt die Unsicherheit ein, das Selbstvertrauen schwindet und die Sorgen nehmen zu. Die Schweiz steht zwar im internationalen Vergleich des Global Entrepreneurship Index (GEDI) nach wie vor auf Platz zwei, dennoch überlebt nur knapp die Hälfte die ersten fünf Jahre. Das SEF fördert seit seiner Entstehung mit seinen Plattformen und Initiativen das unternehmerische Gedankengut und setzt sich aktiv für KMU und Jungunternehmen in der Schweiz ein. Mit der Wachstumsinitiative SEF4KMU unterstützt das SEF Firmen kostenlos in heiklen Phasen und bietet massgeschneiderte Angebote, die zu Wachstum und Erfolg verhelfen.

Unterstützung auf mehreren Ebenen Nach der erfolgreichen Anmeldung und Erstanalyse wird die Wachstumsstrategie der Jungunternehmen von einem neutra-

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len Team vertraulich überprüft. Erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer sowie ein interdisziplinäres Fachexpertenteam hinterfragen im Rahmen eines Firmenbesuchs die Strategie des Unternehmens. SEF4KMU hat bereits über 630 Jungunternehmen geprüft und mit den Expertinnen und Experten mehr als 134 Firmen davon besucht. Dabei wurden einige Schwierigkeiten festgestellt, mit welchen Jungunternehmen oft konfrontiert sind: fehlendes unternehmerisches Know-how, falsche Einschätzung des Marktes, eine geringe Vernetzung mit Investoren, Förderern oder Branchenkennern sowie mangelhafter Zugang zu Wachstumskapital. In allen Bereichen bietet die Wachstumsinitiative Unterstützung.

dem Qualitätslabel «SEF.High-Potential KMU» ausgezeichnet. Mit dem Qualitätslabel können die Unternehmen die eigene Präsenz am Markt stärken und die Akzeptanz bei Kunden und Investoren steigern. Der Jurierungsprozess von SEF4KMU ist SQS-zertifiziert und hat bis heute 54 «SEF. High-Potential KMU» hervorgebracht. Das Label ermöglicht den Zugang zum vollumfänglichen Dienstleistungsangebot der Wachstumsinitiative und zu den zahlreichen Wachstumsmodulen – von Finanzierungslösungen bis hin zu Patentschutz, Industrialisierung, Risikomanagement und weiteren massgeschneiderten Lösungen.

Präsenzsteigerung durch Qualitätslabel

Ein grosses Plus für teilnehmende Unternehmerinnen und Unternehmer ist der Zugang zu einem hochwertigen und breiten Netzwerk der Schweizer Wirtschaft. Deshalb runden diverse weitere Leistungen das Gesamtpaket der SEF4KMU-Initiative ab. Im Kern geht es dabei um die Vernetzung.

Die Initiative wird durch zahlreiche Partner getragen, welche den Unternehmen nach Bedarf weitere Unterstützungsmöglichkeiten bieten. Besonders Erfolg versprechende Jungunternehmen und KMU werden mit

Vernetzung und Vertrauen fördert die Geschwindigkeit


Menschen in Unternehmen

Oft fehlt es den teilnehmenden Firmen am Zugang zu Schlüsselpersonen. Sind jedoch das richtige Netzwerk und das gegenseitige Vertrauen vorhanden, steigert sich letztlich auch die Wachstumsgeschwindigkeit. Deshalb werden beispielsweise mehrmals jährlich die sogenannten Networking-Lunches durchgeführt. Diese bieten die optimale Gelegenheit für einfaches Netzwerken und spannende Diskussionen. Namhafte Persönlichkeiten berichten über Erfahrungen und Herausforderungen, die sie zu überwinden hatten.

Erfahrung aus mehr als 20 Jahren Förderung Über alle Initiativen hinweg bewerben sich circa 400 Unternehmen beim SEF. Diese werden in einem intensiven Prozess auf Herz und Nieren geprüft. Die Erfolgsquote ist demensprechend einzigartig. Diese Erfahrung ist es letzten Endes, welche auch in die SEF4KMU und die weiteren Initiativen einfliesst. Mit diesem umfassenden Gesamtpaket profitieren KMU und Jungunternehmen auf ganzer Linie, frei nach dem Prinzip «Unternehmer für Unternehmer».

«Jedes Unternehmen ist einzigartig.» Franco Chicherio verantwortet als Leiter Start-ups & Unternehmertum am Swiss Economic Forum die Initiativen zur Förderung von Jungunternehmen und KMU. Er leitet unter anderem das Programm SEF4KMU. Im Kurzinterview spricht er über den konkreten Nutzen für Unternehmen. SEF4KMU ist nicht das einzige Unterstützungsangebot für KMU und Jungunternehmen. Was macht SEF4KMU einzigartig? Es gibt diverse Punkte, die SEF4KMU einzigartig machen. Zum einen fördert das Swiss Economic Forum seit der Gründung vor mehr als 20 Jahren das Unternehmertum in der Schweiz. Pro Jahr sehen wir circa 400 Businesspläne, die wir in Expertengremien analysieren. Dadurch steht uns ein einzigartiger Pool an Erfahrungs- und Expertenwissen zur

Die Wachstumsinitiative SEF4KMU setzt auf Vernetzung und ein breites Netzwerk.

Verfügung. Dies zeigt sich auch in der Qualität und Erfolgsrate der betreuten Unternehmen. Weiter ist es der Zugang zu uns wohlgesinnten Unternehmern, Entscheidungsträgern und Experten. Dadurch sind wir in der Lage, für jedes Unternehmen ein massgeschneidertes, interdisziplinäres Expertenteam zusammenzustellen. Denn jedes Unternehmen ist einzigartig und braucht deshalb auch ein einzigartiges Team. Last but not least haben wir starke Partner an unserer Seite, die uns mit ihrem Engagement unterstützen. Nur so ist es uns möglich, den teilnehmenden Unternehmen das Angebot kostenlos zur Verfügung zu stellen. Und es entstehen auch keine Verpflichtungen. Ein teilnehmendes Unternehmen kann zum Beispiel das Finanzierungsmodul beanspruchen –muss es jedoch nicht. Wir verlangen auch keinen Aktienanteil oder Ähnliches. Unsere Unabhängigkeit ist uns wichtig. Nur so können wir ohne Hintergedanken mit den Unternehmen zusammenarbeiten. Wie viele Unternehmen erhalten durchschnittlich pro Jahr das Qualitätslabel und werden in das Programm aufgenommen? SEF4KMU ist ein Programm, das auf Qualität setzt. Im Durchschnitt besuchen wir im Rahmen der Initiative circa 25 Unternehmen. Dies sind Unternehmen, welche die ersten Hürden und Vorabklärungen überstanden haben. Pro Jahr können wir ungefähr fünf bis zehn «SEF.High-Potential

KMU»-Labels vergeben. Das heisst, dass uns diese Firmen hinsichtlich der ambitiösen Wachstumsstrategie überzeugen. Für welche Unternehmen ist die Initiative gedacht? Im Grunde für alle Unternehmen, die eine ambitionierte Wachstumsstrategie verfolgen und diese nun umsetzen. Dies können sowohl Jungunternehmen wie KMU sein. Als Minimalanforderung gilt, dass das Produkt bereits am Markt ist und erste Umsätze erzielt werden. Oftmals kommen auch Unternehmen zu uns, die aufgrund dieser expansiven Phase weiteres Kapital benötigen – sei es Eigen- oder Fremdkapital. Hier können wir sie dank unserem Gründungspartner UBS unterstützen. Denn Wachstum ist oft mit einer grossen finanziellen Belastung und einem hohen Risiko verbunden. Durch unser Qualitätslabel können wir hier Türen öffnen und Unterstützung anbieten.

Franco Chicherio ist Leiter Start-ups & Unternehmertum Swiss Economic Forum. www.sef4kmu.ch

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Menschen in Unternehmen

Belgisch-schweizerische Sequana Medical geht an die Börse - Euronext Brüssel, Februar 2019

Die Frage nach dem Wie Eine erfolgreiche Wachstumsstory von Søren Bjønness

Die Schweiz steckt voller Unternehmensperlen mit Wachstumspotenzial. Früher oder später stellt sich jedoch die Frage nach einer geeigneten Finanzierung. Berater und Banken raten zu Venture Capital, Private Equity oder sogar einem Verkauf der Firma an einen Grosskonzern. Doch muss das so sein? Euronext ist überzeugt, dass es einen anderen Weg gibt; der Gang an die Börse bietet jungen, innovativen und dynamischen Unternehmen zahlreiche Vorteile und Chancen, die häufig unterschätzt werden.

B

örsengang – ein grosses Wort für viele Unternehmen, das erst einmal Respekt einflösst. Es hat etwas Mystisches, irgendwie Unerreichbares. Der Tenor «Das ist doch viel zu gross für unsere Firma» oder «Viel zu kompliziert» macht sich schnell breit. Doch gerade Unternehmen, die langsam an ihre Wachstumsgrenzen stossen, sollten diese Möglichkeit etwas genauer in Betracht ziehen. Neben finanziellen Mitteln stehen KMU nämlich zusätzlich meist vor weiteren Herausforderungen wie der Nachfolgeregelung oder Fragen der Internationalisierung und Professionalisierung. Bei Euronext weiss man, dass ein Börsengang auch hier Abhilfe schafft und zahlreiche neue Möglichkeiten eröffnet.

Steigende Finanzierungsflexibilität Der Gewinn neuer finanzieller Mittel ist meist der Hauptgrund für den Gang an die Börse. Gerade die Kapitalzufuhr ist ein grosser Ermöglicher und Katalysator für die Finanzierung weiterer Investitionen, den Ausbau des Netto-Umlaufvermögens, den Scale-up, den Roll-out sowie der

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Internationalisierung. Zudem erleichtert zusätzliches Kapital die weitere Zusammenarbeit mit Banken und beispielsweise die Platzierung von Obligationen. Kurz: Die Finanzierungsflexibilität nimmt zu. Dennoch ist die Kapitalzufuhr an sich nur Mittel zum Zweck. Der eigentliche Vorteil liegt jedoch im Wachstum. Viele Schweizer Unternehmen arbeiten weit unter ihren Möglichkeiten. Investoren wie Unternehmer auch wollen eine Wachstumsstory, die brachliegendes Potenzial ausschöpft und den Unternehmenswert langfristig steigert. Gerade Firmen, die ins Ausland expandieren beziehungsweise international wachsen wollen, erhalten durch einen Börsengang neue Möglichkeiten für strategische Partnerschaften, was wiederum die Expansion fördert.

Unabhängigkeit bewahren Gerade kleinere und mittelständige Unternehmen sind oft eng mit der Familie, teils sogar über Generationen hinweg, oder unternehmerischen Persönlichkeiten und Gründerteams verknüpft. Diese

Verbindung ist meist eine zentrale Eigenschaft des Unternehmens. Die Wahrung der Unabhängigkeit ist daher nicht nur für Gründer ein zentrales Anliegen, sondern auch beim Management und bestehenden Aktionären. Die Erfahrung mit Schweizer Firmen zeigt dies: Trotz Finanzierungsbedarf ist es oberstes Ziel, die Qualität der Produkte und Dienstleistungen zu gewährleisten und den Markennamen, der vielleicht sogar der eigene Familienname ist, zu schützen. Ein Unternehmensverkauf verunmöglicht die Selbstständigkeit über kurz oder lang. Im Gegensatz dazu ist ein Börsengang die ideale Möglichkeit, um Finanzierungspotenzial zu erhalten und selbstständig zu bleiben. Immer zu bedenken gilt es zudem, dass ein Börsengang kein Endbahnhof ist. In den meisten Fällen wird mit diesem Schritt in erster Linie mehr Wert geschaffen, der auch einen möglichen späteren Verkauf attraktiver macht. Erfahrungsgemäss steigert sich der Wert eines kotierten Unternehmens teils bis zu 25 oder sogar 50 Prozent.


Menschen in Unternehmen

Vertrauen bei den Stakeholdern Viele Unternehmer tun sich noch immer schwer mit der Transparenz bezüglich Strategie und Zahlen, die mit einem Börsengang einhergehen. Häufig tritt die Angst auf, die Konkurrenz könne einem dann zu einfach «in die Karten schauen». Die Erfahrung zeigt jedoch, dass relevante Geschäftsgeheimnisse und Erfolgsgründe nicht in Geschäftsberichten nachlesbar sind. Im Gegensatz schafft ein öffentlicher Geschäftsbericht Vertrauen bei den Stakeholdern und ist ein Zeichen der Stärke.

wahrgenommen werden. Grund dafür ist die fehlende Kommunikation. Ein Börsengang ändert dies: Allein durch die Entstehung eines Aktienkurses und dessen Bewegungen entsteht per se Öffentlichkeit. Die Aktien werden gehandelt und Analysten sowie Medien sprechen über das Unternehmen. Auf diese Weise entsteht eine Investment-Story, die selbstständig gepflegt und kommuniziert werden kann. Dadurch wird das Markenbewusstsein innerhalb der Firma erhöht, und auch auf Seiten der Kunden wächst die Bekanntheit.

Professionalität dank klarer Strukturen

Gleichzeitig bewirkt der Gang an die Börse eine breitere Abstützung. Selbst gegründete Firmen haben zwar mittlerweile teils Hunderte von Mitarbeitern und doch wird fast die gesamte Verantwortung von nur einer Person, eben dem Gründer, geführt und getragen. Auch hier kann ein Börsengang Abhilfe schaffen: Die Firma wird breiter abgestützt, es gibt eine Governance sowie eine klare Verteilung und Regelung der Verantwortlichkeiten. Dies wirkt sich positiv auf die Stabilität der Firma aus.

Ein Börsengang braucht vorab ein paar Grundvorkehrungen: Meist geht es darum, die Führungsequipe breiter aufzustellen, neue Verwaltungsratsmitglieder zu berufen und zusätzliche Reporting-Instrumente einzuführen. Dies sind jedoch alles Massnahmen, die zur modernen Unternehmensführung gehören und für ein wachsendes Unternehmen früher oder später sowieso zur Pflicht werden. Denn Governance Standards, klare Strukturen und eine Strategie sind Grundlage eines professionellen Unternehmens.

Mehr Öffentlichkeit generieren

Gerade CFOs betonen die Vorteile dieser subtilen Errungenschaften, die aus den Anforderungen eines IPO hervorgehen, immer wieder. Ziele werden klarer definiert, Arbeitsschritte konsequenter, Wissen erweitert, Prozesse sinnvoller und das Unternehmen wird straffer geführt. Insgesamt

Gleichzeitig profitieren Unternehmen gerade durch diese Transparenz von mehr Visibilität. In der Schweiz gibt es zahlreiche Unternehmen mit ausserordentlicher wirtschaftlicher Leistung, die aber kaum

kann man von einer Festigung des Unternehmens sprechen, was wiederum mehr Stabilität gibt.

Chancen eines Börsengangs Ein Unternehmer muss sich den Folgen eines Börsengangs bewusst sein. Es entsteht kurzfristig ein Zusatzaufwand, doch gleichzeitig öffnen sich für ihn und sein Unternehmen zahlreiche neue Möglichkeiten und Chancen. Entscheidet er sich für diesen Weg, muss er davon überzeugt sein. Nur so führt der Prozess zum Erfolg und wird Ausgangslage für eine erfolgreiche Wachstumsstory. Für den Prozess eines Börsengangs können Unternehmen auf Banken, Berater und Fachpersonen zurückgreifen. Sie unterstützen das Management und insbesondere die CEOs und CFOs bei den Vorkehrungen für die bevorstehenden Roadshows bei potenziellen Investoren. Grundlage dafür ist meist eine glaubwürdige «Equity Story», die auch langfristig als Basis für eine gute Kommunikation und die Intensivierung bestehender Beziehungen dient.

Firmenportrait Euronext ist die führende paneuropäische Börse mit Sitz in Amsterdam. Insgesamt sind 1 200 börsenkotierte Unternehmen gelistet, die Ende April 2019 eine Marktkapitalisierung von 3,8 Billionen Euro aufwiesen. Die Euronext betreibt regulierte und transparente Aktien­und Derivatemärkte und ist das weltweit grösste Zentrum für die Kotierung von Anleihen und Fonds. Je nach Definition werden mehr als 950 KMU bei Euronext gehandelt, circa 422 von diesen sind Technologiefirmen. Euronext bietet Schweizer Unternehmen mit internationalen Ambitionen und Potenzial ein Sprungbrett.

Søren Bjønness ist Direktor bei Euronext Schweiz. Die Frage nach dem strategischen Vorgehen will gut überlegt sein.

www.euronext.com/en

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Menschen in Unternehmen

ContractLogistics24 erkennt das Potential von ungenutzten Gewerbeflächen.

Platz für Ideen FLEXIBLE GEWERBE- UND BÜROFLÄCHEN FÜR KMU IN OBERENTFELDEN von Swenja Willms

Die Arbeitsweisen und damit auch die Anforderungen an Büroräume ändern sich. Flexibilität und gemeinsam genutzte Infrastrukturen sind heute gefragt. Ebenso ist der Arbeitsweg ein Thema und das Reduzieren von CO2 und Staustunden. ContractLogistics24 stellt das erste KMU Center vor, das Coworking mit Gewerbeflächen verbindet.

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ktuell wächst der Gewerbe- und Logistikimmobilienbestand noch, aber erste Zeichen einer Sättigung sind in der Deutschschweiz durch längeren Leerstand erkennbar. Dies gilt vor allem für Altliegenschaften mit geringen Raumhöhen. Für solche Objekte müssen vermehrt Mieter ausserhalb der Logistikbranche gefunden werden.

werden kann. Auf dem Weg zur Vertragsunterzeichnung wird mit viel Erfahrung auf die verschiedenen Mieteranliegen eingegangen und Vermieter- und Mieterausbauten detailliert beschrieben. So sind die Aufgaben definiert und es ist vor Mietbeginn klar, wer welche Kosten am Ausbau trägt.

Auf der Suche nach neuen Nutzern und Mietern für eine Gewerbe-Logistikimmobilie steht die ContractLogistics24 AG mit Rat und Tat zur Seite. Das Unternehmen unterstützt Vermieter bei der Gestaltung des Mietangebots und zeigt beispielsweise auf, welche baulichen Massnahmen notwendig sind, damit in nützlicher Zeit ein neuer Mieter für die Immobilie gefunden

Das KMU Center in Oberentfelden bietet seit April 2019 klassische Büros-, Shared Office-Zonen, Werkstatt-, Produktionsflächen und Atelierräume an einem verkehrsgünstigen Standort. Das KMU Center in Oberentfelden unterscheidet sich zu klassischen CoWorking / Shared Office dahin, dass im selben Gebäude eigene, für unterschiedliche Unternehmungen exklusive

KMU Center in Oberentfelden auf 3 500 Quadratmetern

Werkstatt- oder Produktionsräume, Atelier und anders genutzte Gewerberäume eingerichtet werden können. Kunden teilen mit anderen innovativen Unternehmungen die Sozialräume, erledigen Korrespondenz im CoWorking / Shared Office, reservieren Sitzungszimmer und Showroom ad hoc für Kundenanlässe und arbeiten parallel mit Mitarbeitern in den für die Unternehmung individuell ausgebauten Mietflächen. Auf drei Etagen bietet das KMU Center für jedes Unternehmen und die unterschiedlichsten Bedürfnisse einen passenden Gewerberaum oder eine Bürofläche. Das Gewerbehaus befindet sich nur drei Autominuten von der Autobahnausfahrt A1 Aarau West entfernt. Es sind genügend Parkplätze vorhanden. Für einen reibungslosen Güterumschlag stehen zwei moderne Heckverladerampen mit und ohne Bühne zur Verfügung. Logistische Dienstleistungen können vom ansässigen Logistikunternehmen bezogen werden.

Swenja Willms ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU In Shared Office-Zonen arbeiten verschiedene innovative Unternehmungen zusammen.

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www.contractlogistics24.com


Menschen in Unternehmen

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Menschen in Unternehmen

Dr. Axel Müller und ein Neandertaler, der uns genetisch einiges auf den Weg gegeben hat.

Der Neandertaler in uns Archaische Empfehlungen für ein besseres Arbeitsleben Interview mit Dr. Axel Müller von Georg Lutz

Ein Blick in die Evolutionsgeschichte des Homo sapiens und des Neandertalers kann uns helfen, die Herausforderungen des modernen Arbeitslebens besser zu bewältigen. Dr. Axel Müller ist von Haus aus Apotheker und Pharmakologe und hat so ganz andere Perspektiven, wie wir beispielsweise mit Stress besser umgehen und eine Unternehmenskultur schaffen können, die Gesundheit ins Zentrum stellt.

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eim Stichwort Neandertaler haben wir eindeutige Bilder im Kopf. Er ist ein wilder Geselle und kommt in seinem zotteligen Pelzmantel doch sehr brachial daher. Die neuere Forschung belegt aber, dass er mit dem Homo sapiens viele Ähnlichkeiten hatte und wir noch heute einige Gene vom Neandertaler in uns tragen. Was heisst das für Sie? Der Neandertaler war tatsächlich nicht der tumbe Geselle, als der er früher dargestellt wurde. Er hat Bilder gemalt, hat

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seine Toten bestattet und hat ein bemerkenswertes Sozialverhalten an den Tag gelegt. So hat er sich um alte Familienangehörige gekümmert, da er wusste, dass diese für die Kindererziehung wichtig waren, um das Wissen weiterzugeben. Die Wege des Neandertalers und des Homo sapiens haben sich auch in vielfältiger Weise gekreuzt. So hatten sie Sex miteinander. Aus diesem Grund sind vier Prozent unserer Gene direkt auf den Neandertaler zurückzuführen.

Das macht auch evolutionsbiologisch Sinn. Als der Homo sapiens vor ungefähr 40’000 Jahren aus Afrika hier in Europa ankam … … da lebte der Homo sapiens in sehr prekären Verhältnissen. So war seine Population phasenweise viel zu gering, um zu überleben. Richtig. Unser Genpool war durch Ereignisse wie Naturkatastrophen deutlich reduziert. Der Homo sapiens war zudem mit Bakterien, Viren und Pilzen konfrontiert,


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die er aus Afrika gar nicht kannte. Das war eine sehr gefährliche Situation. Durch die Durchmischung mit dem Neandertaler hatten wir Zugang zu seinem Immunsystem. So konnte der Homo sapiens besser überleben. Es gibt ja auch später immer wieder solche historische Situationen. Als die Spanier und Portugiesen Anfang des 15. Jahrhunderts Lateinamerika eroberten, starben die Indianer weniger durch direkte Gewalteinwirkung, sondern an Krankheiten, die sie nicht kannten. Das heisst, genetische, kulturelle und soziale Vielfalt stärkt uns eher? Evolutionsbiologisch auf jeden Fall. Wir können uns einfach besser an unsere Umwelt anpassen und sind auch robuster gegen Gefahren gewappnet. Die genetische Vielfalt ist ganz klar ein Überlebensvorteil. Politisch ist das in Zeiten, da Multikulti in Teilen des politischen Spektrums wieder ein Schimpfwort geworden ist, nicht unumstritten. Hier können wir zunächst festhalten: Wir kamen aus Afrika und haben uns immer wieder vermischt. Was die selbsternannten Retter des christlichen Abendlandes nicht gerne hören werden: Jesus war bekanntlich ein Morgenländer und der heilige Augustinus ein Afrikaner. Allerdings: Trotz aller Optimierungen der Evolution ist der Mensch weiter ein sehr unvollständiges und fragiles Wesen. An welchen zentralen Punkten lässt sich dies festmachen? Wir sind als Mensch nicht das Optimum der Entwicklung … … obwohl wir uns manchmal so verhalten. Wir mussten immer Kompromisse eingehen, auch um zu überleben. Wir haben doch einige Macken und Fehler. Wenn man die Reset-Taste drücken könnte, würde man nicht auf die Idee kommen, den Menschen nochmals genau so zu bauen. Das müssen Sie jetzt begründen. Wir haben uns in der afrikanischen Savanne von vier Gliedmassen aus aufgerichtet und haben so einen Überblick bekommen. Das war wichtig für uns. Wir haben den Löwen früher gesehen und bekamen die Hände zum Greifen und zur Werkzeugerstellung frei. Frauen konnten

die Kinder viel besser tragen und Früchte pflücken. Das hat das Gehirnwachstum freigesetzt und wir wurden kreativer. Der Nachteil war, dass das gesamte Körpergewicht auf zwei Beinen lastet. Der Druck auf die Bandscheiben nahm zu. Unser Rücken ist schlicht nicht dazu gemacht, auf zwei Beinen zu stehen. Daher ist es noch heute wichtig, den Rücken zu stärken. Da sind wir im «Hier und Jetzt» gelandet. Ja, wir sitzen viel zu viel. Wo haben wir weitere Schwachpunkte? Wir verschlucken uns schnell einmal. Bekanntlich ist ein früherer US-Präsident beim Essen einer Brezel fast erstickt. Wenn wir einatmen, muss die Speiseröhre verschlossen sein, und wenn wir essen, muss die Luftröhre kurz verschlossen sein. Dieser Nachteil, den Tiere nicht kennen, war bei uns zivilisatorisch wichtig, damit wir beim Essen auch kommunizieren können. So hat sich das soziale Wesen «Mensch» herausgebildet. Ja, wir sitzen alle um das Feuer, grillen ein Mammut-Steak und erzählen uns Geschichten. Der Urmensch musste weit laufen, um an Nahrung zu kommen. Die Nahrung war nicht wie heute vorpräpariert.

Homo sapiens musste im Durchschnitt acht Kilometer laufen, um eine Knolle ausgraben zu können, die essbar war. Wenn es im seltenen Fall hochwertiges und frisches Fleisch gab, war das Ziel, so schnell und so viel wie möglich davon zu essen. Man konnte so Reserven anlegen. Da man nicht wusste, ob es in den nächsten zwei, drei Tagen wieder etwas zu kauen geben würde. Diese Verhaltensmuster sind weiter in uns drin. Wir lieben salzige und fette Speisen – und wir lieben vor allem Zucker. Heute leben wir immer noch mit unseren Steinzeitgenen und bewegen uns aber kaum mehr. Ich würde das gerne noch vertiefen, da es für mich ein Knackpunkt ist. Häufig heisst es, wir würden in einer Wissensgesellschaft leben. Das ist vor dem Hintergrund, den wir gerade besprechen, aber falsch. Wir leben doch in einer Gesellschaft, in der Wissen gelehrt und Unwissen praktiziert wird. Am Beispiel der Klimapolitik lässt sich das ja auch gut aufzeigen. Evolutionär ist das einfach und klar begründbar. Wir haben ein sogenanntes Belohnungszentrum im Gehirn. Wenn wir 

Es gab noch kein Convenience Food. Daran war noch nicht zu denken. Wir mussten stundenlang auf Pflanzen herumkauen, um an Nährstoffe zu gelangen. Dazu brauchten wir einen grossen Kiefer. Heute nehmen wir nur noch weichgekochte Nahrung zu uns. Früher brauchten wir die Weisheitszähne noch, um die Pflanzen und das Fleisch zu zermahlen. Heute sind sie überflüssig, sind uns lästig und müssen gezogen werden, da unsere Kiefer über Jahrtausende kleiner geworden sind. Springen wir zurück in heutige Lebenswelten und bleiben bei Ernährungsgewohnheiten. In jedem Kommunikationskanal gibt es heute Kauf- und Kochtipps, wie wir uns gesund ernähren sollen. Diäten sind immer noch ein Verkaufsschlager. Trotzdem werden wir immer dicker und Zivilisationskrankheiten nehmen zu. Es gibt eine Lücke zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir tun. Haben Sie als Pharmakologe eine Erklärung dafür? Da spielt uns der Urinstinkt ein Schnippchen. Der Neandertaler oder auch der

Dr. Axel Müller

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salzig, süss und fettig essen, werden Botenstoffe freigesetzt. Dopamin und Serotonin und Oxytocin heissen diese übermächtigen Botenstoffe des Glücks. Obwohl wir wissen, dass uns langfristig das Verhalten schädigt, schwelgen wir im kurzfristigen Glück. Das ist in der Klimapolitik nicht viel anders. Wir wollen die dicken SUVs fahren und möglichst oft auf die Malediven fliegen. Heisst das bei den Lösungen, dass wir alternative Belohnungssysteme brauchen, die kurzfristig angelegt sind. Also nicht «Verzichte auf Fleisch, dann hilfst du dem Klima», sondern mehr «leckere, indische Küche, die ja viel weniger Fleisch beinhaltet»? Evolutionsbiologisch kann ich hier zustimmen. Wir brauchen kurzfristige Belohnungssignale. Und die Kunst ist nun, diese mit den langfristigen Zielen zu verknüpfen. Kommen wir zur heutigen Arbeitswelt. Offensichtlich sitzen wir nicht nur zu viel, der Stress nimmt auch zu. Den kennen wir evolutionsbiologisch gesehen eigentlich auch. Heute stehen aber keine Säbelzahntiger vor uns, sondern wir fühlen uns von der Datenflut überfordert oder sinkende Umsätze bereiten uns schlaflose Nächte. Was macht dies mit uns aus medizinischer Sicht? Das schnelle Erkennen der Gefahrensituation war überlebensnotwendig. Heute hilft es uns, proaktiv zu denken.

«Für mich heisst das zentrale Stichwort dazu Resilienz.» Früher gab es zwei Lösungswege. Flüchten oder kämpfen. Was passiert da im Körper? In beiden Situationen ist der Mensch sehr aktiv. Die Sinne müssen geschärft werden, der Blutdruck steigt, die Muskulatur braucht Zucker. Alles andere wird für den Körper nebensächlich. Adrenalin und Cortisol sind hierfür bei uns die Stresshormone. Sie helfen uns zu kämpfen oder zu fliehen. Und was heisst dies in heutige Arbeitswelten übersetzt? In der Steinzeit konnten wir durch einen langen Lauf nach einem Kampf die Stresshormone wieder abbauen. Stellvertretend für den Säbelzahntiger steht heute der Chef vor uns, der in zehn Minuten eine Präsentation für das Board will. Auch hier haben wir es mit einer Bedrohungs- und

Früher konnte der Urmensch seinen Stress abbauen, heute ist das viel schwieriger geworden.

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Angstsituation zu tun. Ich habe Angst vor dem Versagen und weiss, dass ich das nicht in zehn Minuten schaffen kann und mir auch niemand hilft. Ich fühle mich dem Chef ausgeliefert. Körperlich passiert das Gleiche wie damals in der Steinzeit: Der Blutdruck geht hoch und die Körperspannung steigt. Nur kann ich weder fliehen, um so dem Chef zu entkommen, noch kann ich dem Chef eine Keule über den Kopf ziehen. Das ist üblicherweise heute keine Lösung mehr. Ich sitze da mit einem roten Kopf und kann die Stresshormone nicht abbauen. Wenn solche Situationen zyklisch immer wieder auftauchen, führt dies zu den Nebenwirkungen, die Dauerstress auslösen. Am Schluss steht ein Burn-out. Jetzt müssen wir zu den Lösungen kommen. Wobei ich ja oft heute nicht mehr mit konkreten Personen zu tun habe – der klassische Patron ist ja auch eine aussterbende Spezies. Vielmehr habe ich mit anonymen Sachzwängen zu kämpfen. Ja, das sind riesige Probleme und gewaltige Herausforderungen. Mehr denn je ist jeder von uns persönlich gefordert, in diesem Umfeld zu bestehen. Für mich heisst das zentrale Stichwort dazu «Resilienz». Konkret, wie gehe ich persönlich mit dem auf mich ausgeübten Druck um? Resilienz kann vererbt werden. Wenn das nicht oder zu wenig der Fall ist, muss ich zunächst wissen, was mit meinem Körper passiert. Kurzfristig passiert wenig, und im jugendlichen Alter können wir viel wegstecken. Je älter wir im Leben und damit auch im Arbeitsleben werden, reden wir vom «toten Winkel der Evolution». Wir müssen da viel mehr auf unseren Körper hören. Die Evolution war nicht darauf angelegt, so alt zu werden und dabei gesund zu bleiben. Rein von der Evolution betrachtet sollten wir uns nur reproduzieren. Damit wäre unser «Auftrag» als Mensch erfüllt. Heute werden wir aber immer älter und sollten mehr in uns hineinhören. Wenn ich das mache, habe ich schon den halben Weg geschafft. Die konkreten Lösungen hören sich dann ziemlich banal an, sind aber sehr wirkungsmächtig. Muss ich wirklich 24 Stunden erreichbar sein? Treibe ich genügend Sport? Pflege ich meine sozialen Kontakte und Beziehungen? Es braucht Zeiten und Räume, in denen ich abschalten kann. Der Dauerstress führt dazu, dass ich den Säbelzahntiger dauernd vor mir sehe.


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arbeiten. Vielmehr sollten sie Vorbild sein, dass sie sich gesund ernähren und ausreichend Sport treiben. Die Evolution ist langsamer wie die vierte industrielle Revolution. Sie hört aber trotzdem nicht auf? Diese Umwälzungen verändern uns Menschen als biologische Wesen. Vor gut hundert Jahren arbeiteten wir mehrheitlich noch in handwerklichen Rahmen oder in der Landwirtschaft. Das war körperlich sehr anstrengend, wir haben uns bewegt und waren abends sehr müde. Die Fliessbandarbeit war sehr einseitig und es hat veränderte Krankheitsbilder gegeben. So nahmen die Rückenprobleme massiv zu. Jetzt mit der Digitalisierung bewegen wir uns immer weniger, und wir werden auch zunehmend kurzsichtig. 90 Prozent der asiatischen Bevölkerung sind kurzsichtig, in Europa sind es 50 Prozent. Unser Auge ist zunehmend nur auf den Nahbereich, sprich, auf die vielen Bildschirme, gerichtet. In der Folge wächst das Auge in die Länge. Dadurch wird der Brennpunkt durch die Linse vor der Netzhaut abgebildet. Die Folge heisst Kurzsichtigkeit. Diese Kurzsichtigkeit vererben wir auch weiter. Unser Belohnungszentrum im Gehirn drängt rationale Verhaltensweisen an den Rand.

Wie hilft mir der Neandertaler in der Bewältigung von Arbeitsstress? Er hilft uns, unser Bewusstsein zu schärfen. Wir sollten uns selbst auf Fragen sensibilisieren, wie beispielsweise «Was läuft gerade in meinem Körper ab?», «Wie kann ich durch eine angepasste Lebens- und Ernährungsweise meine Resilienz stärken?». Am Schluss müssen wir aber noch zu den aktuellen Umwälzungen in unserem Wirtschaftsleben kommen. Künstliche Intelligenz (KI) ist da nur ein Schlagwort. Wie entwickelt sich das Verhältnis von Mensch und Maschine weiter? Wir wissen es noch nicht und haben nur historische Erfahrungen. Die starre Fliessbandproduktion im Rahmen der zweiten industriellen Revolution, zusammen mit der tayloristischen Zerlegung des Arbeitsprozesses, hat die Arbeitswelten vom früheren Manufakturwesen völlig auf den Kopf gestellt. Dann kam ab den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts die

flexible Automation mit den ersten Fertigungsrobotern. Was kommt jetzt und was macht das mit uns? Firmenlenker, die sich mit Themen wie Industrie 4.0 oder KI auseinandersetzen, sollten wissen, dass sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen, die immer noch Steinzeit-Gene in sich haben. Die industriellen Revolutionen sind immer schneller als genetische Veränderungen. Die Kunst liegt darin, die Beschäftigten angstfrei mitzunehmen und ein positives Belohnungssystem einzuführen. Sonst nehmen die oben geschilderten Versagens- und Existenzängste zu – mit all ihren Konsequenzen. Darüber hinaus sollte Gesundheit bereits als Fach in der Schule gelehrt werden. Firmen, die den Gesundheitsstatus ihrer Mitarbeiter als KPI in ihre Firmenziele integrieren, sind auch finanziell erfolgreicher und punkten im Wettbewerb um die besten Talente im Markt. CEOs sollten nicht mehr martialisch damit prahlen, dass sie mit vier Stunden Schlaf auskommen und die restlichen 20 Stunden

Nochmals gefragt: Was heisst das? Die Evolution geht weiter. Der Homo sapiens wird durch Maschinen, Eingriffe in das Genom und durch Künstliche Intelligenz genetische Nachteile wieder wettmachen. Technisch gesprochen sollte aber das alte genetische Set-up, der Neandertaler in uns, immer wieder synchronisiert, beziehungsweise bewusst gemacht werden, da wir nach wie vor mit unseren Steinzeitgenen in einer sich rasch veränderten Welt leben und die natürliche Evolution mit diesem Tempo gar nicht Schritt halten kann.

Dr. Axel Müller ist promovierter Apotheker, Pharmakologe und Gesundheitsexperte. www.facebook.com/derNeandertalerinuns

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Der Sound stimmt – oder auch nicht Die Wirkungsmacht von Agilisierung und anderen Trendbegriffen von Stefan Häseli

Im Rahmen des beschworenen Zeitalters der Digitalisierung werden wir mit Begriffen, die sehr wichtig daherkommen überschwemmt. Da kann manchmal nur noch das Kabarett helfen, um die Situationen ironisch zu brechen und uns auf den Boden der Realität zurückzuführen.

Bühne frei für die Sichtweise des Kabaretts.

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chlagworte wie Industrie 4.0, digitale Transformation und disruptive Technologien treiben die Unternehmen um und stellen sich als zentrale Herausforderungen unserer Zeit dar. Von allen Seiten bekommen Unternehmer, Entscheider und Führungskräfte gute Tipps, wie sie solche Themen im Alltag besser oder sogar stressfrei bewältigen. Und da darf die Agilität nicht fehlen! Mitunter kann genau das zu so mancher Absurdität in der Chefetage führen – so erfährt und erlebt das auch Hannes. Der 49-jährige studierte Betriebswirt ist Produktionsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung eines internationalen Industriekonzerns. Er gewährt einen Einblick, was auf der Management-Etage so gedacht und

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getan wird – erst recht, wenn es um agile Projekte geht. Übrigens: Ein Schmunzeln aufgrund dieser Business-Satire ist hier durchaus erlaubt …

Der Prozess und die Sinnfrage Die Zeiten stehen auf digital und agil. Da muss Hannes durch, das Unternehmen will (zumindest in der deklarierten Aussensicht) den Anschluss nicht verlieren. Zuerst wird die HR-Abteilung versuchsweise agil aufgestellt. Der Auftrag lautet wörtlich, dass sich die besagte HR-Abteilung als Pilotprojekt «agilisiert». Hannes wird dieses Projekt schliesslich auch in der Produktionsabteilung umsetzen und gehört damit zum SBC (Sounding Board

Commitee), das der pilotierenden Abteilung rückmelden muss, wie die Agilisierung wirkt. Obwohl die Vorgabe klar ist: sie MÜSSEN es machen. Und der CEO hat auch schon gesagt, WIE sie es tun müssen. Da gibt’s in der Tat wenig zu «sounden», aber Prozess ist Prozess. Man «soundet» einfach so lange, bis es dem Chef passt. Nicht, dass sich Hannes unnütz vorkommt, immerhin hat er eine politisch bestätigende Funktion inne. Im Versteckten aber schwappt die Sinnfrage doch ein wenig hoch. Dafür bleibt indessen jetzt keine Zeit. Es gilt, den Prozess zu starten. Die HR-Abteilung macht zum Auftakt einen Workshop. Unbestrittene


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sich besser anhört, darf nicht vergessen werden, dass die Agilität und Digitalisierung irgendetwas verbessern sollten. Darum reicht es nicht, einfach mal einen Namen auszuwechseln. Es gilt, haarscharf zu überlegen, was jetzt aus welchem Grund wirklich besser werden soll und was man besser, genauer, effizienter, kostengünstiger, kundenfreundlicher machen kann.

Businessanalyse mit Augenzwinkern: Stefan Häseli

Tatsache ist, dass «agil» beweglich heisst. Unerklärlicherweise herrscht die Meinung auch vor, dass «agil» gleichzeitig auch «nicht-mehr-durchdenken-sondern-einfach-mal-machen» bedeutet.

«Ist ja eh alles vorgegeben.» Der nächste wirft in die Runde: «Wir sind ein tolles Team und bereits jetzt total agil.» Die Stichworte landen im Boarding-Protokoll, das Hannes nun sounden muss.

Sinnentleerter Sound

Hannes überlegt, wie der Workshop und die Aussagen auf ihn wirken. Die Glaubwürdigkeitsfrage eines in sich nicht kongruenten Prozesses darf er nicht stellen. Er beschliesst folglich, sich auf die Rückmeldung «wirkt professionell und sprachlich absolut verständlich» zu beschränken. Gleichwohl liest Hannes Literatur zum Thema und beginnt sich die Frage zu stellen, ob wirklich alle alles verstanden haben.

So funktioniert «agil»: Alles ist perfekt verordnet. Diese Arbeitsweise ist übrigens auch die verinnerlichte Haltung der HRLeitung. «Gib vor, was die Leute zu tun haben, damit sie wissen, was und wie sie es tun sollen.» Doch wie passt das zur neuen Agilität? Im internen Workshop wird darüber diskutiert: agil heisst jetzt, nicht mehr alles zu sagen, was man meint, es dann umsetzen zu lassen, um es dann am Schluss trotzdem zu sanktionieren. Wieder ein anderer meint, dass es gar nicht möglich sei, dass HR agil sein könne.

Tipps für die agile Welt

>> New Work ist mehr als nur ein neues Vokabular im Management. >> Neue Ansätze müssen ein Ziel und einen Sinn haben, sonst bleibt es Selbstzweck. >> Das Tempo des Wandels, genau wie die Abflachung von Hierarchien, brauchen funktionierende Beziehungen. >> Beziehungen finden spätestens beim letzten Punkt von einem realen Menschen zum anderen realen Mensch statt. >> Beziehung gepflegt wird in erster Linie durch gute, menschliche Kommunikation.

Denn er selbst versteht die Welt nicht mehr. Er beginnt disruptiv zu denken, stellt den ganzen «jetzt-machen-wir-einfach-alles-agil-und-ändern-trotzdemnichts» in Frage und ist froh, dass agil grundsätzlich mit beweglich übersetzt wird. Ein agiles Zielbild heisst beispielsweise, dass man sich mal da und mal dort, oder vielleicht doch nicht einigt, welchen Nutzen der Kunde hat. Irgendwie lässt ihn «agil» nicht mehr los. Er beginnt sich selbst zu sounden und verliert völlig den inneren Halt, was nun gilt. JETZT ist Hannes wohl selbst im agilen Zeitalter angekommen ...

Willkommen im agilen Zeitalter Modern heisst nicht nur, die Begriffe auswechseln. Auch wenn es hie und da vorkommt, dass «kollegiale Fallberatung» in der Verpackung «Community of Practice»

Die Verflachung der Hierarchien, Automatisierung und Digitalisierung sind klar erkennbare Entwicklungen, die Veränderungen mit sich bringen. Immer mehr Prozesse funktionieren allerdings nachweisbar nur, wenn auch die zwischenmenschliche, interne und Team-interne Kommunikation auf höchstem Niveau gelebt wird. Je digitaler die Welt, desto zentraler werden sauber gestaltete Beziehungen.

Zum Weiterlesen Best Practice Leadershit –  Absurde Wahrheiten aus den Chefetagen von Stefan Häseli 2018, Verlag BusinessVillage ISBN 978-3-86980-454-5 192 Seiten

Stefan Häseli ist Schweizer Business-Kabarettist, ausgebildeter Schauspieler, gefragter Entertainer und Comedian. www.atelier-ct.ch

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kolumne

die Power der Kommunikation? von Mariella de Matteis

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enn der Altruismus den Menschen, die sich beruflich mit anderen Menschen auseinandersetzen, im Weg steht herrscht Handlungsbedarf. Es gibt die Menschen, die gerne mit Menschen arbeiten – nennen wir sie an dieser Stelle Mensch-Menschen –, und es gibt die anderen. Dies ist mal eine ganz rudimentäre Betrachtungsweise zweier Typen in der Arbeitslandschaft. Schauen wir uns nun die MenschMenschen etwas genauer an. Sie tun alles – wirklich alles –, damit es ihren Gegenübern wohl ist, sei dies im Service, im Gesundheitsbereich oder im öffentlichen Sektor. Wahrheit oder Lüge? In dieser Energie steckt oft der Wille – und manchmal auch der Drang – das Gegenüber «glücklich» zu sehen. So würden sie auch antworten, wenn die Frage käme, warum machst du deinen Job gerne. «Ich mag Menschen und bin glücklich, wenn sie es auch sind.» In diesem Drang – wohlgemerkt nach aussen gerichtet – wird oft vergessen, sich selbst ein wenig Glück zu gönnen, nicht erst dann, wenn durch eine Interaktion das Gegenüber zufrieden ist. So kommt es, dass zum Beispiel Teilnehmende in Kundenorientierungs-Seminaren oder Kommunikations-Seminaren nach Checklisten rufen: «Was kann ich sagen/tun, wenn ..?» Aussenorientierung oder Innenreflektion? Hilfeschrei oder gesunder Menschenverstand? In spezifischen Kommunikationsseminaren, zu denen gerade diese Klientel gerne hingeht, liegt die Erwartung zu 90 Prozent im Erhalten von Weisungen, Tipps und Tricks und dem darin starken Bedürfnis, sich nach Regeln verhalten zu können. Nicht selten sind diese Teilnehmenden enttäuscht, weil die Inhalte des Trainings ihnen wenig Sicherheit geben, keine Checklisten enthalten und schon gar keine Garantie für ein Gelingen in der Umsetzung. Warum ist das so? Betrachten wir das Phänomen etwas genauer. Wir schauen uns zum Beispiel ein bekanntes Kommunikationsmodell von Marshal Rosenberg an, die Gewaltfreie (oder auch Konstruktive) Kommunikation. Die Teilnehmenden sind begeistert. Sie entdecken

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darin eine der vielen Möglichkeiten, in schwierigen Situationen dem Gegenüber begegnen zu können. Und zack, sie haben einen Tipp! Zu Recht kommen nun die einzelnen Stimmen: «Ja funktioniert das denn?» oder «Was mache ich dann, wenn’s nicht funktioniert? Da blamiere ich mich ja …» Kein Wunder, solange die Teilnehmenden diese Art von Kommunikationsmodellen als «Lösung» sehen, die sie abhaken können, werden sie auch eher mit Skepsis die Herausforderung bearbeiten. Erst dann, wenn sie ein solches Modell als Beitrag zur eigenen Entspannung sehen, erhalten sie innere Stärke und Power. Kleine Metapher dazu: Im Flugzeug erklärt uns die nette Stewardess (oder der nette Steward) vor Antritt des Flugs, wie die Passagiere sich im Notfall verhalten sollen und können. Eines davon ist die Aufforderung, wenn bei Druckabfall in der Kabine das Atmen schwer wird, die dann vor einem baumelnde Maske aufzusetzen. Jede einzelne Person ist dann aufgefordert, zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske anzuziehen und sich erst dann dem Nachbar oder Nachbarin zu widmen. Und ja, es hat nichts mit Egoismus zu tun, wohl eher mit der Bündelung der eigenen Power, um nach aussen wirken oder sich verhalten zu können. Die Kraft liegt erstmal in uns, sammeln wir sie – zum Beispiel durch Anwendung eines solchen Modells – und schauen wir, wie es dann dem Gegenüber geht. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die Kraft sich überträgt.

Mariella de Matteis ist diplomierte Kommunikationstrainerin NDS HF und seit 2002 selbstständige Beraterin, Trainerin und Coach. www.mdm-training.com



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Wer seine Mitarbeitenden in Achtsamkeit trainiert, profitiert von ausgeglichen und motivierten Angestellten.

Vital im Büro Jedes Unternehmen kann Gesundheit fördern von Patrick Preuss

Ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement ist auch in KMU möglich. Denn nicht die Quantität der Massnahmen zählt, sondern die richtige Einbettung in die Organisation. Mit wenigen Mitteln können Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation der Mitarbeitenden gesteigert werden.

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eht es um betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in KMU, beginnt schnell die Diskussion um die Unternehmensgrösse. Das vorschnelle Fazit: wir sind zu klein, um Gesundheitsförderung bezahlbar und effektiv zu betreiben. Ein Trugschluss, denn auch wenn Grossbetriebe über mehr Ressourcen verfügen, können KMU schneller und kostengünstiger agieren.

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Einerseits, weil in vielen Betrieben – oft unbewusst – bereits gesundheitsförderliche Massnahmen umgesetzt werden. Andererseits, weil sich gerade aufgrund der geringeren Unternehmensgrösse Massnahmen viel schneller in den Arbeitsalltag integrieren lassen und Wirkung erzielen. Wer also den Initialaufwand auf sich nimmt, die bisherigen Aktivitäten zu systematisieren und BGM fest in der Or-

ganisation zu verankern, erarbeitet sich Wettbewerbsvorteile und kann auf motivierte Mitarbeitende zählen. Unterstützung in der Anfangsphase bieten spezialisierte Beratungsunternehmen. Sie bringen das nötige Know-how mit und geben Auskunft über die benötigten personellen und finanziellen Ressourcen. Eine Zertifizierung für erfolgreich umgesetztes


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BGM – Grundlagen und Trends

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag von Corinne Baumgartner und Nicolas Burger, Mitarbeiter der Conaptis GmbH, im 2018 veröffentlichten Bericht «BGM – Grundlagen und Trends: Fokus auf psychische Gesundheit» von Gesundheitsförderung Schweiz. Den Bericht 7 finden Sie auf der Webseite von Gesundheitsförderung Schweiz unter Publikationen.

Betriebliches Gesundheitsmanagement muss jedoch nicht von Anfang an primäres Ziel sein. Qualitätskriterien, wie die des Labels Friendly Work Space, bieten jedoch hilfreiche Orientierung. Beispiele wie die Fröhlich Architektur AG oder die Process Partner AG mit jeweils rund 30 Mitarbeitenden zeigen, dass kleinere Unternehmen BGM systematisch umsetzen können.

Die Grundlage muss stimmen Kurz zusammengefasst geht es beim systematischen BGM um drei Dinge: das Schaffen der geeigneten organisatori-

schen Rahmenbedingungen, die Ermittlung des aktuellen Gesundheitszustandes sowie der wahrgenommenen Belastungen und Entlastungsfaktoren seitens der Mitarbeitenden und schliesslich um die bedarfsspezifische Umsetzung von gesundheitsförderlichen Massnahmen. Die bestehende Organisation vollständig umkrempeln muss niemand, denn ein wichtiges Merkmal für gesundheitsförderliche Bedingungen ist in KMU bereits gegeben: einfache Strukturen. Ebenso bringt es die Unternehmensgrösse meist mit sich, dass die Führungs- und Arbeitskultur sinnvolle Arbeitsgestaltung und Mitsprachemöglichkeiten erlauben. Zu klären ist noch die Frage, wer welche Rolle im BGM übernimmt und was unter dem BGM-Dach zusammengefasst wird. Neben diesen organisatorischen Rahmenbedingungen sind die arbeitsbezogenen Kompetenzen aller Mitarbeitenden und das aktuelle Gesundheitsverhalten wichtige Handlungsfelder. Handlungsfelder für gesundheitsförderliche Massnahmen in der Organisation sind die Unternehmenskultur und das Betriebsklima, Personalprozesse, die Auf-

gabengestaltung und Arbeitsorganisation sowie das Arbeitsumfeld und Infrastruktur. In der Personal- und Führungsentwicklung liegen die Handlungsfelder im Führungsverhalten, im Team und der Zusammenarbeit sowie bei den individuellen (Arbeits-)Kompetenzen. Was das Gesundheitsverhalten der einzelnen Mitarbeitenden angeht, sind der Lebensstil – Bewegung, Ernährung, Erholung – und sicheres Verhalten, auch in der Freizeit, zu beachten. In KMU wird diese strategische Aufgabe von einem Geschäftsleitungsmitglied und/ oder der Inhaberin, dem Inhaber übernommen. Sie sind das Steuergremium und gegebenenfalls auch gleich verantwortlich für die operative Umsetzung.

Den Prozess starten In vielen Unternehmen finden sich bereits gesundheitsförderliche Elemente wie ansprechende Pausenräume, Gratisfrüchte, Bewegungsangebote, Schulungen für Arbeitskompetenzen wie Projektmanagement oder Firmenevents. Diese müssen nur noch richtig eingeordnet werden. Die Bestandesaufnahme der vorhandenen 

Frisches Obst für die Mitarbeiter aufzustellen trägt zur Gesundheit der Mitarbeitenden bei.

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Teilweises Arbeiten im Homeoffice reduziert die Erschöpfung bei den Mitarbeitenden.

gesundheitsrelevanten Angebote, Strukturen und Prozesse unterstützen Hilfsmittel wie der Friendly Work Space Check. Wichtig für das Führungsteam ist es, sich ein umfassendes Bild der Belastungen, Ressourcen, Motivation und Einstellung der Belegschaft zu machen. Dazu sollte das Führungsteam einerseits Personalkennzahlen erheben, aber auch die subjektive Sicht der Mitarbeitenden einbeziehen. Richtig zusammengeführt, zeigen die gewonnenen Informationen schnell die relevanten Bedürfnisse. Dabei helfen Checklisten und Online-Tools, die speziell für KMU-Bedürfnisse entwickelt wurden. Zur Erhebung einer subjektiven Sichtweise gibt es beispielsweise das Analyse-Tool Friendly Work Space Check. Dieses hinterfragt, wie weit BGM im Unternehmen entwickelt ist, wo die Stärken liegen und wo sich das Unternehmen verbessern kann. Ein Online-Befragungsinstrument ist die Friendly Work Space

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Job-Stress-Analysis, welche einen detaillierten Überblick über Belastungen und Ressourcen in einem Betrieb verschafft. Ein weiteres Analyse-Tool ist KMU-vital, ein onlinebasierter Werkzeugkasten, der praxiserprobte Arbeitsinstrumente für das Gesundheitsmanagement beinhaltet, zum Beispiel für die Befragung der Mitarbeitenden. Sind der aktuelle Stand sowie Lücken dokumentiert, können erste Verbesserungen in Angriff genommen werden. Für die Entwicklung von bedarfsgerechten Massnahmen sollten die Mitarbeitenden einbezogen werden. Ihre Partizipation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, denn so entwickelte Massnahmen sind näher am Berufsalltag und damit besser akzeptiert.

Die richtige Mischung Bei den gesundheitsförderlichen Massnahmen nur beim individuellen Verhalten anzusetzen, ist weniger wirkungsvoll als eine Kombination mit der Verbesserung

der strukturellen Verhältnisse. Ist beispielsweise Erschöpfung ein Problem, können auf Ebene Organisation flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Regelungen oder grössere Handlungsspielräume Abhilfe schaffen. Auf individueller Ebene können eine systematische Thematisierung von Arbeitslast, Zeitmanagement-Schulungen und ein freiwilliges Entspannungsangebot über Mittag die organisatorischen Massnahmen ergänzen. BGM systematisch im Unternehmen zu etablieren, ist aber keine Frage der Quantität an gesundheitsförderlichen Angeboten. Es gilt vielmehr, die abteilungsbeziehungsweise funktionsspezifischen Bedürfnisse zu kennen und konkret zu adressieren. Wie die Praxisbeispiele verdeutlichen, kann ein BGM-Verantwortlicher die Massnahmen nicht allein umsetzen. Themen wie Führungsentwicklung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung sind miteinander verzahnt und müssen gemeinsam angegangen werden.


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Praxisbeispiele BGM-Massnahmen Zum Beispiel kann ein Unternehmen gesundheitsförderliche Verhältnisse am Arbeitsplatz fördern und ergonomische Arbeitsmittel und Einrichtungen bereitstellen. Gleichzeitig kann es die arbeitsbezogenen Kompetenzen durch eine Beratung zu Ergonomie am Arbeitsplatz fördern und durch Instruktionen zu Bewegungsübungen die gesundheitsbezogenen Kompetenzen ausbauen. Ein anderes Beispiel ist das Einführen eines Absenzen-Managementsystems gepaart mit einem Kurs zu Zeitmanagement und Achtsamkeitstraining. Eine gesundheitsförderliche Struktur kann auch die Institutionalisierung von Gesundheitszirkeln sein, welche auf der arbeitsbezogenen Kompetenz durch Führungsretraite zu mitarbeiterorientierter Führung gefördert wird. Weitere gesundheitsförderliche Strukturen und Verhältnisse im Unternehmen können beispielsweise eine Gesundheitsförderliche Aufgabengestaltung, ein Ruheraum oder gesunde Ernährungsangebote sein. Zur Förderung der arbeitsbezogenen Kompetenzen sind auch Führungsschulungen

zu Früherkennung und Gesprächsführung denkbar und um die gesundheitsbezogenen Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern das Angebot von Grippeimpfungen, Entspannungstrainings oder eine Ernährungsberatung. Wer ein BGM-Gesamtsystem etabliert hat, sollte in regelmässigen Abständen einen kritischen Blick darauf werfen. Was wurde erreicht? Welche Massnahmen sind relevant? Stimmt die BGM-Organisationsstruktur? Dies sind einige Fragen, die es neben definierten Kennzahlen zu überprüfen gilt.

handen. Sind zusätzlich belastende Faktoren erkannt, lässt sich mit wenigen Mitteln die Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit sowie die Motivation nachhaltig stärken. Doch eigentlich stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand lohnt, gar nicht. Mitarbeitende fit und motiviert im Betrieb zu halten und dank einem guten Arbeitsklima neue Mitarbeitende zu gewinnen, ist ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte und für den wirtschaftlichen Erfolg.

Lohnt sich der Aufwand? Detailanalysen von Personalkennzahlen, Durchführung von Befragungen der Mitarbeitenden, Anpassung der Organisation, bedarfsgerechte Massnahmenplanung, Wirkungsmessung – die Mehrheit der KMU schreckt aus Ressourcengründen vor einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema BGM zurück. Was sich viele nicht bewusst sind: mit den flachen Hierarchien und kurzen Kommunikationswegen, die in KMU vorherrschen, sind wesentliche gesundheitsförderliche Grundpfeiler schon vor-

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Patrick Preuss arbeitet bei der Kommunikationsagentur open up AG in Zürich und verfasste den Artikel im Auftrag von Gesundheitsförderung Schweiz. www.gesundheitsfoerderung.ch

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Die Scheinkrise Exponentielles Wachstum als Irrglaube Interview mit Kay Bourcarde und Karsten Herzmann von Lorenza Wigand

Wir sind davon überzeugt, dass unsere Wirtschaftskraft nachlässt und wir dringend gegensteuern müssen – fälschlicherweise, wie das Buch «Die Scheinkrise» darlegt. In der Schweiz haben wir durchaus ähnliche Herausforderungen, wie im Buch beschrieben. Die kmuRUNDSCHAU sprach mit den Autoren Kay Bourcarde und Karsten Herzmann über ihre These des linearen Wirtschaftswachstums.

Seit Jahrzehnten begünstigt der Glaube an exponentielles Wachstum eine Politik, die mit teils starken sozialen Einschnitten verbunden ist.

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err Bourcarde, Herr Herzmann, ist in der Wachstumsdebatte nicht bereits alles gesagt worden? Wozu braucht es da noch Ihr Buch «Die Scheinkrise»? Karsten Herzmann: Unser Buch ist kein weiterer Beitrag zur wiederaufgeflammten Wachstumsdebatte, die ja im Kern eine Wertedebatte ist: Die Wachstumskritik hinterfragt mit Blick auf die ökologischen Folgen, ob wir immer weiter wachsen sollten. Wir hingegen beschäftigen uns mit der Frage, in welchem Mass wir bisher tatsächlich wachsen konnten. Wir sind das Thema also nicht normativ, sondern empirisch angegangen. Und dabei stösst man auf eine grundlegende Fehlannahme, die trotz ihrer Tragweite so weit verbreitet ist, dass sogar die ansonsten so zerstrittenen Befürworter und Kritiker des Wirtschaftswachstums sie teilen. Worin liegt dieser Irrtum? Kay Bourcarde: In der Annahme, mit wie viel Wachstum gerechnet werden kann. Nicht in einzelnen Jahren, sondern grundsätzlich, auf lange Sicht betrachtet. Sowohl Wachstumsbefürworter wie auch -kritiker gehen nämlich davon aus, dass Volkswirtschaften im Normalfall mit gleichbleibenden Raten wachsen. Das ist jenes exponentielle Wachstum, das man vom Zinseszins kennt und für dessen ungeheure Dynamik es zahlreiche eindrucksvolle Beispiele gibt – angefangen vom so genannten Josephspfennig bis hin zur Legende vom Reiskorn und dem Schachbrett. Für die Wachstumsbefürworter ist mit einem solchen sich beschleunigendem Wachstum das Versprechen auf einen immer schnelleren Wohlstandsanstieg verbunden. Und was bedeutet exponentielles Wachstum für die Wachstumskritiker? Karsten Herzmann: Für die Wachstumskritiker ist es spätestens seit den 1970er Jahren ein Horrorszenario. Der damalige Bestseller «Die Grenzen des Wachstums» hat gezeigt, welche ökologischen Folgen eine fortgesetzte exponentielle Entwicklung haben könnte. Aber das eigentlich Bemerkenswerte ist: dieses «wachsende Wachstum», dessen Fortsetzung die einen als unverzichtbar einfordern und die anderen als unverantwortlich ablehnen, gab es in den letzten sechzig Jahren überhaupt nicht. Und zwar weder in der Bundesrepublik noch in nahezu allen anderen modernen Volkswirtschaften.

Was für ein Wachstum hatten wir denn dann? Kay Bourcarde: Ein lineares, also ein Wachstum um die immer gleichen absoluten Beträge. In Deutschland waren dies preisbereinigt 300 Milliarden Euro, um die unsere Wirtschaftskraft pro Jahrzehnt durchschnittlich gestiegen ist – heute genauso wie vor fünfzig Jahren. Ein solches lineares Wachstum aber führt mit mathematischer Zwangsläufigkeit zu sinkenden Wachstumsraten. Und zwar allein deshalb, weil das Niveau, von dem aus wir weiter wachsen, schon so hoch geworden ist. Vereinfacht ausgedrückt: die Wachstumsraten sind heute nur deshalb niedriger, weil es uns so viel besser geht als früher. Das heisst aber gerade nicht, dass unsere Wirtschaft langfristig betrachtet schwächelt oder uns, wie vielfach behauptet wird, das Wachstum ausgeht. Im Gegenteil, unsere Wirtschaftskraft übertrifft die der Wirtschaftswunderjahre um das Vierfache. Und wir wachsen unverdrossen mit der gleichen Dynamik immer weiter. Ihre Aussage ist also: uns geht es besser denn je, lasst uns endlich mal zufrieden sein. Karsten Herzmann: Damit sind wir bei dem Widerspruch, um den es uns im Kern geht: Es stimmt zwar, dass es uns – volks-

wirtschaftlich betrachtet – besser geht als jemals zuvor. Trotzdem gehen die derzeit geäusserten Aufrufe, das doch endlich einmal zur Kenntnis zu nehmen, am Leben vieler Menschen vorbei. Denn wir haben unsere tatsächlichen Erfolge vielfach ungewollt unterminiert und zwar indem wir noch viel mehr erwartet haben. Zumeist ohne dass es uns bewusst ist, haben wir unsere Gesellschaft und insbesondere auch die Politik der letzten Jahrzehnte am Idealbild eines exponentiellen Wachstums ausgerichtet. Inwiefern das? Kay Bourcarde: Weil nach wie vor die Wachstumsraten als der zentrale Indikator für den Zustand unserer Volkswirtschaft schlechthin gelten. Sie funktionieren dabei wie eine Art «umgekehrtes Fieberthermometer»: Niedrigere Raten zeigen, dass es der Wirtschaft schlechter geht. Weil aufgrund des linearen Wachstums die Wachstumsraten immer weiter gesunken sind, scheint es daher langfristig betrachtet immer schlechter um unsere wirtschaftliche Dynamik bestellt zu sein. Diese Logik würde aber nur in einer Welt stimmen, in der exponentielles Wachstum tatsächlich der ökonomische Normalfall ist. Dann hätten wir auch die Chance, etwa mittels entsprechender Reformen bessere 

Unserer Wirtschaft geht es besser als je zuvor.

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Nicht eingelöste Versprechen sind ein Grund für Politikverdrossenheit – die Rentenreformen sind ein Beispiel.

Wachstumsbedingungen zu schaffen und so zurück zu den rechnerisch höheren Zuwachsraten der Vergangenheit zu kommen. Und in einer Welt ohne exponentielles Wachstum? Hat es zu einer Politik geführt, die für viele Menschen immer neue Nachteile gebracht hat. Eine gesunde Wirtschaft gilt – berechtigter Weise – als Voraussetzung für erfolgreiches politisches Gestalten. Unabhängig davon, welche Parteien daher die Regierung gestellt haben, alle sahen sich angesichts der sinkenden Zuwachsraten unter Druck gesetzt, eine Wirtschafts- und Sozialpolitik zu betreiben, die bessere Wachstumsbedingungen schafft. Das hat über Jahrzehnte hinweg eine Politik begünstigt, die in die immer gleiche Richtung ging und die mit teils starken sozialen Einschnitten verbunden gewesen ist. Die Botschaft von Kohl über Schröder bis Merkel war dabei immer die gleiche: Wir müssen euch leider heute etwas zumuten, aber wir tun das, damit es morgen allen besser geht.

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Aber wieso konnte sich eine solche Politik, die vor allem auf höheres Wachstum setzt und die dabei vielfach Abstriche etwa im Sozialbereich hinnimmt, immer wieder durchsetzen? Karsten Herzmann: Diese Logik – erst schaffen wir Wachstum, dann auch alles andere – ist ja deshalb so frappierend, weil das Zurücktreten anderer politischer Vorhaben hinter dem Wachstumsziel damit begründet wird, dass dies in deren eigenem Interesse ist. Gerade weil uns bestimmte soziale oder ökologische Ziele so wichtig sind, dürfen wir sie nicht dadurch gefährden, dass wir sie im Bestreben auf den schnellen Erfolg direkt verfolgen. Vielmehr müssen wir erst die Voraussetzung dafür schaffen, sie auch wirklich nachhaltig erreichen zu können. Und diese Voraussetzung sind höhere Wachstumsraten. Woher kommt diese Logik? Der Prototyp für diese Appelle war sicherlich die «Ruck-Rede» von Roman Herzog, mit der er die Deutschen vor zwanzig Jahren beschwor – so wörtlich –

«Opfer zu bringen», auf dass wir «Wellen neuen Wachstums auslösen». Die RuckRede ist nur ein Beispiel für zahlreiche weitere Krisenreden. Schröder wollte unsere «strukturelle Wachstumsschwäche» überwinden und forderte «eine gewaltige gemeinsame Anstrengung». Merkel hatte das Ziel, «Wachstumsbremsen» zu lösen und kündigte nach ihrem Amtsantritt ebenfalls Einschnitte an. Könnte eine solche Politik nicht einfach auch das Ergebnis von guter Lobbyarbeit gewesen sein? Kay Bourcarde: Politik ist natürlich immer ein Interessenskampf und sicherlich hat die – zunächst einmal auch völlig legitime – Lobbyarbeit von wirtschaftsnahen Interessensvertretern das ihre dazu beigetragen. Der exponentielle Irrtum aber hat all jenen ein phantastisches Argument an die Hand gegeben, denen die bisherigen Reformen nie weit genug gehen, denen die erbrachten Opfer nie ausreichen und die vor allem warnen, was die Wachstumsbedingungen «weiter» verschlechtern könnten.


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Von welchem Argument sprechen Sie hier? Die Botschaft lautet: wir haben langfristig sinkendes Wachstum, weil wir sowieso schon über unsere Verhältnisse leben. Es wäre deshalb unverantwortlich, wenn wir durch noch höhere Steuern, noch mehr Sozialleistungen oder noch höhere Umweltauflagen das ohnehin schon prekäre Wachstum noch mehr gefährdeten.

«Wir wollen zunächst einmal dazu beitragen, dass der exponentielle Irrtum bekannt wird.»

Stattdessen müssen wir genau das Gegenteil tun und unsere Reformen zur Verbesserung der Wachstumsbedingungen konsequent weitertreiben. Diese Logik trägt sogar in Zeiten der Hochkonjunktur. Mitten im Boom der vergangenen Jahre hat beispielsweise Wirtschaftsminister Altmaier eine «Überregulierung» bemängelt, die uns Wachstum gekostet habe. Oder nehmen Sie den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der neue Reformen angemahnt hat. In der Logik des exponentiellen Irrtums gedacht können wir uns deshalb noch so sehr anstrengen – es wird nie reichen, was wir tun. Sie sprechen sich also gegen Reformen aus? Karsten Herzmann: Das kann man so pauschal nicht sagen. Eine Gesellschaft muss natürlich auf sich verändernde Rahmenbedingungen wie etwa durch die Digitalisierung reagieren. Wichtig erscheint uns aber, dass wir nun, da die Konjunktur sich einzutrüben scheint, nicht aufs Neue in eine Logik der Reformen zurückfallen, die sich vor allem an der fal-

schen Hoffnung auf dauerhaft höhere Wachstumsraten und nicht an den tatsächlichen Herausforderungen orientiert. Ein solches Vorgehen ist nicht nur keine Lösung, es schafft auch eigene Probleme. Waren denn die Reformen der Vergangenheit nicht erfolgreich? Darüber kann man – vor allem was die langfristige Perspektive angeht – zumindest streiten. In jedem Fall sind diese Reformen insoweit gescheitert, als dass sie nicht zu dauerhaft höheren Zuwachsraten geführt haben, die es in einer linear wachsenden Volkswirtschaft auch gar nicht geben kann. Doch während einerseits immer neue Opfer abverlangt wurden, sind andererseits die damit verbundenen Versprechen nicht eingelöst worden. Da hat die Politik ganz viel Vertrauen verspielt. Und wenn wir pauschal von «der Politik» reden, dann ist das beabsichtigt, denn daran waren durch wechselnde Regierungen hindurch ja nahezu alle etablierten Parteien beteiligt. Kein Wunder also, wenn die Menschen den Eindruck haben, dass die Parteien mit ihrer Politik alle in die gleiche Richtung 

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gehen und dass auch alle ihre Versprechen nicht einlösen. Das ist geradezu eine Garantie für Politikverdrossenheit. Können Sie solche nicht eingehaltenen Versprechen an Beispielen belegen? Kay Bourcarde: Ein Beispiel ist die Altersvorsorge. Die diversen Rentenreformen haben das Niveau der gesetzlichen Rente deutlich abgesenkt. Zum Ausgleich sollten die Menschen privat vorsorgen, etwa mit der staatlich geförderten RiesterRente. Das Versprechen lautete: «Wenn ihr das tut, könnt ihr in der Summe sogar eine höhere Rente haben als bisher.» Wenn ein Bürger eine Riester-Rente abschliesst, dann legt das Versicherungsunternehmen die eingezahlten Prämien am Kapitalmarkt an. Der Kerngedanke dabei ist, dass es durch den Zinseszinseffekt zu einer exponentiellen Steigerung des angelegten Vermögens kommt. Die Bundesregierung hatte für die RiesterRente mit einem Rechenbeispiel geworben, bei dem man über die Jahrzehnte insgesamt knapp 37‘000 Euro einzahlt, aber trotzdem dank exponentiellen Wachstums auf 100‘000 Euro kommt. Doch Geld vermehrt sich natürlich nicht

von alleine exponentiell. Das kann nur auf der Basis einer im Grundsatz ebenfalls exponentiell wachsenden Realwirtschaft funktionieren. Die aber gibt es nicht und das ist der Hauptgrund, warum die Zinssätze seit über dreissig Jahren immer weiter sinken. Deshalb geht es auch an der Sache vorbei, wenn man an der kapitalgedeckten Altersvorsorge mit der Begründung festhalten will, wir hätten derzeit eine «Niedrigzinsphase», die auf lange Sicht nicht ins Gewicht falle. Sie glauben also nicht an eine Niedrigzinsphase? Von einer «Phase» kann keine Rede sein: Die Zinsen sind deshalb langfristig gesunken, weil die linear wachsende Realwirtschaft keine konstant hohe Verzinsung hergibt. Der exponentielle Irrtum hat deshalb keine geringere Folge, als dass einem zentralen politischen Ansatz zur Sicherung der Existenzgrundlage vieler Menschen im Alter die Rechengrundlage abhandenkommt. Es gibt aber viele weitere Beispiele, von denen zahlreiche zugleich etwas damit zu tun haben, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht.

Verunsicherung und Zukunftsangst stehen im Widerspruch zu unserer wirtschaftlichen Stärke.

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Wenn das alles stimmt, dann sind die Konsequenzen tatsächlich weitreichend. Trotzdem spielt es in der öffentlichen Debatte bislang überhaupt keine Rolle. Soll das heissen, dass Sie die Einzigen sind, die den «exponentiellen Irrtum» bemerkt haben? Karsten Herzmann: Schon in den 1990er Jahren haben erste Wissenschaftler darauf hingewiesen, dass moderne Volkswirtschaften typischerweise einer anderen Wachstumsdynamik folgen als gemeinhin angenommen wird. Zuletzt hat diese Tatsache sogar, wenn auch nur am Rande, Eingang in den Abschlussbericht einer Enquetekommission des Bundestags zum Thema Wachstum gefunden. Was ist das Neue an Ihrem Buch? Was wir mit unserem Buch «Die Scheinkrise» in dieser Form erstmals gemacht haben, ist, diese Fehlannahme in einen breiteren gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Denn gerade der fehlende Kontext könnte der Grund dafür sein, dass der lineare Wachstumstrend und seine Konsequenzen der breiten Öffentlichkeit bislang unbekannt sind. Die Information, dass moderne Ökonomien typischer-


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«Die Wachstumsraten sind heute nur deshalb niedriger, weil es uns so viel besser geht als früher.» weise einem höchst stabilen linearen Wachstumstrend folgen, mag zwar interessant sein, für sich genommen ist eine solche rein empirische Feststellung aber höchstens eine Randnotiz wert. Eine wirkliche Bedeutung bekommt sie erst durch die Einsicht, wie sehr der lineare Trend impliziten Zielvorstellungen zuwiderläuft, über deren Erreichen wir Stabilität, Sicherheit und Erfolg definieren.

Und erst wenn klar wird, auf wie vielen Ebenen und in welchem Ausmass das fortgesetzte Verfehlen dieser Zielvorstellungen das ökonomische Denken und politische Handeln unserer auf exponentielles Wachstum ausgerichteten Gesellschaft beeinflusst, erschliesst sich die ganze Tragweite. Was sollte Ihrer Ansicht denn passieren? Haben Sie Rezepte für die Politik, was sie tun soll? Kay Bourcarde: Wir wollen zunächst einmal dazu beitragen, dass der exponentielle Irrtum bekannt wird. Das könnte nämlich dazu führen, dass wir mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein über die grossen Herausforderungen diskutieren, vor denen wir stehen. Im Ausblick unseres Buches formulieren wir es so: das Scheitern hört auf, das Gestalten fängt an. Warum hört dann das Scheitern auf, können Sie das genauer erklären? Das Scheitern hört auf, weil unser zentraler Erfolgsindikator, die Wachstumsrate, von Grund auf falsche Werte anzeigt. Eine ganze Politikergeneration hat verinnerlicht, dass unsere Ökonomie schon seit Langem in einer ohnehin fragilen Lage ist. Damit beeinflusst der Irrtum die vielleicht wichtigste Entscheidungsinstanz, über die ein Politiker in einer zunehmend komplexen Welt verfügt: sein politisches Bauchgefühl. Und dieses mahnt permanent zur Vorsicht. Wenn nämlich ständig das Damoklesschwert einer Abwärtsspirale über uns schwebt, ist es doch naheliegend, nur sehr behutsam vorzugehen, bis sich die Wirtschaftslage wieder dauerhaft verbessert hat – was sie aufgrund tendenziell weiter sinkender Wachstumsraten aber niemals tut. Und wenn man das erkannt hat, fängt das Gestalten an? Wenn hingegen klar ist, dass unser Wachstum heute nicht weniger dynamisch ist als zu Wirtschaftswunderzeiten, dann kann das Gestalten anfangen. Denn der hinter den sinkenden Zuwachsraten verborgene und seit fast sechs Jahrzehnten stabile lineare Trend zeigt, wir haben es eben nicht mit einer labilen Ökonomie zu tun, sondern sind eine wohlhabende Gesellschaft, getragen von einer starken und dynamischen Volkswirtschaft. An die Stelle übertriebener Vorsicht kann wieder ein entschlossenes Handeln treten. Ob es um die Bekämpfung von Ar-

mut, eine die Lebensleistung anerkennende Rente oder höhere Investitionen in Infrastruktur und Bildung geht, ob das Thema bezahlbarer Wohnraum, gute Gesundheitsversorgung oder Klimaschutz heisst – wir dürfen uns von einer vermeintlich alternativlosen Politik verabschieden, neben der alle anderen Ideen als illusorisch abgetan werden. Oder positiv gewendet: wir können uns wieder erlauben, in Visionen zu denken und für diese zu streiten.

Die Scheinkrise Warum es uns besser geht als je zuvor und wir dennoch das Gefühl haben zu scheitern von Kay Bourcarde und Karsten Herzmann Wochenschau Verlag 2018 ISBN 978-3-7344-0701-7 168 Seiten

Kay Bourcarde leitet das Referat für Beschäftigungspolitik, Fachkräftesicherung, Jugendarbeitsmarktpolitik und Arbeitsmigration im Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz.

Karsten Herzmann ist Verwaltungsrichter in Gießen. Gemeinsam mit Kay Bourcarde gründete er 2003 das Institut für Wachstumsstudien. www.wachstumsstudien.de www.scheinkrise.de

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Podium in Winterthur: Spezialisten gaben den zahlreichen Interessierten unentgeltliche Rechtsauskünfte.

Zürcher Anwaltsverband Arbeitsrecht – Was Arbeitgeber wissen sollten von Beat Hürlimann

Das Arbeitsrecht in der Schweiz umfasst Bereiche, die Unsicherheiten bewirken oder über die man lückenhaft informiert ist. In Zürich und Winterthur hat der Zürcher Anwaltsverband (ZAV) zum Thema zwei öffentliche Podien durchgeführt. Expertinnen und Experten beleuchteten die Thematik aus verschiedenen Perspektiven. Der ZAV hat im Anschluss eine Mitteilung verfasst. Wir haben das Wichtigste zusammengetragen und bei einigen Punkten nachgefragt.

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b Ferien, Schwangerschaft, Überstunden, Kündigungsfristen, Arbeitszeugnisse oder Krankheit – viele Vorfälle und Gegebenheiten im Arbeitsalltag können rechtliche Fragen aufwerfen. Rechtsanwältin Nicole Vögeli Galli, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, sowie die Rechtsanwälte Daniel Mägerle und Roger Hischier, beide ebenfalls Fachanwälte SAV Arbeitsrecht, vermittelten in ihren Vorträgen die theoretischen Grundlagen zum Arbeitsrecht und klärten die wichtigsten Fragen zum Thema. Wie unterscheiden sich Überstunden und Überzeit? Umgangssprachlich werden die Begriffe Überstunden und Überzeit in der Regel als Synonyme verwendet. Juristisch gesehen gibt es zwischen diesen beiden aber tatsächlich einen Unterschied: Überstunden meint die Zeit, die man länger arbeitet, als

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dies im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Übersteigt die Überstundenzahl zudem die im Arbeitsgesetz festgelegte Höchstarbeitszeit, spricht man von Überzeit. Die Regeln für Überzeitarbeit sind im Arbeitsgesetz geregelt und gehören damit zum öffentlichen Recht. Um den Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden zu sichern, ist im Arbeitsgesetz festgelegt, dass man nicht mehr als zwei Stunden Überzeit pro Tag arbeiten darf, wobei zusätzlich im Kalenderjahr bei einer Höchstarbeitszeit von beispielsweise 45 Stunden pro Woche ein Maximum von 170 Stunden Überzeit besteht. Wie werden Mehrstunden entschädigt? Häufig können Mehrstunden kompensiert werden, das heisst, es findet ein Austausch von Arbeitszeit durch Freizeit von gleicher Dauer statt. Eine Kompensation

von Mehrstunden erfordert jedoch das vorherige Einverständnis des Mitarbeitenden und sollte im Arbeitsvertrag oder einem vertraglichen Reglement festgehalten sein. Andernfalls muss der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden auszahlen, und zwar mit einem Lohnzuschlag von mindestens 25 Prozent. Die Kompensation und Entschädigung von Überstunden kann schriftlich anders geregelt oder sogar ganz ausgeschlossen werden. Dagegen sind die Bestimmungen der Überzeit zwingend und damit nicht abänderbar. Ausnahmen gibt es bei höheren, leitenden Angestellten, für die das Arbeitsgesetz nicht gilt und die somit generell keinen Anspruch auf Entschädigung für Mehrarbeit haben. Zählt ein positiver Gleitzeitsaldo als Überstunden? Gleitzeitarbeit verlangt von Arbeitnehmenden, dass sie ihre Arbeitszeit selber aus-


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Arbeitsverhältnissen – im häufigsten Fall durch ordentliche Kündigung, aber auch durch Zeitlauf, Tod des Arbeitnehmers, oder auch durch im Gesetz nicht besonders geregelte Aufhebungsvereinbarungen – birgt in der Praxis oft arbeitsrechtliche Fallstricke, die mit erheblichen Kosten verbunden sein können, namentlich weil diese formell falsch oder missbräuchlich erfolgt ist.

gleichen, sodass Arbeitnehmende ihre Soll-Arbeitszeit auf wöchentlicher, monatlicher oder jährlicher Basis erreichen. Arbeitnehmende sind also berechtigt, in einem bestimmten Rahmen Arbeitszeit vor- oder nachzuholen. Auf der anderen Seite sind Arbeitnehmende dafür verantwortlich, fristgerecht – das heisst bis zum jeweiligen Abrechnungszeitpunkt beziehungsweise innert einer ordentlichen Kündigungsfrist – für den Ausgleich der Mehroder Minderarbeit zu sorgen. Andernfalls erfolgt ein Verlust der Plusstunden oder ein Lohnabzug für Minusstunden. Welche Regeln gelten bei Absenzen und Krankheit? Das Verhältnis von Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung sorgt in der Praxis immer wieder für Unsicherheiten, zumal es sich dabei um zwei voneinander unabhängige Ansprüche handelt. Während die Lohnfortzahlung vor Lohnausfall bei Arbeitsverhinderung schützt, dient die Sperrfrist dem Kündigungsschutz des Arbeitnehmers in einer Zeit, während der er bei der Stellensuche wegen seiner Beeinträchtigung benachteiligt wäre. Während der Sperrfrist, die je nach Dienstjahren 30, 90 oder 180 Tage andauert, kann der Arbeitgeber eine Kündigung nicht aussprechen, und falls die Kündigung schon vor Beginn der Beeinträchtigung erfolgt ist, bleibt die Kündigungsfrist längstens für die Dauer der Sperrfrist stehen, läuft nachher weiter und verlängert sich auf das nächste Monatsende.

Lohnfortzahlung bei Arbeitsverhinderung? Damit der Arbeitnehmer bei einer Arbeitsverhinderung einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, muss er nachweisen, dass er aus einem der im Gesetz genannten Gründe an der Arbeitsleistung verhindert ist. Gemäss Obligationenrecht gehören dazu insbesondere unverschuldete Krankheit oder Unfall, Schwangerschaft, die Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder die Ausübung eines öffentlichen Amtes. Bei Krankheit und Unfall kann der Nachweis einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung in erster Linie durch ein Arztzeugnis erbracht werden. Das Gesetz schreibt vor, dass bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung der Lohn für eine angemessene Dauer weiterbezahlt werden muss. Die Praxis hat dafür verschiedene Skalen entwickelt, welche vom Dienstalter abhängig sind. Häufig wird die Lohnfortzahlungspflicht vom Arbeitgeber mit einer Krankentaggeldversicherung abgesichert. Die Leistungen der Krankentaggeldversicherung befreien den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen von seiner Lohnfortzahlungspflicht. Worauf ist bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu achten? Bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sollten immer die geltenden Fristen und Regeln beachtet werden, die sich je nach Fall – beispielsweise Probezeit, Schwangerschaft oder Militärdienst – stark unterscheiden. Die Beendigung von

Für eine ausserordentliche beziehungsweise fristlose Kündigung müssen wichtige Gründe vorliegen. Solche liegen dann vor, wenn extreme Verstösse gegen den Arbeitsvertrag passieren oder das Vertrauensverhältnis derart gestört wird, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar erscheint. Liegen nur leichtere Verstösse vor, kann der wichtige Grund in der Summierung solcher Vorfälle liegen, wenn im Voraus eine entsprechende Verwarnung ausgesprochen wurde. Ob ein wichtiger Grund gegeben ist, wird im Streitfall durch das Gericht geprüft. Wie ist der Rechtsweg bei Arbeitskonflikten? Arbeitsverhältnisse können verschiedene Konflikte auslösen, beispielsweise bezüglich des Lohns und der Arbeitszeit, wegen Diskriminierungen oder weil eine Kündigung angefochten wird. Die Gründe sind vielfältig. Die Art der Konfliktlösung hängt einerseits von der Art des Arbeitsverhältnisses (öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich), andererseits von der Anzahl betroffener Personen (kollektive oder individuelle Arbeitsstreitigkeiten) ab. Für arbeitsrechtliche Fragen empfiehlt sich daher, sich rechtzeitig von Fachpersonen und spezialisierten Anwältinnen oder Anwälten beraten und begleiten zu lassen. Informationen und weitere Auskünfte hierzu finden sich bei der Geschäftsstelle des Zürcher Anwaltsverbands.

Beat Hürlimann ist freischaffender Redaktor bei Rundschau Medien AG. www.zav.ch

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Innovationen werden zu Erfolgstreibern.

Verwaltungsrat 4.0 Der Auf- und Ausbau neuer Kompetenzen von Werner Raschle

Ein Verwaltungsrat muss strategische Mehrwerte schaffen. Mit der digitalen Transformation verändern sich die Ansprüche an diese Mehrwerte. Das verlangt von etablierten Verwaltungsräten eine Weiterentwicklung sowie eine Hinterfragung der digitalen Kompetenz. Und bei der Rekrutierung von neuen Verwaltungsräten auch ein neues Sensorium für die Digitalkompetenz.

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igital Leadership: noch gibt es für Verwaltungsräte keinen Masterplan, welches Rollenverständnis die digitale Transformation für sie in der Zukunft vorsieht. Sicher ist aber, dass sich das Bisherige mit der Digitalisierung transformieren wird. Und in dieser Übergangsphase befinden wir uns gerade. Verwaltungsräte müssen also lernen, sich in unsicheren, schwer prognostizierbaren Zeiten agil zu bewegen. Mit dem Bereich «Digital Transformation» stehen viele Verwaltungsratspräsidenten und ihre Ratskolleginnen und -kollegen vor der Herausforderung, dass sie plötzlich ein strategisches Erfolgselement in ihrem Unternehmen haben, von welchem sie bisher nur wenig verstehen. Weil die meisten von ihnen in Schweizer Unternehmen – etwas böse ausgedrückt – digital nicht fit sind. Fast parallel mit der digitalen Transformation kommt, dass die traditionelle Interpretation von Führung und Leistung nicht mehr funktioniert. Damit liegt es auf der Hand, dass Verwaltungsräte ihr Kompetenzen-Heft erweitern müssen. Andernfalls werden sie das Tempo der sich verändernden Marktsituationen nicht mehr mitgehen können.

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Neues Rekrutierungsprofil Einen ganzen traditionellen Verwaltungsrat zu digitalen Profis umzuschulen, ist illusorisch. Ich wage zu behaupten, dass es auch keine probate Strategie ist, die Verwaltungsräte in eine digitale Grundschulung oder Weiterbildungen zu senden und davon auszugehen, dass das genügt. Die digitale Kompetenz kann bei den meisten Unternehmen nur durch die Rekrutierung von «digital native Board Members» beziehungsweise zur, Spezialisten mit fundierter technischer Ausbildung erworben werden, welche – notabene – auch strategisch denken können. Verwaltungsräte der Zukunft müssen abschätzen können, welche Veränderungen im Unternehmen und vor allem auch im Markt mit der digitalen Transformation einhergehen. Ein Verwaltungsrat muss die Evolution eines Unternehmens im Internetzeitalter verstehen und vorantreiben können. Führungsprozesse verändern und beschleunigen sich. Für «Langsamentscheider» wird es ungemütlich und diese für Unternehmen zur Hypothek. Es sind Innovationen, welche zum Treiber des Erfolgs werden. Langatmige Planungsprozesse wie fünfjährige

strategische Mittelfristpläne sind oft schon überholt, bevor der erste Schritt der Umsetzung vollzogen wird. Ergebnisoffene Prozesse tragen dem beschleunigten Wandel Rechnung. Und mit diesen neuen Prozessen müssen nun nicht nur die digitalen Spezialisten im Verwaltungsrat, sondern alle arbeiten können.

Checkliste zur Überprüfung >> Verfügen wir über mindestens einen Verwaltungsrat, der alle digitalen Belange abdeckt? >> Findet der digitale Spezialist im VR Gehör? Und falls nicht, liegt es an diesem oder am bestehenden Verwaltungsrat? >> Ist der Verwaltungsrat so organisiert, dass Innovation möglich ist, respektive nicht verhindert wird? >> Akzeptiert der Präsident, dass jemand mit einer entscheidenden strategischen Kompetenz im Gremium sitzt, über die er selber nicht verfügt?


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Checkliste zur Rekrutierung >> Kann der Kandidat aufzeigen, welche Auswirkungen sich aus Big Data für die Branche und das betreffende Unternehmen ergeben können? >> Wie kann Big Data im Unternehmen selber eingesetzt werden? >> Wie gut kann der neue Verwaltungsrat digitale Lösungen verständlich machen und nachhaltig überzeugen? >> Kann der neue Verwaltungsrat ein Sparring Partner für den operativen CTO oder CIO sein? >> Ist das technische Wissen des Kandidaten auf dem richtigen Level? >> Hat der Kandidat Erfahrung im Bereich Change Management und digitale Transformation? >> Welches Verständnis hat der Kandidat von «New Work» im betreffenden Betrieb und ist das vernünftig und erfolgsversprechend? >> Kann der Kandidat einen potentiellen neuen CTO oder CIO beurteilen, sein Netzwerk bei der Suche eines solchen nutzen und im besten Fall selber «searchen» oder der optimale Sparringpartner für das Rekrutierungsunternehmen sein?

«Clash of Cultures» verhindern «New Work» benennt die neuen Haltungen, die neuen Themen und die neuen Methoden in der Arbeitswelt von morgen, die durch die digitale Revolution geschaffen wird. Ein moderner Verwaltungsrat muss dieses «New Work» kennen, verstehen und im besten Fall auch akzeptieren oder sogar gut finden. Denn im strategischen Verwaltungsrat muss auch künftig die Arbeitsweise der operativen Ebene verstanden und abgebildet werden. Andernfalls droht ein «Clash of Cultures», ein veritables Aufeinanderprallen von moderner Arbeitswelt im Unternehmen und veralteter Herangehensweisen im VR. In den Unternehmen werden Projekte vermehrt iterativ und inkrementell umgesetzt und zeichnen sich durch eine anpassbare Vorgehensweise aus (zum Beispiel «Scrum»). Genauso wenig, wie ein Unternehmen operativ um den Aufbau einer digitalen Arbeitskultur herumkommt, kann es sich der Verwaltungsrat leisten, sich um die Digitalisierung zu foutieren. Das heisst auch,

Die digitalen Welten und die Welt des Verwaltungsrates gehören zunehmend zusammen.

dass es in einem neuen Verwaltungsrat sehr viel mehr um das Wir, um Teamprozesse und Vernetzung geht.

VR-Arbeit ist Teamwork Diese Vernetzung erfordert ein neues Sensorium bei der Zusammensetzung eines Verwaltungsrates als strategisch lenkendes Organ. Es müssen nicht mehr nur verschiedene Erfahrungs- und Ausbildungshorizonte kombiniert werden, sondern diese müssen gut aufeinander abgestimmt und auf ihre Teamfähigkeit geprüft werden. Wissen und damit auch Macht kann nicht mehr gehortet, sondern muss geteilt werden. Ein erfolgreicher VR muss heute als Team funktionieren, in welchem dialektische Diskussionen, Workshops und Vernetzung in operative Einheiten möglich sind. Neben der Verstärkung eines Verwaltungsrates mit neuen Kräften ist es ebenso wichtig, die Innovations- und Kreativitätskiller rasch loszuwerden. Denn die Wahrheit ist: Moderne Prozesse sind mit diesen nicht kompatibel.

der anstehenden Disruption. So wird bei jedem Verwaltungsrat und künftigen Verwaltungsratkandidaten Lernfähigkeit vorausgesetzt. Lernfähigkeit heisst auch Freude an Neuem und vor allem Kritikfähigkeit. Adaptives Lernen gehört zum Grundrepertoire. Denn Wissen wird bei Bedarf und im Prozess abgerufen. Verwaltungsräte müssen ihr Know-how fortlaufend erneuern und sich stetig weiterqualifizieren. Sie müssen Handlungsoptionen schaffen und den Innovationswettbewerb moderieren. Das hat zur Konsequenz, dass zur Abdeckung der digitalen Kompetenz mindestens ein digital versierter Verwaltungsrat benötigt wird (kein Betriebswirtschaftler). Zudem müssen alle Verwaltungsräte in der Lage sein, agil zu denken und zu arbeiten und damit auch die Prozesse der operativen Einheiten zu verstehen. Und vor allem sind Innovationsund Kreativitätskiller rasch zu ersetzen.

«Street Credibility» versus Business-Erfahrung Die Digitalisierung setzt die bisherigen Karriere-Parameter ausser Kraft. Das erhöht für junge, unverbrauchte Kräfte die Chance auf einen Einsitz in einem Verwaltungsrat. Denn diese Kandidatinnen und Kandidaten mögen zwar über weniger BusinessErfahrung und einen noch etwas schlaksigen Umgang verfügen, dafür über umso mehr «Street Credibility» in der Handhabe

Werner Raschle ist Inhaber und CEO des Professional und Executive Search-Unternehmens Consult & Pepper. www.consultandpepper.com

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Eine Grundlage für den Erfolg ist negativen Begleiterscheinungen auf den Grund zu gehen.

Die Freude an der Arbeit Tipps für neue Kompetenzen in der Arbeitswelt 4.0 von Evi Giannakopoulos

Nebst den betrieblichen Reorganisationen der Arbeitswelt 4.0, ändern sich auch die Kernkompetenz der Berufswelten. Es gilt, die «4 K’s» zu adaptieren, möglichst schnell, denn die Zukunft ist heute. Wie können sich Führungskräfte die neu gefragten Stärken, für sich und ihr Team, aneignen? Wie gelingt es ihnen, ein Wellness-Feeling in den Arbeitsalltag zu kultivieren? Wie lässt sich betriebliche Agilität und individuelle Autonomie optimal in Einklang bringen? Wie bleibt man trotz hektischem Berufsleben stressresistent und hat mehr vom Leben?

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ie University of Phoenix hat in der Studie «Future Work Skills 2020» aufgezeigt, welche Selbstkompetenzen in Zukunft gefragt sind. Die Anforderung an Arbeitskräfte verändert sich genauso, wie die Arbeit selbst, weshalb die persönliche und betriebliche Weiterbildung eine Schlüsselrolle beim Wandel einnimmt. Darunter sind Schlüsselworte wie Anpassungsfähigkeit, kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeit, effizienter Umgang mit Arbeitsbelastungen und datenbasiertes Denken mit dienstleistungsorientiertem Handeln. Sehr komplex – und auch sehr spannend! Das bedeutet zugleich neue

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Chancen für Führungskräfte, ihre «starken Soft Skills» zu verbessern und damit zu überzeugen. Ein gutes Selbst- und Stressmanagement ist gefragt.

Das amerikanische 4K-Modell Mit dem amerikanischen 4K-Modell werden 4 Kernkompetenzen für die Arbeitswelt 4.0 formuliert. Dazu gehört Kommunikation (eigenes Denken mitteilen und teilen können), Kollaboration (mit anderen zusammen denken können), Kreativität (neues denken können) und kritisches Denken (selbst denken können).

Es wäre keine wirksame Kommunikation ohne Kreativität, Kollaboration und kritisches Denken möglich. Das ist eine spannende Palette an Fähigkeiten, aber wie setzt man diese Kompetenzen im Führungsalltag um? Folgende Fragen können dabei helfen, einen Umsetzungsplan zu erstellen: «Mit welchen Kompetenzen sind Sie bereits sehr gut unterwegs? Welche möchten Sie optimieren? Wie setzen Sie es um? Welche Kompetenzen bereiten Ihnen besonders Freude und brauchen Sie für Ihren Job? Wie gestalten Sie Ihre Arbeitsprozesse effizienter, um grosse Arbeitsvolumen bearbeiten zu können? Set-


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zen Sie auch bei den Arbeitsabläufen das Pareto-Prinzip 80/20 ein? Als Manager und Führungskraft sollten Sie sich zusätzlich fragen, wie kann ich mein Team unterstützen um diese Kompetenzen anzueignen, und wie kann ich sie darin fördern? Notieren Sie konkrete Lösungsansätze und Ideen und gehen Sie diese an. Die Handlungsfähigkeit ist zudem eine weitere wichtige Kompetenz, die uns dazu bringt, den gewünschten Output zu generieren.»

Stresskompetenz und Stressmanagement Die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine verändert sich, ebenso die Rolle der Arbeitsnehmenden. Eine gute Stresskompetenz zu entwickeln und in sich selbst verankert zu sein, ist lernbar und hilft, mit dem Wandel schrittzuhalten und die Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Man gewinnt ein hohes Mass an Persönlichkeitsstärke und kann in Schwierigkeiten erfolgreich wachsen. Wenn Herausforderungen als Lerngeschenke erkannt werden, können diese als Wachstumschancen 

Schneller im Job die Kurve kriegen? Weiterbildung macht Ihr Team agil.

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genutzt werden. Dabei unterstützt eine geistige Stabilität, sich im Spannungsbogen von Erfolg und Scheitern zuversichtlich weiter entwickeln zu können. Das ist für Führungskräfte, Projektleitende und das ganze Team wirksam. Stressmanagement ist ein entscheidendes Tool, um die eigene Selbstwirksamkeit zu verstärken und trotz ausgeprägtem Druck und hohem Arbeitsvolumen gesund zu bleiben und sich von Geschehnissen rasch zu erholen. Denn das Ziel ist gesündere Mitarbeitende, die sich mit Motivation und Teamgeist ins Unternehmen einbringen. Das fördert die Freude an der Arbeit und ist anzustreben. Die technologiegetriebenen Veränderungen sollen sowohl den Output von Arbeit verbessern als auch die Arbeitszufriedenheit steigern.

Wellness-Feeling im Berufsalltag Die mentale Gesundheit ist für die Entscheidungen, die man trifft und für die Performance von grosser Bedeutung. «Was tun Sie, um mental fit zu bleiben? Wie trainieren Sie die neuen Kompetenzen an? Überlegen Sie sich eine Strategie und setzen Sie diese um. Ich ermutige Sie, einen tiefen Blick auf diese Fragen zu werfen und Lösungen zu finden, die Sie zu bereichernden Möglichkeiten in Ihrem Berufsleben führen.» Mehr Sinn zu finden in der Arbeit, bereitet zugleich auch mehr Freude. Und sollte man die Ursachen und Gründe für die eigene Arbeitsunzufriedenheit oder Ängste nicht finden können, empfiehlt sich, diese mit einem professionellen Coach sichtbar zu machen. «Denken Sie immer daran, Sie verdienen es, sich bei der Arbeit ‹happy› zu fühlen.» Manchmal ist man aber frustriert im Job und weiss nicht weiter. Nicht immer ist gleich ein Jobwechsel das Richtige. Und vor den Problemen zu flüchten, ist nicht wirklich die beste Möglichkeit. Viel mehr sollte man seinen Ängsten und Sorgen auf den Grund gehen um den Frust sichtbar zu machen. Darin liegt die Qualität, denn die entsprechenden Erkenntnisse helfen, weitere Schritte in die gewünschte Richtung zu unternehmen. Handeln und herausfinden, was man wie anders haben will und es umsetzen. Wir leben in einer sehr ungeduldigen Gesellschaft und viele fühlen sich als Versager, wenn etwas nicht auf Anhieb gelingt oder nicht nach ihren Vorstellungen funktioniert. Dann verbaut man sich die Chancen selbst und merkt es nicht mal. Angst

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In rauem Büroumfeld gilt es Strategien für die Resilienz zu entwickeln.

führt zum Scheitern und Vertrauen, und Furchtlosigkeit führen zum Erfolg. In solchen Momenten helfen die Kraft des positiven Denkens und die emotionale Intelligenz. In den Trainings wird das «Das Dream-Team gegen Stress» genannt. Sie lassen uns die Dinge als positive Herausforderung erscheinen, die wir schaffen, und wo wir uns anschliessend über das Erreichte erfreuen können.

Stärken antrainieren Unsere Entscheidungen in einem konstruktiven Mind-Set bringen uns zu der Wirklichkeit, die wir uns wünschen, auch wenn wir nicht wissen, wohin die Reise der Zukunft geht. Wir kennen die neue Arbeitswelt und ihre Anforderungen. Daraus lässt sich eine wunderbare Karriereplanung aufbauen und Arbeitsprozesse verbessern, damit man wieder viel mehr Freude an der Arbeit hat. Denn darauf kommt es an, wie wir mit unserem Gefühlszustand und der inneren Haltung an die Arbeit herangehen. In dieser Arbeit zeigt sich Qualität, denn die Freude ist ein wichtiger Effizienz-Booster. Wir haben keine Angst vor der zukünftigen Arbeitswelt, denn wir sehen die Chancen und bereiten uns darauf vor. Trainiert man seine Selbstkompetenzen, gelingt ein energiegeladener Sprung in die neue Arbeitswelt. «Der höchste Lohn für unsere

Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das was wir dadurch werden», sagte John Ruskin. Geben Sie sich den entsprechenden «Wertschätzungs-Booster» und motivieren Sie sich und Ihr Team mit diesen Tipps.

Get ready for 4.0 – Konkrete Schritte für Führungskräfte und Mitarbeitende >> Setzen Sie Ihre fachlichen Kompetenzen ein und erweitern Sie diese laufend >> Führen Sie organisatorische Verbesserungen durch, damit Sie möglichst im «Flow» arbeiten können. >> Gestalten Sie Ihre persönliche Arbeitsorganisation effizient. >> Arbeiten Sie in Zeitfenstern. Nutzen Sie verschiedene «Arbeitsinseln». Andere Räume bieten einen Perspektivenwechsel, können inspirieren und neue Lösungswege hervorbringen. >> Gehen Sie Probleme und Konflikte lösungsorientiert und direkt an. >> Verlieren Sie sich nicht im alltäglichen Kleinkram und lassen Sie sich nicht ablenken. Bewahren Sie den Blick auf das Wesentliche.


Menschen in Unternehmen

Seminartipp Tipps für digitale Gelassenheit. Der nomophobe Homo Sapiens 18. September 2019  18.30 – 20.00 Uhr Zürich Für Menschen, die ihr Handy nicht weglegen können, aber trotzdem einen Weg für digitale Gelassenheit finden wollen. Digital-Detox, ohne gleich zum Online-Verweigerer zu werden – das ist die Kunst der digitalen Resilienz.

Evi Giannakopoulos ist Inhaberin von stress away® in Zürich. Heute agiert man im Arbeitsalltag in einer ungeduldigen Gesellschaft Versagerängste lähmen die Produktivität.

www.stressaway.ch

Unser Ziel ist Ihr Erfolg! Management-Institut Dr. A. Kitzmann Dorpatweg 10 48159 Münster Westf. Germany Tel. CH: +41 43 5082598 Tel. DE: +49 251 202050 Fax: +49 251 2020599 E-Mail: info@kitzmann.biz Web: www.kitzmann.biz

Das Management-Institut Dr. A. Kitzmann ist ein Weiterbildungs-Institut, das sich vornehmlich an Fach- und Führungskräfte aus Wirtschaft und Verwaltung wendet.

Unsere Seminarorte: Münster, Hamburg, Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt/M., Stuttgart, München, Wien, Zürich, Warschau

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Führungskräfte beim Swiss Lean Congress 2018.

Durchstarten Alle Unternehmen haben Luft nach oben Interview mit Daniel Odermatt von Georg Lutz

Im Rahmen der Einführung von Lean Management geht es nicht um die Einführung einer neuen Software, die die Produktivität verbessert, sondern um eine Veränderung der Denkstrukturen und Herangehensweisen. «Lean» ist kein statischer Vorgang und auch kein zu erreichender Zustand, sondern ein kontinuierlicher Veränderungsprozess, der gelebt werden möchte.

S

ie haben sich, wie der Name Ihres Hauses verrät, auf «Lean» spezialisiert. Für was steht der Begriff für Sie? Können Sie dies in wenigen Worten erklären? Bei «Lean» geht es darum, sich bei jeder einzelnen Tätigkeit zu überlegen, wo der Kundennutzen liegt beziehungsweise wie der Kundennutzen verbessert werden kann. Um die Thematik an der Wurzel zu packen, muss man sich im Lean Management folgende Frage stellen: welche Tätigkeiten sind wertschöpfend und welche Tätigkeiten sind Verschwendung? Heisst das im Umkehrschluss, dass viele Unternehmen in der Schweiz noch «dick» sind? (Lacht) Ja, definitiv. Es sind aber nicht nur kleine Unternehmen betroffen. Selbst die Verantwortlichen des Weltkonzerns Toyota, welche das Lean-Konzept bereits 1947 eingeführt haben, behaupten von sich heute, dass es auch bei Ihnen noch sehr viele Verschwendungen gibt.

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Betrifft Lean Management alle Tätigkeiten in einem Unternehmen? Ja. Alle unsere Tätigkeiten können in Wertschöpfung und Verschwendung unterteilt werden. In meiner langjährigen Erfahrung mit Lean Management-Projekten hat sich herauskristallisiert, dass es in allen Bereichen und Tätigkeiten noch Verbesserungspotenzial hat. Besser geht immer, oder wie es Taiichi Ohno – damaliger Produktionsleiter bei Toyota – betont hat: «Der heutige Zustand ist der denkbar schlechteste.» Nun hat die Wirtschaft in der Schweiz – gezeichnet durch eine sehr starke Währung – ein Stahlbad der Effizienz und Produktivitätszwänge erlebt. Der Druck war und ist doch immens. Sie haben Recht. Spätestens seit 2015 gibt es wieder eine neue Druckwelle. Vor allem die Industrie war und ist betroffen. Das Positive an diesem Zustand ist, dass die Awareness von Lean-Ansätzen an Bedeutung gewonnen hat. Viele Führungskräfte haben gemerkt, dass man mit den bis-

herigen Lösungsansätzen nicht weiterfahren kann und nutzen jetzt die Chance, ihr Unternehmen mit Lean Management weiterzuentwickeln. Gab es eine historische Situation, an der sich die Firmengründung der Leancom GmbH festmachen lässt? Unser Gründer Oliver Mattmann hat schon 2011 den Handlungsbedarf gesehen. So gab es zum Beispiel viele Verlagerungen in ausländische Märkte. Es hat ihn geschmerzt, dass Schweizer Arbeitgeber durch eine gewisse Trägheit viele Arbeitsplätze riskierten. Widmen wir uns nun der Praxis und reden über die Bürowelt. Hier haben Sie den Begriff «Kaizen Office» eingeführt. Ich vermute, er stammt aus Japan und Sie können mir sicher erklären, was ein «Kaizen Office» ist? Richtig, «Kai» und «Zen» sind japanische Worte. «Kaizen» bedeutet sinngemäss «Veränderung zum Besseren». Im deutschen


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Sprachraum kennt man Kaizen eher unter dem Begriff KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess). Um nun auf die Praxis zurückzukommen: wir empfehlen allen Unternehmen, 10–15 Prozent der Arbeitszeit in die kontinuierliche Verbesserung zu investieren. Ein Beispiel: in unserem Back Office setzen wir täglich eine Stunde des Arbeitstages für die Verbesserung ein. Das heisst, dass wir in dieser Stunde nicht operativ tätig sind, sondern unsere Prozesse und Organisation täglich weiterentwickeln. Welche Verschwendungen treffen Sie im Office oft an? Die Dateiablage hat häufig das Potenzial zur Verbesserung. Wenn Sie länger als zehn Sekunden brauchen, um eine Datei zu finden, herrscht Handlungsbedarf. Da hat jeder einzelne Arbeitsplatz Luft nach oben. Ich kenne die Herausforderung. Jetzt gibt es an diesem Punkt die technische Seite, in deren Rahmen eine optimale Software eingesetzt wird. Sprich, ich arbeite mit DMS, CRM und einem guten ERP-Dach. Aber es gibt ja sicher noch andere Dimensionen? Natürlich geht es nicht nur um den eigenen Arbeitsplatz, sondern auch um die Schnittstellen, Prozesse und Arbeitskultur, sprich um die Firmenorganisation insgesamt. Hier müssen wir uns fragen, wie die Kommunikation aufgebaut ist, wie viele Schnittstellen und Rückfragen es gibt, welche Informationen relevant sind und wie diese weitergeleitet werden. Oft haben wir zu viele und/oder schlecht vorbereitete Meetings sowie zu wenig Transparenz. Gerne erstellen wir auch Dateien, die hübsch sind, dem eigenen Ego oder dem Ego des Chefs dienen, aber keinen Kundennutzen haben. Wenn man aufmerksam ist, entdeckt man viele bisher verborgene Potenziale. Ja, ich erlebe beispielsweise oft sinnentleerte und unterfordernde Power Point Präsentationen. Wie gehen Sie bei Ihren Kunden operativ vor? Gibt es strategische Meilensteine auf dem Weg zu einer Lean Company? Die gibt es. Wir wenden bei unseren Kunden sogenannte 12-Wochendesigns an. Unsere Projekte dauern immer 12 Wochen und dies vor Ort beim Kunden. Diese Zeitspanne haben wir nicht erfunden. Sie geht auf die Firma Toyota zurück, welche sich

die Frage gestellt hat, wie lange ein Projekt dauern darf, bevor wir beginnen, die Aufgaben vor uns herzuschieben. Die Antwort war: 12 Wochen. In der Folge wurden bei Toyota die Zeitfenster der Projekte entsprechend fixiert und dann der Inhalt variabel gestaltet. Meist ist das Vorgehen ja umgekehrt, der Inhalt ist fix und die Dauer vom Projekt ist variabel. Mit der veränderten Vorgehensweise werden spätestens nach 12 Wochen Verbesserungen operativ wirksam und die Projekte sind zudem effizienter und motivierender. Dieses Wissen haben wir auch auf unsere Projekte adaptiert und ermöglichen so den Kunden ein erfolgreiches Projekterlebnis. Jedes Projekt ist ein Meilenstein auf der Lean Roadmap. Oft begleiten wir unsere Kunden in der Lean Transformation mit mehreren Projekten und Workshops über mehrere Jahre hinweg. Diese 12 Wochen sind dann in unterschiedliche Phasen unterteilt? Ja, es gibt bei uns sechs Phasen. Das Projekt startet mit einer Analysephase, um einen Überblick zu bekommen und Potenziale zu erkennen. In der zweiten Phase werden die Teilnehmenden in einer Schulung vor Ort auf die bevorstehenden Veränderungen vorbereitet und alle auf den gleichen Wissensstand gebracht. In der dritten Phase entwickeln wir mit dem Kunden ein Konzept, um seine Ziele zu erreichen. In der vierten Phase wird das Konzept in der Praxis vertieft, um es in Phase fünf in Betrieb zu nehmen. Ab diesem Zeitpunkt wird im neuen Modus gearbeitet. Phase sechs bezieht sich dann auf Review, Kontrolle und Rollout. Sind Ihr Vorgehen und auch Ihre Dienstleistung für grosse und kleine Unternehmen gleichermassen geeignet? Absolut, es betrifft Firmen jeder Grösse. Denken Sie beispielsweise an die Unternehmenskommunikation – die Verbesserung der Kommunikation ist in jedem Betrieb ein wichtiges Thema, egal ob gross oder klein. Ihre Dienstleistungen umfassen ein weites Themenspektrum. Haben Sie hier jeweils die richtigen Lean Experten an Bord? Das kann ich garantieren. Unser Anforderungsprofil ist hoch und daher sind wir bei der Rekrutierung extrem wählerisch. Die Experten, die bei uns arbeiten, haben alle mehrere Jahre Erfahrung in der praktischen Umsetzung der Lean Transforma-

«Viele Führungskräfte haben gemerkt, dass man mit den bisherigen Lösungsansätzen nicht weiterfahren kann …» tion und in Change Management. Sie alle bringen einen grossen Rucksack an Erfahrungen mit. Diesen braucht es, um den Kunden einen hohen Mehrwert zu bieten. Wo liegen Ihre Schwerpunkte in der Zukunft? Sie planen im November einen schweizweit einzigartigen Kongress? Genau. Am 06. November veranstalten wir in Zürich den Swiss Lean Congress mit dem Titel «The Power of Improvement». Das ist der grösste Lean Management-Kongress der Schweiz und richtet sich an die Führungskräfte aus allen Branchen. 21 Referenten berichten aus der Praxis. Erfahrene Top-Manager, erfolgreiche Geschäftsführer und etablierte Experten/innen der Prozessexzellenz treten auf die Bühne und faszinieren die Teilnehmenden mit ihrem Know-how. In fünf parallelen Workshops können die Besucher wählen, welches Thema am besten zu ihnen passt.

Daniel Odermatt ist CEO der Leancom GmbH. www.leancom.ch www.swissleancongress.ch

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Moderne Kundenbindung für KMU Die digitale Litfasssäule im Zahlungsverkehr von Marcus Sahanek

Der Bezahlmoment ist einer der wichtigsten Kontaktpunkte zwischen Verkäufer und Käufer. Das macht Payment zu einem perfekten Ansatzpunkt für Kundenbindung. Wieso das so ist und wie Unternehmen Kunden über den Bezahlprozess binden können, erklärt Marcus Sahanek, Payment Experte und Vorstand beim Münchener Fintech XPAY in diesem Beitrag.

Bedürfnisse von Kunden in die Kommunikationsstrategie mit einbeziehen.

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undenbindungsprogramme sind aus unserer heutigen, wettbewerbsorientierten Marketinglandschaft nicht mehr wegzudenken. Sowohl auf analogem als auch auf digitalem Wege werden Ankündigungen über Kundenevents, Treuerabatte oder die Option auf Topfsets versendet und überfüllen unsere Briefkästen und E-Mail-Eingänge. Ob das wirklich treue Kunden generiert und die Wiederholungsfrequenz zu erhöhen, bleibt fraglich.

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Stempelkarte adé – digitale Wege Der Ursprung des Kundenbindungsprogramms wird ins späte 18. Jahrhundert zurückdatiert, als amerikanische Einzelhändler anfingen, ihren Kunden zu Ihren Einkäufen Kupfer-Token dazuzugeben, die sie bei künftigen Einkäufen für Rabatte und Produkte einlösen konnten. Moderne Kundenbindungsprogramme gehen auf die frühen achtziger Jahre zurück, als

American Airlines ihr Vielfliegerprogramm startete. Mittlerweile haben sich Loyalty Programme in Einzelhandel, Hotel- oder Gastronomie fest etabliert. Was lange Zeit die Stempelkarte war, wird langsam zunehmend durch digitale Programme ersetzt. Vor allem, weil diese Kosten sparen. Digitalisierung macht es möglich, allerdings schöpfen viele Unternehmen das Potential von Kundenbindungsprogrammen immer noch nicht voll aus.


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Firmenportrait XPAY bietet kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eine gebrandete Prepaid-Mastercard im Unternehmensdesign, die als modernes Kundenbindungs- und Marketinginstrument dient. Auf Basis vorkonfigurierter Fertigungsmethoden stellt XPAY mit seiner XPAY CARD ein White-Label-Programm zur Verfügung, das komplexe und zeitaufwändige regulatorische Prozesse ablöst, die bisher beim Aufsetzen eines Kartenprogrammes nötig waren.

Kunden wollen einen echten Mehrwert sehen.

Personalisierung von Kundenbindung Nur wenn ein Unternehmen die Bedürfnisse seiner Kunden in ihre Kommunikation mit ihnen einbezieht, kann diese auch effektiv sein. Das bedeutet, Kundenkommunikation sollte immer personalisiert und auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Social Listening kann zudem Marken helfen, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen. Effektive Personalisierung basiert auf drei Kernbereichen: Datenermittlung, automatisierte Entscheidungsfindung und Inhaltsverteilung. Bei der Datenermittlung geht es vor allem darum, Informationen zu bekommen, die einen aussagekräftigen Einblick in den Kunden geben. Grosse Unternehmen bedienen sich hier zum Teil durch Kundenbindungsplattformen, über die es dann möglich ist, zu bestimmen mit welcher Wahrscheinlichkeit, welcher Kundentyp für welches Interaktionsformat am empfänglichsten ist. Darauf basierend kann das Unternehmen dann personalisierte Inhalte, wie beispielsweise kundenspezifische Anzeigen, schalten. Unternehmen haben ebenfalls die Möglichkeit, personalisierte Nachrichten, User Experiences, Dienstleistungen

und Produkte anzubieten. Je nach Unternehmen und Kunden kann dies variieren. Wichtig ist aber immer, dem Kunden einen echten Mehrwert zu bieten. Neben klassischen Anzeigen ist die Kundenrückgewinnung, sogenanntes Re-Targeting über Online-Werbeflächen durchaus beliebt, und dies hat jeder ohne VPN sicherlich schon einmal erlebt. Die Tage, nachdem man nach einem Urlaub gesucht hat, bekommt man entsprechende Angebote wieder und wieder auf sämtlichen verfügbaren Werbeflächen angezeigt. Das ist für den Nutzer nicht nur nervig, sondern für das Unternehmen auch teuer. Denn diese Werbeflächen sind umkämpft und fallen dabei oft sogar Adblockern zum Opfer. Es ist also wichtig, nach immer neuen Möglichkeiten der Interaktion mit bestehenden oder potentiellen Kunden zu suchen.

eine grosse Chance für KMU, Payment einfach und kostengünstig mit automatisierten Werbemöglichkeiten zu verknüpfen. Oder einfach gesagt: Der Kunde zahlt – und bekommt unmittelbar eine Transaktionsbestätigung mit einem individualisierbaren Werbefenster. Kundenbindung und Payment miteinander zu verknüpfen bietet somit ein grosses Potential, aber es wurde bislang sehr wenig genutzt. Daran knüpft XPAY mit einem Kundenbindungsprodukt für kleine und mittelständische Unternehmen an. Kunden können im Nachgang zu einer Zahlung automatisiert beworben werden – und dies ist insbesondere für den Offline-Handel interessant. Für Onlineshops ist es leicht, den Kunden im Nachgang zum Kauf mit Werbung zu bespielen. Da im Offline-Handel der Kunde meist unbekannt ist, ist das werbemässige Reagieren auf den Kauf schwer bis unmöglich. XPAY ermöglicht die oben beschriebene Personalisierung und bietet diese völlig neue Möglichkeit jetzt in Verbindung mit einer Kundenkarte, die gleichzeitig auch Zahlkarte ist.

Marcus Sahanek

Freiflächen neu gedacht Ein Aspekt, der bislang noch wenig berücksichtigt wird, ist der Zahlungsmoment. Dabei ist genau dieser Bezahlmoment einer der wichtigsten Kontakt- und Kommunikationspunkte zwischen Verkäufer und Käufer, denn dieser steht jedem offen, der etwas verkauft. Und das wiederum bietet

baut als Experte für Kreditkarten und innovative Bezahllösungen mit seinem Fintech XPAY um den Bezahlmoment ein Kundenbindungsprodukt für kleine und mittelständische Unternehmen auf. www.xpay.de

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Es gilt die Lösungen eines Webshops genau unter die Lupe nehmen.

Webshop-Customization Sechs Kriterien mit messbarem Mehrwert von Manfred Bayer-Lemerz

Mehr Reichweite und höhere Umsätze – dies sind zumeist die erstgenannten Ziele bei B2B-Webshop-Projekten. Doch gerade im Geschäftskundenvertrieb geht es um viel mehr. Dazu gehört die Differenzierung vom Wettbewerb durch digitale Service-Angebote, interne Entlastung durch Automatisierung oder Vernetzung mit den Beschaffungsprozessen der Kunden. Die Auswahl der richtigen E-Commerce Technologie ist ein komplexer Prozess und die Möglichkeiten, sich mit seinem B2B-Webshop als bevorzugter Anbieter zu positionieren, sind vielfältig. Daher sollte auch die Frage gestellt werden, welche Anpassungen und Zusatzfunktionen sind für das eigene Unternehmen sowie die Kunden tatsächlich sinnvoll? Seite 96 // kmuRUNDSCHAU


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graler Teil des bestehenden ERP-Systems konzipiert für ein konsistentes Order- und Kunden-Management über alle Vertriebskanäle hinweg. Beide Kriterien sind wesentlich, um bei der Implementierung eines Webshops die Programmierarbeit auf ein Minimum zu reduzieren. Allerdings kann dieser Vorteil durch ein Übermass an individuellen funktionalen Anpassungen auch schnell wieder zunichte gemacht werden. Doch wie können aus einer langen Wunschliste genau die Extras identifiziert werden, die den wirtschaftlichen Erfolg des Webshops unterstützen? Das klingt nach dem Suchen einer Nadel im Heuhaufen, aber um das Suchen zu erleichtern, hat Melanie Volkmann, Expertin für Webshop-Projekte bei Sana Commerce, dafür den Guideline der sechs «Lessons Learned für WebshopCustomization» entwickelt.

Standards ausreizen

D

ie B2B E-Commerce Trends, die wir täglich wahrnehmen, zeigen uns wie sich die Welt um uns herum entwickelt. Technologien bieten mehr Komfort in unserem Leben und dazu gehören auch die Möglichkeiten zu kommunizieren, zu lernen, zu interagieren und zu kaufen. Da der Handel mit Geschäftskunden in der Regel sehr eng mit operativen und logistischen Prozessen verbunden ist, setzen viele Unternehmen auf eine B2B-E-Commerce-Lösung, die zwei Kriterien erfüllt: erstens, die Webshop-Software bietet bereits im Standardpaket alle grundsätzlich relevanten Funktionen; zweitens, sie ist von vornherein als inte-

Ist die Wahl auf eine ERP-integrierte Webshop-Lösung gefallen, die im Standardpaket flexibel anpassbare Templates und spezifische B2B-Funktionalitäten vorhält, sollten diese auch maximal ausgeschöpft werden. Die Freiheiten im Design der Seitenvorlagen und der gezielte Einsatz vorgefertigter Funktionen im Zusammenspiel mit ERP-Daten schaffen eine Fülle von Möglichkeiten sich von Wettbewerbern zu differenzieren und den Webshop benutzerfreundlich zu gestalten. Standardlösung klingt in vielen Ohren nach Mittelmass. Doch solche Vorbehalte können täuschen, vor allem bei Anbietern, die kontinuierlich die Weiterentwicklung ihrer Webshop-Funktionalitäten vorantreiben. >>Lessons Learned 1.: Es lohnt sich, die Standard-Lösung eines Webshops genau anzusehen, in ihren Funktionalitäten zu verstehen und diese mit den eigenen Anforderungen zu vergleichen. So lassen sich unnötige Implementierungs- und Folgekosten durch Customization vermeiden.

Messbare Ziele setzen Die Ziele, die mit dem Webshop verbunden sind, sollten messbar und konkret formuliert sein. Dabei gilt es, den Ist- und Soll-Zustand möglichst genau zu quantifizieren. So lässt sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Anpassungen, die mit Programmieraufwand verbunden sind, realistisch beurteilen. Wichtig ist, dabei den Einfluss des B2B-Webshop-Betriebs

auf das Gesamtunternehmen, den Vertrieb und die Kundenbeziehungen ganzheitlich in allen Abhängigkeiten zu betrachten – von der Akquise über die Bestell- und Service-Abläufe mit bestehenden Kunden bis hin zu möglichen geplanten neuen Geschäftsmodellen. Dabei können neben höheren Umsätzen und mehr Leads weitere messbare Ziele zum Tragen kommen wie beispielsweise beschleunigtes Order-Management durch automatisierte Prozesse zwischen Webshop und ERP-System, Entlastung im Kundenservice durch Self-Service-Funktionen, Abbau saisonaler Umsatzschwankungen und optimierte Lagerhaltung durch verbesserte Abverkäufe im E-Commerce oder effizienteres Management von Support- und Wartungsleistungen durch Online-Terminvergabe. >>Lessons Learned 2.: Je genauer Ziele definiert und messbar sind, umso einfacher fallen Entscheidungen, welche Customization-Anforderungen priorisiert, beziehungsweise welche tatsächlich umgesetzt werden sollen.

Folgen von Customization analysieren Die Programmierung individueller Webshop-Funktionen kann es erfordern, dass auch das ERP-System angepasst werden muss, etwa in Form neuer Datenspalten oder Verknüpfungen. Dies gilt es nicht nur anzulegen, sondern auch zu pflegen und neu in bestehende Prozesse einzubinden. Zudem müssen dann auch die «Callback Interfaces» beider Systeme angepasst werden, um Abfragen aus dem Webshop im ERP-System zu verarbeiten und umgekehrt. Dieser Mehraufwand sollte auch einem entsprechend messbaren Vorteil für Kunden und/ oder für die eigenen Prozesse gegenüberstehen. Zudem gilt, dass die Anpassungen zuverlässig dokumentiert werden müssen. Dies ist nicht nur für spätere Upgrades der Webshop-Software wichtig. Auch das ERP-System unterliegt immer wieder Veränderungen, die ihrerseits wiederum im Webshop abgebildet werden müssen. >>Lessons Learned 3.: Bei Customization-Entscheidungen sollten auch die ERP-Verantwortlichen einbezogen werden, um die Gesamtkosten solcher Massnahmen verifizieren und technische Konsequenzen für das ERP-System beurteilen zu können. 

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Konsequenzen für den Webshop-Betrieb

Prozesse der Kunden in den Fokus stellen

Programmänderungen oder -erweiterungen an Webshop-Systemen erhöhen zumeist den Pflegeaufwand für die Software im Betrieb und erfordern bei System-Upgrades besondere Berücksichtigung. Hier stellt sich die Frage, ob dies durch eigene Mitarbeiter übernommen werden kann oder externe Unterstützung nötig ist. Bei Release-Wechseln kann es sogar erforderlich sein, die individuellen Funktionen komplett neu nachzubauen, wofür in den meisten Fällen spezialisierte Partnern beauftragt werden müssen. >>Lessons Learned 4.: Customization von Webshop-Software ziehen Folgekosten nach sich, die abhängig von Art und Umfang sehr unterschiedlich ausfallen. Ratsam ist es daher, sich hier eine realistische Einschätzung von Webshop-Experten einzuholen.

In vielen Branchen profitieren Kunden erheblich, wenn der Order-Prozess über einen B2B-Webshop direkt mit ihrem eigenen ERP-System verknüpft ist. Dies gelingt über ein Open Catalog Interface (OCI). Die standardisierte, offene Schnittstelle ermöglicht den Austausch von Katalogdatensätzen zwischen dem ERP-System des Kunden und dem Online-Bestellsystem des Anbieters. So werden Bestellungen über den Webshop mit dem ERP-System abgewickelt, wodurch automatisch kundenspezifische Aspekte, beispielsweise die Nutzung bestimmter Kennziffern, Sortimente oder Preisgestaltung, berücksichtigt und Fehler minimiert werden. Mit OCI können daher Anforderungen zu automatisiertem Procurement und attraktiver Produktpräsentation im Webshop gleichermassen erfüllt werden.

Der messbare Mehrwert für den Kunden ist das zentrale Ziel.

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>>Lessons Learned 5.: Customization im Hinblick auf die Procurement-Anforderungen der Kunden sollten auf der Prioritätenliste ganz oben stehen. Denn dies ist ein wichtiges Instrument der langfristigen Kundenbindung und schafft unmittelbar Vorteile für beide Seiten.

Den Unique Selling Point stärken Hilfreich beim Auswahlprozess von «customized Funktionen» ist, das Einkaufsverhalten typischer Kunden im Detail anzusehen. Beispielsweise kann es sinnvoll sein, Kunden nur die für sie relevanten Produkte anzuzeigen, Sonderverkäufe anhand von IP-Adressen der User regional unterschiedlich zu gestalten, Ersatzteilbestellungen mit Hinweisen zu Wartungsterminen zu verbinden oder Lieferzeiten so zu definieren, dass die Logistikkosten minimiert werden. Bei Produktgenerationen,


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Kunden wollen die richtigen Produkte oder passende Alternativen sehen.

die lange am Markt sind, begrüssen es langjährige Kunden, dass sie auch anhand alter Kennziffern die richtigen Produkte oder passende Alternativen finden. Dazu zwei Beispiele aus der jüngsten Praxis: um Fachhändler über die Verfügbarkeit von Artikeln zu informieren und das Timing für Wiederbestellungen zu vereinfachen, zeigt der Sportartikel-Hersteller Boards & More seinen Lagerbestand mit Hilfe von Ampeln an. Und für den Fall, dass im Laden Verkäufer gemeinsam mit Kunden online nach einem Produkt suchen, lassen sich Einkaufspreise im B2B-Webshop einfach ausblenden. Ein «fancy» Beispiel aus dem Consumer-Bereich ist ein Webshop-Tool, mit dem ein Baumarkt nach Eingabe des Automodells online anzeigt, ob die Werkzeuge und Materialien im Warenkorb bei der Abholung auch in das Fahrzeug hineinpassen. Was erleichtert Kunden das Leben? Letztlich sind es genau diese Komfortfunktionen, die einen Webshop für Kunden attraktiv machen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Webshop im Standard aber erst mal «stehen» und – wenn möglich – das Feedback von Testkunden eingeholt werden sollte, bevor über den

Sinn und wirtschaftlichen Nutzen aufwendiger Extra-Programmierungen final entschieden wird. >>Lessons Learned 6.: Wenn die Standardfunktionen ausgeschöpft sind, können nach sorgfältiger Auswahl individuelle Programmierungen den entscheidenden Unterschied ausmachen und dazu beitragen, dass Kunden die Webshop-Angebote schnell akzeptieren und intensiv nutzen – ein wichtiger Aspekt, wodurch auch interne Vorteile durch den Webshop beschleunigt greifen und sich die Investitionen amortisieren.

die Auswahl und Priorisierung von aufwendigen Anpassungen zu erleichtern, sind daher – kurz gesagt – die Antworten auf folgende drei Fragen wesentlich: welche Ziele sollen mit dem Webshop erreicht werden? Welche Funktionen schaffen für Kunden einen messbaren Mehrwert? Welche Funktionen stärken den USP und schaffen messbaren Mehrwert für interne Prozesse? Die konsequente Ausrichtung aller Aktivitäten auf die gewünschten Zielgruppen und der damit verbundene Erfolg befindet sich in den Antworten dieser Fragen.

Die lange Liste der Wünsche Geprägt von persönlichen E-CommerceErfahrungen als Verbraucher ist es für Unternehmen durchaus eine Herausforderung, für den elektronischen Handel mit Geschäftskunden die Funktionalitäten zu identifizieren, die als «Must-have» zusätzlichen Programmieraufwand rechtfertigen. Wenn Unternehmen ein Webshop-Projekt starten – erstmals oder zur Ablösung eines bestehenden Systems – ist die Liste der Wünsche häufig lang. Um

Manfred Bayer-Lemerz ist seit 2014 als General Manager DACH bei Sana Commerce für Deutschland, Österreich und die Schweiz verantwortlich. www.sana-commerce.com

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kolumne

Chatbots helfen Kunden von Marco Schulz

«

Artificial Intelligence» ist auf dem Vormarsch; Chatbots sind im Zuge dessen zurzeit in aller Munde. Die Erwartungen der Schweizer Unternehmen an die Performance dieser Technologie sind hoch. Allerdings sind die Anwendungskontexte im E-Commerce nicht immer optimal. Einer der Gründe dafür ist: Die Unternehmen stellen bei der Entwicklung der Chatbots nicht die Nutzwerte für Kunden und Websitebesucher in den Vordergrund, sondern ihre eigenen Anforderungen und Möglichkeiten. Auch werden Nutzer häufig zu einem falschen Zeitpunkt in der Customer Journey mit einem Bot konfrontiert und über die Funktionalitäten zumeist nicht hinreichend aufgeklärt.

Bislang setzen Schweizer Unternehmen Chatbots vor allem im Kundenservice ein. Dabei haben sie auch in anderen Bereichen grosses Potenzial. Tatsächlich sehen die Schweizer und Schweizerinnen in der Produktesuche und -bestellung die wichtigsten Anwendungsfälle für Chatbots. Das zeigt unsere aktuelle Studie, für die wir, zusammen mit der Digital-Agentur DieProduktMacher, mehr als 1‘000 Internetnutzer und -nutzerinnen befragt haben. Auch wenn erst 25 Prozent der befragten Konsumenten und Konsumentinnen einen Chatbot aktiv genutzt und eine regelmässige Nutzung sogar nur rund 2,8 Prozent der Befragten durchgeführt haben, können sich über 60 Prozent der Nutzer und Nutzerinnen vorstellen, einen Chatbot zu verwenden. Ob die Verwendung auch tatsächlich Vorteile für die Anwender bringt, haben wir im Rahmen der Studie mit einem eigens konzipierten Chatbot getestet. Wir haben die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen aufgefordert, auf der Skiticket-Plattform von Ticketcorner eine Bestellung durchzuführen – mit Chatbot oder klassisch auf der Website. Bei der Durchführung der Bestellung bei Ticketcorner stellte der Website-Checkout einen Grossteil der Probanden vor grosse Hürden: nur 23 Prozent konnten die gestellte Aufgabe, einen bestimmten Ski-Pass zu kaufen, erfolgreich abschliessen. Wurde der Bestellprozess in den einzelnen Schritten durch den Chatbot unterstützt, erhöhte sich die Anzahl der Nutzerinnen, die die

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Aufgabe erfolgreich lösen konnten, auf 46 Prozent und somit auf das Doppelte. Die Nutzung des Chatbots bietet dialogbasierte Hilfestellung und zeigt im vorliegenden Case deutliche Stärken der Nutzerführung. Durch die klare Guidance und Unterstützung im gesamten Prozess ist der gefühlte Aufwand zur Erledigung der Testaufgabe beim Chatbot-Bestellprozess geringer und erklärt dadurch die höhere Erfolgsquote. Der Vergleich zeigt deutlich: Chatbots haben das Potenzial, komplexere Prozesse im E-Commerce abzudecken und die Kunden dabei zu begeistern. Das An-die-Hand-Nehmen des Nutzers durch den Bot im Bestellprozess kann die Conversion Rate und somit das Umsatzpotential deutlich steigern. Auch das Nutzererlebnis verbessert sich: die Usability, gemessen durch den System Usability Scale (SUS), verbessert sich in unserer Vergleichsstudie beim Chatbot-Prototypen signifikant um 10,9 Punkte gegenüber der Website auf einen Wert von 72,6. Ich muss zugeben, die Überlegenheit des Chatbots in sämtlichen Belangen des Bestellprozesses hat mich tatsächlich erstaunt. Sie zeigt das grosse Potenzial im E-Commerce, insbesondere in komplexeren und noch unbekannten Prozessen, wie dem in unserer Studie gewählten Beispiel. Auch andere Branchen mit vielschichtigen E-Commerce-Prozessen, wie zum Beispiel Versicherungen, können mit Conversational User Interfaces (UI) den Prozessen damit peu à peu die Komplexität nehmen.

Marco Schulz ist Director der elaboratum suisse, einem spezialisierten Beratungsunternehmen für ganzheitliche Digitalisierungs-, E-Commerce- und Cross-Channel-Beratung mit Sitz in Bern. www.elaboratum.ch


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franklinturm.ch Ausgabe 2/2019 // Seite 101


Die Welt der Finanzen

Pensionskassen müssen auf die steigende Lebenserwartung reagieren.

Berufliche Vorsorge für KMU Worauf bei der Pensionskassenwahl zu achten ist von Harro Hormann

Die berufliche Vorsorge wird als strategisches Thema immer bedeutsamer. Denn Firmen haben, je nachdem, wo sie im Lebenszyklus stehen, ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Pensionskasse. Dabei stellt sich nicht nur die Frage nach der passenden Lösung, sondern ganz generell nach dem passenden Vorsorgeanbieter und der richtigen Modellwahl. Es gilt, die verschiedenen Indikatoren sorgfältig abzuwägen und eine ganzheitliche Betrachtung einzunehmen.

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ollversicherung oder teilautonome Lösung? Der Markt geht klar in Richtung teilautonome Vorsorgelösungen, da das Marktumfeld schwierig ist, um die nötigen Erträge zu erwirtschaften. Hinzu kommt die finanzielle Belastung aufgrund der hohen gesetzlichen Umwandlungssätze. Deshalb entscheiden sich immer mehr Anbieter für teilautonome Vorsorgelösungen. Vor allem bei der Kapitalanlage unterscheiden sich die Modelle: Bei einer teilautonomen Lösung tragen die Versicherungsnehmer das Anlagerisiko ihrer Pensionskassengelder selbst, partizipieren aber auch an den Anlageerträgen. Wie viel kostet die Sicherheit in der Vollversicherung? Wie gross ist das Risiko im teilautonomen Modell? Und welche Faktoren sind bei der Wahl der passenden Pensionskasse relevant?

Anlagegarantien oder höhere Renten? Vollversicherungslösungen stehen für Sicherheit, doch diese kostet: Zins- und Kapitalgarantien beruhen auf dem vom Aktionär zur Verfügung gestellten Kapital, und daher erwartet er eine risikoadäquate

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Entschädigung. Durch eine sicherheitsorientierte Kapitalanlagestrategie versuchen die Versicherer deshalb, mit möglichst wenig Risikokapital auszukommen. Zusätzlich generieren sie über höhere Risiko- und Verwaltungsbeiträge Zusatzerträge. Für den Versicherten bedeutet dies, dass die zur Verfügung gestellten Garantien keineswegs zum Nulltarif erhältlich sind. Der Preis für die gewährten Garantien besteht in geringen Kapitalerträgen auf den angesparten Altersguthaben aufgrund der defensiven Anlagepolitik und der erhöhten Kosten für die Risikoabdeckung. Die anhaltend tiefen Zinsen und das enge Anlagenkorsett führten in den letzten Jahren zu einem immer unvorteilhafteren Kosten-Nutzen-Verhältnis für den Versicherten: Der Preis ist laufend gestiegen, die Verzinsung der Altersguthaben sowie die Umwandlungssätze sind jedoch gesunken. Wer den Markt beobachtet, sieht, dass im teilautonomen Modell im Schnitt eine höhere Rendite erreicht wird. Bei teilautonomen Vorsorgeeinrichtungen fliessen die Kapitalerträge den Versicherten zu, was

So unterscheiden sich die Vorsorgemodelle Bei Vollversicherungslösungen muss der Versicherer Altersguthaben zum gesetzlichen Mindestzinssatz verzinsen – unabhängig davon, ob er auf den investierten Altersguthaben eine entsprechende Rendite erzielt. Eine Unterdeckung ist nicht möglich; die Versicherer müssen die Vorsorgeleistung stets zu 100 Prozent garantieren. Vollversicherer unterliegen strengeren Anlagevorschriften sowie detaillierteren aufsichtsrechtlichen Vorgaben als teilautonome Anbieter. Bei teilautonomen Vorsorgelösungen wird nur das Todesfall- und Invaliditätsrisiko an eine Versicherungsgesellschaft übertragen. Die Altersguthaben der Versicherten werden dagegen am Kapitalmarkt angelegt. Somit partizipieren die Versicherungsnehmenden direkt von den Erträgen, teilen aber auch allfällige Verluste. Teilautonome Anbieter profitieren zudem von flexibleren Anlagemöglichkeiten.


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zu einer höheren Verzinsung führt. Vielfach sind im teilautonomen Modell aber auch die notwendigen Risikobeiträge für Versicherte und Arbeitgeber vorteilhafter.

Die Risiken des teilautonomen Modells Mit dem Entscheid für eine teilautonome Vorsorgelösung tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anlagerisiken. Die Altersguthaben sind nicht mehr zu jeder Zeit zu 100 Prozent gedeckt. Kurz- und mittelfristige Schwankungen an den Finanzmärkten können temporär zwar zu einer Unterdeckung der Kasse führen, dies hat jedoch keine unmittelbaren Konsequenzen für die Versicherten. Erst bei einer länger dauernden und substanziellen Unterdeckung muss die Vorsorgeeinrichtung Sanierungsmassnahmen prüfen. Dabei greift die schärfste Sanierungsmassnahme erst sehr spät, nämlich die Erhebung von Zusatzbeiträgen. Selbst während der Finanzmarktkrise 2008 / 09 genügten weitaus weniger einschneidende Massnahmen wie die Mindestverzinsung der überobligatorischen Altersguthaben, um eine nachhaltige Gesundung einzelner Vorsorgeeinrichtungen einzuleiten. Dies macht deutlich, dass das Risiko einer längerfristigen Unterdeckung bei einer umsichtigen Stiftungsführung und professioneller Anlage-

verwaltung gering ist. Denn auch bei teilautonomen Versicherungslösungen unterliegt die Anlageverwaltung strengen gesetzlichen Vorschriften und wirksamen Schutzmechanismen. Welche Vorsorge am besten zur unternehmerischen Situation passt, hängt von verschiedenen Faktoren ab – eine isolierte Betrachtung ist wenig zielführend. Dabei ist nicht nur zwischen Risiko und Sicherheit abzuwägen, auch technische Indikatoren sind zu vergleichen, was nicht immer leicht ist.

Der Umwandlungssatz als Indikator Der Umwandlungssatz ist der Umrechnungsfaktor, der bestimmt, wie das angesparte Vorsorgekapital in eine jährliche Rente umgewandelt wird. In die Berechnung des Umwandlungssatzes fliessen Annahmen über die Lebenserwartung, die zukünftige Verzinsung (= technischer Zins) des Kapitals sowie über die anwartschaftlichen Leistungen wie Ehegattenrente oder Kinderrente ein.Bei der Wahl einer Vorsorgelösung sollte die Thematik Umwandlungssatz differenziert betrachtet werden. Das Gesetz schreibt im Bereich des BVGObligatoriums einen Mindest-Umwandlungssatz von 6.8 Prozent vor, das heisst,

ein Kapital von 100’000 Franken ergibt eine jährliche Rente von 6 800 Franken. Zur Erinnerung: Bei der Einführung des BVG im Jahr 1985 belief sich der Umwandlungssatz auf 7,2 Prozent. Aktuell bewegt sich der mathematische korrekte Satz um die fünf Prozent. Auf politischer Ebene ist trotz starken Drucks wenig geschehen; die Politiker sind sich nicht einig, wie sie der Thematik des Umwandlungssatzes begegnen sollen. Das Kapitaldeckungsverfahren im BVG ist im Gegensatz zum Umlageverfahren bei der AHV so ausgelegt, dass jeder Versicherte mit seinem Kapital seine eigene, lebenslange Rente finanzieren kann. Die Herausforderungen für die Vorsorgeanbieter sind aufgrund der steigenden Lebenserwartungen und geringer Kapitalerträge enorm. Daher senken diverse Vorsorgeeinrichtungen, so auch die Sammelstiftung Vita, die Umwandlungsätze. Aus Versichertensicht werden diese Senkungen grundsätzlich als schlecht empfunden. Verschiedene Anbieter – mit derzeit noch höheren Umwandlungssätzen – versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen, um neue Kunden zu gewinnen. Es ist davon auszugehen, dass früher oder später die Mehrheit der Vorsorgeanbieter ihre Umwandlungssätze nach unten korrigieren muss. Die Pensionskassen müssen den Versicherten eine lebenslange Altersrente garantieren. Da die Versicherten immer länger leben und das persönlich angesparte Alterskapital für ihre Rentenzahlungen nicht ausreicht, müssen zusätzliche Gelder zur Verfügung gestellt werden. Nur so kann die Pensionskasse den Rentenverpflichtungen nachkommen. Diese zusätzlichen Gelder gehen zulasten der aktiven Versicherten, denn einen externen Sponsor gibt es leider nicht. Diese sogenannte Umverteilung beläuft sich gemäss Auswertungen der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge im Vorsorgemarkt Schweiz auf jährlich rund 6.7 Milliarden Schweizer Franken bezogen auf die Jahre 2014 bis 2018.

Bei Vorsorgefragen sollten technische Indikatoren verglichen werden.

Fazit: Ein niedriger Umwandlungssatz ist per se nicht schlecht, sondern bedeutet, dass die Pensionskasse ihre Hausaufgaben bereits gemacht und die Weichen für eine solide Zukunft gestellt hat. Besonders die aktiven Versicherten müssten sich eigentlich über jede Senkung des 

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Um einen wirklich entscheidungsrelevanten Vergleich machen zu können, sollte das Zusammenspiel der relevanten Faktoren verstanden werden. So auch das Verhältnis zwischen Aktiven zu Rentnern: Je weniger Rentner in einer Pensionskasse sind, desto geringer fällt die Umverteilung von «Jung» zu «Alt» aus. Sollte es zu einer Unterdeckungssituation kommen, lässt sich ein Vorsorgeanbieter mit wenigen Rentnern deutlich einfacher sanieren als einer mit einem grossen Rentnerbestand.

ganzheitliche Betrachtung

Welches Modell ist das richtige: Vollversicherung oder teilautonome Lösung?

Umwandlungssatzes in ihrer Pensionskasse freuen, denn dies bedeutet für sie eine höhere Verzinsung ihrer Altersguthaben. Höhere Altersguthaben führen bei einem reduzierten Umwandlungssatz unter Umständen zu einer ähnlichen Rentenhöhe wie vor der Senkung des Umwandlungssatzes.

Der technische Zinssatz als Indikator Der technische Zinssatz ist der Diskontsatz (oder Bewertungszinssatz), mit dem für die Berechnung der Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen die erwartete Rendite auf diesen Kapitalien berücksichtigt wird. Er dient somit der Rechnungsannahme: Wie hoch kann das für die Rentenzahlungen zurückgestellte Kapital verzinst werden? Diese Annahme hängt von der Erwartung der Finanzmarktentwicklung ab. Je nach Renditeerwartung ergibt sich für dasselbe Kapital eine höhere oder tiefere Altersrente – zu berücksichtigen ist zusätzlich die bereits erwähnte Lebenserwartung. Der technische Zinssatz ist eine wichtige Grundlage für die Festlegung des Umwandlungssatzes. Doch Vorsicht, mit der Verzinsung der Altersguthaben der aktiven Versicherten hat er nichts zu tun, vielmehr ist er eine rechnerische Annahmegrösse. Der technische Zinssatz darf maximal der effektiven langfristigen Nettorendite eines Vorsorgewerkes entsprechen. Da die künftige Nettorendite unbekannt ist, sollte der technische Zins mindestens 0,5–0,75 Prozent unter der erwarteten Nettorendite liegen. Der Stiftungsrat legt den Wert fest, in

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Anlehnung an den von der Kammer der Pensionskassenexperten definierten technischen Referenzzinssatz. Aktuell liegt dieser bei zwei Prozent.

Der Deckungsgrad als Indikator Der Deckungsgrad ist eine Kennzahl, die das Vorsorgevermögen ins Verhältnis zu den Verpflichtungen setzt. Er gibt an, zu wie viel Prozent die Verpflichtungen einer Vorsorgeeinrichtung an einem bestimmten Stichtag mit ihren Vermögenswerten gedeckt sind. Ein Deckungsgrad von 100 Prozent besagt, dass alle Verpflichtungen durch die Anlagen gedeckt sind. Um die finanzielle Situation von Pensionskassen zu vergleichen, wird häufig der Deckungsgrad betrachtet. Es ist jedoch viel zu einfach zu meinen, dass eine Pensionskasse mit einem Deckungsgrad von beispielsweise 105 Prozent automatisch schlechter dasteht, als eine mit einem Deckungsgrad von 110 Prozent. Daher ist von einer isolierten Betrachtung abzuraten. Es gilt auf das «Kleingedruckte» des Geschäftsberichtes zu achten: zum Beispiel auf die Höhe des technischen Zinssatzes, das Verhältnis von Aktiven zu Rentnern oder die Höhe des Umwandlungssatzes. So muss davon ausgegangen werden, dass ein technischer Zinssatz von beispielsweise 2.75 Prozent im Normalfall ziemlich rasch nach unten korrigiert werden muss. Wichtig zu wissen ist, dass eine Senkung des technischen Zinssatzes um 0,5 Prozent zu einer Senkung des Deckungsgrades von rund fünf Prozent führt.

Der Entscheid für die passende Vorsorgelösung bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung. Die relevanten Indikatoren und Faktoren sollten sorgfältig abgewogen werden. Ein Vorsorgeanbieter, der die Umwandlungssätze senkt und die technischen Parameter den Marktgegebenheiten anpasst, handelt verantwortungsvoll, weitsichtig und im Interesse der aktiven Versicherten. Was die verschiedenen Modelle anbelangt, so haben teilautonome Vorsorgelösungen ihre Leistungsfähigkeit schon lange unter Beweis gestellt. Der Wechsel aus einer Vollversicherung in ein teilautonomes Vorsorgemodell bleibt ein wichtiger Entscheid. Bei einem sachlichen Vergleich der Risiken und Chancen schlägt das Pendel heute tendenziell zugunsten des teilautonomen Modelles aus. Die Chancen auf eine marktkonforme Verzinsung der Altersguthaben sowie kostengünstige Beiträge Arbeitgeber- und Versichertenbeiträge werden von Entscheidungsträgern weitaus höher gewichtet als die begrenzte Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Unterdeckung. Eine bessere Verzinsung und im Marktvergleich attraktive Umwandlungssätze eröffnen die Aussicht auf substanziell höhere Renten – davon haben die Versicherten im Alter mehr als von einer teuren Anlagegarantie.

Harro Hormann ist Sales Manager bei der Sammelstiftung Vita. www.vita.ch


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Die Wetterextreme nehmen zu.

Besser gewappnet Mit Insurtech besser gerüstet für Katastrophen von Laura Drabik

Besseres und menschlicheres Katastrophenmanagement durch Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Insurtechs. Das ist die Strategie, die in Zeiten vermehrter Schadenfälle durch extreme Wetter- und Klimaphänomene das Gebot der Stunde ist.

W

eltweit erleben wir eine enorme Anzahl an wetterbedingten Katastrophen, darunter Erdbeben, Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen. Der Klimawandel setzt immer eindeutigere Zeichen. Im Jahr 2017 betrugen die Kosten für Naturkatastrophen allein in den USA 306 Milliarden Dollar. Das darauffolgende Jahr 2018 war, gemessen an den versicherten Schäden, das viertteuerste Jahr seit 1980. Die Kosten von 306 Milliarden Dollar wurden an Hunderttausende betroffene Familien ausbezahlt, um beschädigte oder komplett zerstörte Häuser wiederaufzubauen – zudem an tausende Gemeinden, die schwere Schäden erlitten hatten. Versicherungs-

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nehmer im Schadenfall zu unterstützen ist die Aufgabe der Versicherungsbranche. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, müssen Versicherer den technologischen Wandel vorantreiben. Als Reaktion auf solche Katastrophen hat sich die Versicherungswirtschaft mit der Frage beschäftigt, wie man moderne Technologie mit einem menschlichen Servicemodell verbinden kann. Insurtechs sind bestens dafür positioniert, technologische Innovationen für eine wirkungsvolle Reaktion auf Katastrophen voranzutreiben. Die Zusammenarbeit mit traditionellen Versicherern fördert dabei die Effizienz und bietet eine menschliche Komponente

im Kundenservice. Gleichzeitig haben Versicherungsmitarbeiter mehr Zeit für Aufgaben, die Empathie und persönlichen Kundenkontakt erfordern.

Herausforderungen der Branche Versicherer stehen bei der Bewältigung von Naturkatastrophen vor drei grossen Herausforderungen: >>Technologie optimiert und vereinfacht zwar die Schadenbearbeitung, aber bei einer Naturkatastrophe kann es zu Stromausfällen und Störungen der Internetdienste kommen, sodass moderne Technologien nicht mehr eingesetzt werden können.


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>>Die Menge an Schadenmeldungen im Katastrophenfall mit bis zu mehreren Zehntausend Meldungen pro Tag überfordert Versicherer nach wie vor. >>Die Prüfung, welche Versicherungsnehmer in welchem Masse betroffen sind und welche Deckungssummen ihnen zustehen, muss schnell und effizient erfolgen. Dabei ist es für Versicherer besonders wichtig, festzulegen, wie Risiken entschärft werden können, denn meist steigt die Schadenhöhe im Anschluss an die eingetretene Naturkatastrophe noch weiter an. Je schneller reagiert wird, um den Schaden zu begrenzen, beispielsweise durch den Bau von Dämmen oder die Reparatur von abgedeckten Dächern, desto kleiner ist die Auswirkung und desto geringer wird letzten Endes die Gesamtschadensumme. Innovative Lösungen von Insurtechs können in solchen Fällen den Service von Versicherern bereichern und die Bearbeitung des gesamten Schadenzyklus optimieren.

Chatbots und Drohnen Drohnen werden von Insurtechs im Katastrophenfall dazu eingesetzt, um grössere Schäden aus sicherem Abstand von oben zu begutachten und Schäden an schwer zugänglichen Orten zu inspizieren. Für Versicherer ist es aus Kostengründen nicht wirtschaftlich, eigene Drohnenpiloten zu beschäftigen. WeGoLook, ein Unterneh-

men, das weltweit circa 45‘000 sogenannte «Lookers» on-demand beschäftigt, ist auf die Datenerfassung sowie die Durchführung von Überprüfungen im Ausseneinsatz spezialisiert. Unter anderem beschäftigt WeGoLook auch Drohnenpiloten, die in Notfallsituationen beauftragt werden können. So bietet das Unternehmen Versicherern die Möglichkeit, eine Belegschaft auf Abruf zu schaffen, die aus Profis in ihrem jeweiligen Gebiet besteht. Manche Versicherer lehnen den Einsatz von Fremdressourcen aber nach wie vor ab, da sie fürchten, die Kontrolle über den gelieferten Servicelevel zu verlieren. Zudem befürchten sie, dass im Katastrophenfall die Ressourcen von Drittanbietern nicht für alle interessierten Versicherer ausreichen würden.

Kunden, die lieber mit einem Kundenservicemitarbeiter am Telefon sprechen möchten. Trotzdem sind Chatbots nutzerfreundliche, vertraute Tools, die sofort einige Antworten geben können, und somit beruhigend auf die Kunden wirken. So können Geschädigte in einer Notfall- und Ausnahmesituation schnell mit ihrem Versicherer in Kontakt treten. Chatbots geben Kunden ausserdem die Möglichkeit, die Form der Kontaktaufnahme selbst zu wählen. Viele Versicherer erwägen, ihren Kunden Chatbots als Option anzubieten. Diese haben dann die Möglichkeit, statt für eine längere Zeit in der Warteschleife des Call Centers warten zu müssen, einen geführten Chatbot auf der Website des Versicherers in Anspruch zu nehmen.

Chatbots, die über Apps wie beispielsweise den Facebook Messenger kommunizieren und schneller erreichbar sind als ein Mitarbeiter im Callcenter, sind im Katastrophenfall ebenfalls ein hilfreiches Tool. Geführte Chatbots übernehmen Schadenerstmeldungen oder FAQ-Prozesse und ermöglichen Versicherungsnehmern, Schadenmeldungen innerhalb von Minuten einzureichen oder dringende Fragen zu klären – wie zum Beispiel welche Möglichkeiten es gibt, Fenster vor Sturmschäden zu schützen oder wie mit rauchbeschädigtem Eigentum zu verfahren ist. Chatbots können das Call Center aber nicht komplett ersetzen. Es gibt immer

Gewinnbringend einsetzen Das Unternehmen Betterview bietet Versicherern satellitengesteuert und von Luftbild- und Vermessungstechnikern gewonnenes hochauflösendes Material. Dieses ermöglicht genaueres Underwriting sowie eine effektivere Schadenbearbeitung. Bei zurückliegenden Naturkatastrophen, wie beispielsweise Hurricane Michael oder Vulkanausbrüchen auf Hawaii konnten anhand so gesammelter Bild- und Analysedaten besonders stark beeinträchtigte Gebäude identifiziert werden. In einigen Fällen können Versicherer Schadenmeldungen anhand hochauflösender Bilder direkt bearbeiten. Ausserdem können eventuell auftretende Risiken identifiziert werden, bevor diese zu tatsächlichen Schäden führen. Zum Beispiel können gefährdete Regionen, in denen eine hohe Waldbrandgefahr besteht, schon im Vorfeld eines Brandes per Satellit oder aus der Luft ausfindig gemacht werden. Kespry ist ein weiteres innovatives Insurtech das sowohl Schadenregulierern als auch Dachdeckern die Möglichkeit bietet, ein Dach anhand des Kespry-Drohnensystems 

Unternehmensportrait

Chatbots helfen bei der Kommunikation.

Guidewire bietet die Branchenplattform, auf die Schaden- und Unfallversicherer setzen, um in einer Zeit des immer schnelleren Wandels erfolgreich zu sein. Das Unternehmen liefert seinen Kunden Software, Services und ein PartnerÖkosystem für Betrieb, Differenzierung und Wachstum ihres Unternehmens.

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Ein Drohneneinsatz bietet einen besseren Überblick im Schadensfall

schnell und sicher zu untersuchen. Hierfür sind keinerlei Kenntnisse im Umgang mit Joysticks oder gar Flugerfahrung notwendig. Das Unternehmen bietet die erforderliche Soft- und Hardware, anhand derer der Schadenregulierer das Gebäude von sicherem Boden aus anhand eines Tablets inspizieren kann. Ein darüber hinaus nennenswertes Insurtech ist Livegenic. Das Unternehmen stellt Schadenregulierern Fotos, Videos sowie eine Einschätzung des zu erwartenden Verlusts zur Verfügung, sodass diese schnellstmöglich mit der Schadenbearbeitung beginnen können. Die Daten werden hierbei von Versicherungskunden oder Sachverständigen gesammelt. Da es im Katastrophenfall häufig zu Verbindungsproblemen kommt, ist es möglich,

diese im Offline-Modus zu sammeln und erst dann zu synchronisieren, wenn wieder eine stabile Verbindung besteht. Um sicherzustellen, dass Geschädigten die korrekte Schadenhöhe ausbezahlt wird, können Versicherer Lösungen von Insurtechs wie FRISS und Shift Technology einsetzen. Diese bieten Betrugserkennungssysteme, basierend auf Predictive Analytics. Dies kann sowohl bei der ersten Datenerhebung als auch im weiteren Verlauf des Schadenzyklus erfolgen, wenn neue Erkenntnisse gewonnen werden.

Innovation fördern Insurtechs bieten Verfahren und Mittel, um Versicherungsnehmer im Schadenfall zu unterstützen, sind aber gleichzeitig nur wenig spezifisch. Lösungen werden für

verschiedene, eher theoretische Use-Cases entwickelt, anstatt für realitätsnahe Szenarien. Traditionelle Versicherer kennen ihre Kunden und die Branche besser, können aber mit der Innovationsgeschwindigkeit von Startups nicht mithalten. Durch Kooperation können Versicherer und Insurtechs bedarfsgerechte, innovative Lösungen entwickeln, die die Effizienz im Versicherungslebenszyklus erhöhen und den Kundenservice verbessern. Aufgrund der extrem hohen Schäden durch Naturkatastrophen, die wetterbedingt auch weiterhin steigen werden, sollten sich Versicherer die Stärken von Insurtech zu Nutze machen. So können Versicherungsmitarbeiter die Versprechen, die sie in Form von Versicherungspolicen verkauft haben, besser erfüllen.

Laura Drabik ist Vizepräsidentin der Sparte Business Innovation bei Guidewire Software. Wie sehen die heutigen Rettungsringe von Versicherungsanbietern aus?

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Ein wichtiger Teil von SWISS: Sunrise.

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Auch Unternehmer sind sterblich Nachfolge richtig aufgleisen von Stephan Jansen

Viele Unternehmer schieben das Thema Unternehmensnachfolge auf die lange Bank. Dadurch gefährden sie oft ihr Lebenswerk. Denn nicht nur die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, auch eine geordnete Unternehmensübergabe erfordert Zeit.

Emotionale Familienbande können nüchterne Entscheidungen blockieren.

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nahme des elterlichen Betriebs überhaupt mit den Lebensvorstellungen meines Sohns oder meiner Tochter vereinbar? Denn wenn der Sohn oder die Tochter nicht voller Überzeugung «Ja» zur Firmenübernahme sagt, ist er/sie auch nicht mit Herzblut dabei. Das ist aber zum erfolgreichen Führen eines Familienbetriebs wichtig. Erst nach dieser Prüfung sollte gemeinsam die Entscheidung getroffen werden, ob der Nachwuchs eventuell in die elterlichen Pfade tritt. Diese Entscheidung sollte, solange die Vorbereitung dauert, eine vorläufige sein. Denn der potenzielle Nachfolger entwickelt sich in dieser Zeit auch persönlich weiter. Das heisst, seine Wünsche, Bedürfnisse und Lebensziele verändern sich oft. Deshalb sollte der vorläufige gefasste Beschluss revidierbar sein.

Mit der Planung früh beginnen

V

iele Unternehmer verhalten sich, als seien sie unsterblich. Sie verschieben das Regeln ihrer Nachfolge immer wieder auf später – oft so lange, bis zum Beispiel aufgrund gesundheitlicher Probleme ein geregelter Stabwechsel unmöglich ist. Häufig bedeutet dies für den Betrieb das Aus. Eine häufige Ursache, warum keine geordnete Übergabe erfolgt, ist: die Firmeninhaber unterschätzen, wie schwer ihnen emotional das Ausscheiden aus ihrem Betrieb fällt. Deshalb befassen sie sich im Vorfeld nicht ausreichend mit Fragen wie: >>will ich die Macht überhaupt abgeben? >>würde ich es ertragen, wenn eines meiner Kinder ein besserer (oder schlechterer) Unternehmer als ich wäre? >>was fange ich nach dem Ausscheiden mit meiner Freizeit an?

Perspektive entwickeln Die Folge: sie haben weder eine klare Perspektive für ihr Unternehmen, noch dafür, wie sich ihr Leben nach dem Stabwechsel gestalten soll. Entsprechend wankelmütig sind sie oft in ihren Beschlüssen und entsprechend schwer fällt es ihnen, zum Stichtag wirklich loszulassen. Stattdessen versuchen sie, auch nach ihrem offiziellen Ausscheiden das Alltags-Geschehen in «ihrem Betrieb» noch zu beeinflussen. Das

hat fatale Folgen für die Position des Nachfolgers. Denn die Mitarbeiter registrieren dies und denken: «Der Alte traut seinem Nachfolger nicht.» Also trauen auch sie dem «Neuen» nicht. Besonders gross ist diese Gefahr, wenn es sich beim Nachfolger um den Sohn oder die Tochter handelt – aufgrund der auch emotionalen Familienbande. Deshalb sind gerade hier klare Absprachen nötig, wie die Übergabe geregelt wird und wer was im Verlauf dieses Prozesses zu sagen hat.

Nicht zur Nachfolge zwingen Viele Unternehmensübergaben scheitern bereits daran, dass dem Nachfolger die nötige Qualifikation fehlt. Dies ist bei Familienbetrieben besonders oft der Fall. Denn in ihnen erfolgt die Auswahl des Nachfolgers meist nur bedingt nach dem Kriterium Eignung. Die Maxime lautet vielmehr: «Hauptsache, mein/unser Lebenswerk bleibt in der Familie.» Deshalb ist ein Scheitern oft vorprogrammiert. Am Beginn jeder Nachfolgeregelung sollte deshalb eine genaue Prüfung stehen: verfügt mein Sohn oder meine Tochter über das nötige Potenzial und die erforderlichen Persönlichkeitsmerkmale, um mittel- oder langfristig den Betrieb zu führen? Und mindestens ebenso wichtig: ist die Über-

Die Vorbereitung auf die Nachfolge sollte mindestens zwei bis drei Jahre dauern. Sie kann sich jedoch auch darüber hinaus erstrecken – abhängig davon, >>ob ein Familienmitglied früh als Nachfolger aufgebaut wird und die Planung entsprechend langfristig ist, >>welche Voraussetzungen der potenzielle Nachfolger bereits erfüllt, >>wie komplex die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und herausfordernd die künftige Geschäftsführertätigkeit ist, und >>welche Optimierungsmassnahmen in operativer, steuerlicher oder finanzieller Hinsicht vor und in Zusammenhang mit der Unternehmensübergabe getroffen werden sollen. Entsprechend früh sollten sich Firmeninhaber Gedanken darüber machen, wer das Unternehmen nach ihrem Ausscheiden weiterführen könnte. Denn dann haben sie noch die Wahl: >>bereite ich eines meiner Kinder oder einen Mitarbeiter langfristig auf die Übernahme vor, oder >>suche ich einen geeigneten Nachfolger von aussen? Erfolgt die Nachfolgersuche hingegen kurzfristig, können sie nur hoffen, einen geeigneten «fertigen» Nachfolger zu finden – einen Nachfolger zudem, der dazu bereit und fähig ist, das nötige «Kleingeld» zu investieren. Denn dann läuft der Prozess in der Regel auf einen Unternehmensverkauf hinaus. Dies muss nicht die schlechteste Lösung für den Verkäufer und das Unternehmen 

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sein, denn: sowohl Wettbewerber, als auch Family-Offices können langfristig sichere Häfen für den Betrieb, seine Weiterentwicklung und die Mitarbeiter sein.

Den Kandidaten gezielt vorbereiten Bei der (Vorbereitung auf die) Übergabe des Betriebs an den potenziellen Nachfolger lassen sich vier Phasen unterscheiden: >>Testphase, >>Qualifizierungsphase, >>Bindungsphase, >>Übergabephase. Je langfristiger die Übergabe geplant werden, umso fliessender lässt sich der Wechsel an der Unternehmensspitze gestalten. Dies ist gerade bei mittelständischen Betrieben wichtig. Denn bei ihnen ist das Vertrauen der Geschäftspartner und Mitarbeiter in das Unternehmen oft stark an die Person des Inhabers gebunden. Dieses Vertrauen muss sich der Nachfolger erst erarbeiten. Und das erfordert Zeit. Während der Testphase arbeiten der Firmeninhaber und der mögliche Nachfolger mehrere Wochen miteinander im Betrieb. So können sie prüfen, ob sie miteinander auskommen. Stellt sich dabei heraus, dass die Erwartungen und Wünsche zum Beispiel bezüglich Unternehmensführung und

-entwicklung unüberbrückbar auseinander klaffen, ist es besser, sich frühzeitig von dem gemeinsamen Vorhaben «Nachfolge» zu verabschieden. Wichtig ist dabei: beide Seiten müssen ehrlich zueinander sein. Sie müssen zudem bereit sein, aus den Erkenntnissen der Testphase Konsequenzen zu ziehen. Deshalb sollten der Firmeninhaber und sein potenzieller Nachfolger stets berufliche beziehungsweise unternehmerische Alternativen im Hinterkopf haben für den Fall, dass die Übernahme scheitert. Speziell Nachfolger aus der Familie sollten immer wieder prüfen: will ich wirklich den elterlichen Betrieb übernehmen oder liess ich mich in diese Rolle drängen? Dies geschieht oft unterschwellig, ohne dass sich die Beteiligten darüber bewusst sind. Kommen beide Seiten nach einigen Wochen des Miteinander-Arbeitens zur Überzeugung «Es könnte gelingen», beginnt die Qualifizierungsphase. Hierbei prüfen Firmeninhaber und Nachfolger gemeinsam: >>welche Fähigkeiten und Qualifikationen bringt der künftige Unternehmer bereits mit? >>welche benötigt er noch? Und: >>wie kann er diese erwerben? Je jünger der Nachfolgekandidat ist, umso genauer kann dessen Aus- oder Weiter-

Interessenskonflikte gibt es fast immer. Es gilt sie früh zu erkennen und dann zu lösen.

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bildung auf die spezifischen Anforderungen des Betriebs ausgerichtet werden. Dies ist bei der familieninternen Übergabe gut möglich. Denn meist wird eine Unternehmerfamilie mit der Nachfolgefrage bereits insgeheim konfrontiert, wenn sich der Nachwuchs einstellt. Entsprechend früh können die Weichen gestellt werden.

Das Können ist entscheidend Das Ziel der Qualifizierung sollte sein: der Nachfolger erwirbt alle Kompetenzen, die er braucht, um den Betrieb zu führen. Das entsprechende theoretische Know-how allein genügt nicht – eine gewisse praktische Erfahrung ist unabdingbar. Ob sich der Nachfolger diese Kompetenzen am besten über eine Lehre, verschiedene Praktika und/oder ein Studium aneignet, hängt unter anderem von der Branche, dem Geschäftsfeld des Unternehmens und dessen Grösse ab. Parallel zur Qualifizierung sollten alle finanziellen, steuerlichen und erbrechtlichen Fragen geklärt werden. Vor allem: wie soll die Übertragung des Unternehmens vonstatten gehen? Zum Beispiel durch eine schrittweise gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Nachfolgers? Oder eine vorweggenommene Erbfolge oder Schenkung? Diese Fragen zu klären, wird bei


Die Welt der Finanzen

Eine langfristig geplante Übergabe ermöglicht es die strategischen Meilensteine besser abzuarbeiten.

Familienbetrieben oft dadurch erschwert, dass Privat- und Betriebsvermögen nicht klar getrennt sind. Zuweilen muss das Unternehmen sogar umgegründet werden, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren: zum Beispiel die des NochInhabers, der nach seinem Ausscheiden finanziell abgesichert sein möchte. Auch die Ansprüche von Geschwistern sind oft zu berücksichtigen. Aus dieser Gemengelage erwachsen oft Interessenkonflikte, die, wenn sie nicht früh erkannt und gelöst werden, die innerfamiliären Beziehungen dauerhaft belasten. Deshalb ist es in der Regel ratsam, zum Klären dieser Fragen, externe Berater hinzuzuziehen. Neben dem Steuerberater und einem Rechtsanwalt oder Notar sollte ein Unternehmensberater den Übergabeprozess begleiten.

Die Verantwortung schrittweise delegieren Ist die Qualifizierung abgeschlossen und die Übergabe rechtlich unter Dach und Fach, kann die Bindungsphase beginnen. Sie dauert im Idealfall maximal zwei Jahre. Während dieser Phase durchläuft der Nachfolger, alle wichtigen Positionen im Betrieb bis auf die des Geschäftsführers. So lernt er die Mitarbeiter und Geschäftspartner kennen und macht sich mit den betrieblichen Abläufen vertraut. Zudem

können alle Beteiligten noch einmal prüfen, ob sie wirklich miteinander harmonieren. Bei internen Nachfolgen sollte in dieser Phase noch ein Ausstieg möglich sein, wenn sich zum Beispiel zeigt: >>wider alle Erwartungen ist der Sohn oder die Tochter für den Job «Unternehmer» doch ungeeignet. Oder: >>die Übernahme des elterlichen Betriebs entspricht doch nicht deren Lebensvorstellungen. Für externe Nachfolgen gibt es derartige Ausstiegsregelungen eher nicht. Schliesslich hängt in der Regel eine Finanzierung an dem Prozess und der scheidende Unternehmer gibt sukzessive die Entscheidungen in die Hand des Nachfolgers, der das Unternehmen somit in dieser Periode bereits nachhaltig verändert. Auf die Bindungsphase folgt meist nahtlos die Übergabephase. Nun rückt der Nachfolger mit in die Unternehmensspitze auf. Wenn möglich, sollten «Senior» und «Junior» zunächst als Doppelspitze agieren. Dies gelingt am besten, wenn sie sich die Aufgaben teilen. Wichtig ist in dieser Phase, in der der künftige Chef zwar bereits zur Unternehmensspitze zählt, jedoch oft noch nicht der Inhaber des Betriebs ist, dass er über ausreichend Handlungs- und Entscheidungsspielräume verfügt. Denn wenn der «Juniorchef» für jede wichtige

Entscheidung im Tagesgeschäft erst das «Okay» der Eigentümer einholen muss, wird er weder von den Kunden, noch von den Mitarbeitern ernst genommen. Auch ihn selbst motiviert das nicht.

Das Ausscheiden terminieren Die Zeit der Doppelspitze sollte im Vorfeld begrenzt werden. Dauert sie zu lange oder wird das geplante Ende immer wieder nach hinten verschoben, signalisiert dies den Mitarbeitern und den Geschäftspartnern: >>der Nachfolger ist noch nicht genügend kompetent (... und wird es eventuell nie). Und / oder: >>der «Senior» kann nicht loslassen. Beides erzeugt Misstrauen, schwächt die Position des Nachfolgers und kann den Erfolg des Betriebs nachhaltig gefährden.

Stephan Jansen ist Geschäftsführender Gesellschafter der M&A- und PMI-Beratung Beyond the Deal Deutschland, Bad Homburg. www.beyondthedeal.de

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Unternehmen unterwegs

Bei neuen Lösungen strategisch aus dem Gebäude hinausschauen.

Der neue Dreiklang Netz, Gebäude Mobilität Interview mit Professor Vinzenz V. Härri von Georg Lutz

Im Zeichen der Digitalisierung und der Herausforderungen der Energiewende wachsen das Gebäude und die Mobilitätslösungen immer mehr zusammen. Es gilt, hier Brücken zu bauen. Hier stellt sich die Frage, wie und wo uns die Wissenschaft weiterhelfen kann.

W

ir müssen, im Zeichen der aktuellen Entwicklungen über den Tellerrand hinausschauen. Kann man die Herausforderungen mit solch einem Satz zuspitzen? Ja, insofern als die Fragestellungen systemischer geworden sind. Um bei dem Bild zu bleiben, wenn ich nicht sehe, dass es nebst Gemüse noch ein feines Stück Fleisch gibt, dann verpasse ich einen wesentlichen Teil der feinen Mahlzeit.

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So vernetzt sich das Auto nicht nur mit anderen Verkehrsmitteln und fährt in einigen Jahren mindestens teilweise autonom, sondern wird im Zeichen der E-Mobilität mit dem Haus verbunden. Wie verändert sich dabei die Mobilität? Die Mobilität selber verändert sich wenig, nur der Umgang damit. Die Mobilität wird immer noch etwa die gleiche Anzahl «Zielverschiebungen» pro Person beinhalten, aber der Verkehr wird differenzierter ab-

gewickelt oder wie man sagt, «multimodaler», das heisst, es werden immer mehr verschiedene Verkehrsmittel kombiniert eingesetzt. Die Schnittstellen werden dabei vereinfacht, was begünstigend wirkt. Zudem wird es für Kurzstrecken mehr Langsamverkehr geben. Mit der E-Mobilität reduziert sich übrigens in der Schweiz bei einer Totalumstellung der Gesamtenergieverbrauch wegen Einsparungen der erdölbasierten Treibstoffe um circa


Unternehmen unterwegs

«Die Branche wird vom Infrastrukturinhaber zum werbenden Anbieter.» bedeutend, dass dies gegenseitig grösste Aufmerksamkeit verlangt und die Mobilitätsaspekte in der Bauplanung aufwertet. Zum Beispiel wird das in Kürze erscheinende SIA-Merkblatt 2060 «Infrastruktur für Elektrofahrzeuge in Gebäuden» genaue Hinweise geben, was E-Mobilität bezüglich Infrastruktur im Bau verlangt. Das tönt jetzt aber nicht mehr nach Richtungs-, sondern Paradigmenwechsel? Architektur und Bau ist nur ein Aspekt der weit reichenden Veränderungen, denn genau genommen handelt es sich um mehrere Paradigmenwechsel: weg von der Einzelsicht hin zur ganzheitlichen Betrachtung, Mobilität im Rahmen der Digitalisierung (GPS, neue Services oder Apps), weniger Besitz und mehr geteilte Mobilität, Verwendung mehrerer Mobilitätsträger (Multimodalität) und natürlich generell der Trend hin zur nachhaltigeren E-Mobilität. 25 Prozent bei gleichzeitiger Reduktion des CO2 um 80 Prozent! Natürlich gehen von den gewonnenen 25 Prozent wieder fünf Prozent für die zusätzliche elektrische Energie weg, was einer Stromzunahme von 20 Prozent entspricht. Die Herausforderungen der E-Mobilität im Zusammenspiel mit dem Haus werden so vor allem in der zusätzlichen elektrischen Infrastruktur und in der Art der Abrechnungssysteme liegen. Auch die einzelne Gebäudehülle ist keine Grenze mehr. Zum Beispiel setzen wir im Quartier vermehrt auf dezentrale Speicherung von Solarenergie. Sicher haben Sie noch weitere Beispiele? Dezentrale Speicher sind für die energetische Betrachtung wichtig. Das Ausweiten der Systemgrenze «Gebäudehülle» heisst aber beispielsweise auch, dass Mobilität gemeinsam geplant wird, sei dies wie heute schon mit Parkplätzen. Dazu kommen aber auch Ladeinfrastruk-

turen, gemeinsam geteilte Fahrzeugflotten, abgestimmte Anschlüsse mit dem öffentlichen Nahverkehr oder Radfahrwege, die auf Arealebene gemeinsam geplant werden können. Was heisst dies für Architekten, Stadtund Raumplaner? Es besteht ein integraler Auftrag an die Bauplanung, sich nicht nur auf die Anzahl von Parkplätzen und das Einziehen von Leerrohren für spätere Ladeinseln zu beschränken, sondern in grösseren Systemen zu denken. Für Bauvorhaben und Unternehmen braucht es integrale Mobilitätskonzepte, die standardisierte Zielsetzungen mit geeigneten, vielfältigen Massnahmen erreichen möchten.

Lassen Sie uns diesen Paradigmenwechsel an zwei Beispielen verdeutlichen? Zum einen im Zeichen der Digitalisierung der Systemzusammenhang zwischen «Tankinhalt» und Energiemanagement zu Hause: mittels Datenübermittlung des Ladezustands der Batterie meines E-Mobils, des aktuellen Fahrzeugstandorts und dem am GPS-System eingestellten Rückweg nach Hause, kann das dortige Energiemanagement ein Optimum zwischen selbst erzeugter PV-Energie und günstig zugeführtem Netzstrom – sofern kurzfristige Tarifsignale realisiert sind – frühzeitig planen, eventuell mittels einem zusätzlichen stationären Speicher. Natürlich erfolgt das alles im Rahmen von Datenschutzrichtlinien.

Mobilität und Architektur sind dann keine eigenen Welten mehr? Nein. Fachlich gesehen sind das alles total verschiedene Welten mit eigenen Kompetenzen, aber die Schnittstellen werden so

Ebenfalls können als Beispiel für die Digitalisierungsstrategien die StauumfahrungSysteme der «Green ITS» (intelligente Verkehrstelematik) aufgeführt werden. Sie können mit Autos kommunizieren, das 

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Unternehmen unterwegs

GPS auf den nächsten Park&Ride-Parkplatz einstellen, die Abfahrtszeit des nächsten Zuges zur gewünschten Zieldestination mitteilen und direkt das Sparbillett auf das Smartphone laden. Früher hatte ich einzelne Messgeräte an der Heizung oder im Auto. Zunehmend wird mein Smartphone zum Scharnier zwischen den Welten. Was heisst dies für unseren Alltag? Meine beiden Beispiele von oben unterstreichen die Bedeutung der Digitalisierung und der Stellung, welche Smartphones hier einnehmen. Man kann dem entnehmen, dass mehrere Welten zusammenkommen: Energieanzeigen, Geoinformationen, Multimedia wie Video, Foto, Audio, Staumeldungen oder Billette-online-Lösen rücken zusammen. Energie habe ich früher von grossen Energieriesen bekommen, heute erzeuge ich sie selber oder im regionalen Verbund. Da werden ganze Branchen durcheinandergewirbelt? In der Tat stehen wir im Zeichen der internationalen Marktliberalisierung des Elektrizitätsmarktes. Für Energiekonsumenten mit einem bedeutenden Energiebezug (100’000 kWh) kann ich das «Stromprodukt» unabhängig vom lokalen Versorger heute schon frei wählen. Diese Entwicklung wird sich bis hin zum kleinen, privaten

Einzelbezüger verlagern. Die Branche wird vom Infrastrukturinhaber zum werbenden Anbieter, der mit geeigneten Massnahmen Kundenbindung erreichen will. Das belebt das Angebot moderner Technologien und fördert ganz nebenbei auch die schnelle Wegbereitung der E-Mobilität. Im Grunde genommen geht es nicht mehr um einzelne Teile oder Bausteine, sondern um vernetzte Systeme. Was bedeutet diese neue Sichtweise? Spannende und ganzheitliche Lösungen. Grössere Systeme bedeuten aber sofort auch komplexere Aufgabenstellungen, welche nach entsprechend ausgebildetem Fachpersonal verlangen. Den Lehren und Hochschulausbildungen kommen hier grosse Bedeutung zu. Jetzt gibt es Treiber und Bremser dieser Entwicklungen. Können diese kurz skizziert werden? Wir denken in für uns gewohnten Systemen, Vertrautes gibt Sicherheit. Alles Neue scheint nicht machbar. Diese sogenannten konservativen Einschränkungen sind nicht zu unterschätzen. Dazu gehört auch der Einwand, wirtschaftlich sei etwas nicht möglich. Dem ist entgegenzuhalten, dass oft Schattenkosten nicht mitberücksichtigt werden – zum Beispiel was kostet eine Klimasanierung? Und dass sich die Kostenstrukturen beim aktuellen technologischen

Wandel verlagern. Ein weiteres Beispiel ist aktuell, dass unsere Gewohnheiten nach Fahrzeugen mit grössten Reichweiten verlangen, obwohl wir im Schnitt in der Schweiz bloss circa 37 km zurücklegen. Treiber sind demgegenüber die neue Marktchancen und die von der Weltgemeinschaft klimabedingten regulatorisch notwendigen Eingriffe, um für den Planeten Sorge zu tragen. Wir haben ja hier keinen Plan B im Kofferraum. Den Klimawandel gibt es aber, von der Wissenschaft erkannt, seit Anfang der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts. Was hat sich hier verändert? Man hat mit dem IPCC-Bericht verlässliche Prognosen geschaffen, die mit statistischen Aussagen belegen, dass in den westlichen Ländern bis 2050 80 Prozent CO2 reduziert werden müssten, um eine 50-Prozent-Chance zu haben, das Klima zu retten. Selbst die moderateren, aktuell verbindlichen europäischen Klimaziele, die auch in der Schweiz aufgenommen wurden, sind ohne E-Mobilität gar nicht mehr zu erreichen. Welche Rolle kann hier die Wissenschaft spielen? Sicher müssen einzelne Fachbereiche hier mehr zusammenkommen? Die Wissenschaft schliesst Lücken auf dem Weg zu neuen Technologien und leistet gerade in Fragen des Systemzusammenspiels Beiträge. Gesellschaftliche Entwicklungen gehen immer mit Technologieentwicklung und der wissenschaftlichen Forschung einher und umgekehrt. Zieht einer dieser drei voraus, ziehen die anderen nach. Bezogen auf unsere Themen hier zeichnet es sich sogar ab, dass sich alle drei Bereiche gleichermassen schnell entwickeln.

Professor Vinzenz V. Härri lehrt Energietechnik, Spezialgebiet Speicher und Antriebe an der Hochschule Luzern und ist Inhaber von Haerri Partners GmbH in Giswil.

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Flottenanagement bei der Schweizer Post macht Sinn. Unter welchen Voraussetzungen gilt dies auch für kleinere Unternehmen?

Flottenmanager werden zu MobilitätsberaterN Flotten und Fuhrparks mit neuen Konzepten von Daniele Ciociola

«Die Herausforderungen für Fahrzeug-Flottenbesitzer sind vielfältiger denn je», sagt Patrick Bünzli, Präsident des Schweizer Mobilitätsverbandes (sffv). Themen wie die Etablierung neuer Antriebssysteme für Fuhrparks, der Umgang mit Umweltemissionen, Technologietrends, Gesetze und Vorschriften, Kosten, Weiterbildung von Fahrzeugflotten-Verantwortlichen oder Optimierung in der Mobilität werden immer komplexer. Und die Branche befindet sich in einer Umbruchphase.

D

er Trend geht zur «Mobilitätsberatung 4.0» – darin sind sich alle Flotten- sowie Grosskundenbetreuer und -betreuerinnen einig. Ein optimal zusammen gestellter Fuhrpark für KMU oder Grossunternehmen werde – so sagen Fachleute auf diesem Gebiet – nicht nur nach ökonomischen, effizienzorientierten und logistischen Bedürfnissen zusammengestellt. Es fallen noch einige weitere Parameter an, die zu berücksichtigen seien. Fachwissen, Kenntnisse der Bedürfnisse der Kundschaft und natürlich auch ein ausgeprägtes gegenseitiges Vertrauensverhältnis sind die Basis für das «Projekt

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Fuhrpark». Und deshalb verstehen sich viele aus der Branche, die sich mit Flottenmanagement auseinander setzen, als Mobilitätsberater und -beraterinnen. Bei der Effizienzbeurteilung einer bestehenden oder künftigen Fahrzeugflotte sind Interaktion, viel Netzwerkarbeit und vor allen Dingen das Erkennen der Bedürfnislage der Kundschaft ebenso wichtig wie die klassischen Themen. Diese wären: das Eruieren des Einsatzgebietes, die Analysen bezüglich Branchenspezifika, die Budgets und die Grösse der Auftrag gebenden Unternehmen. Folgende

Fragen werden ausserdem gestellt: soll die Energieeffizienz massgebend sein oder müssen die Fahrzeuge zu einem bestimmten Image passen? Gelten Mitarbeiterzufriedenheit oder eher Zweckmässigkeit als oberste Prämisse? Sollen wirtschaftliche Aspekte, wie die Kilometereffizienz besonders im Vordergrund stehen, oder muss allenfalls das Image der Firma oder ein Branding unterstützt werden? Planungssicherheit ist und bleibt derweil einer der wichtigsten Aspekte: da geht es um Konditionen auf die Fuhrparkgrösse, um geplante mittelfristige Abnahmemengen, um langfristig kalkulierbare


Unternehmen unterwegs

Fuhrparkkosten und um individuell auf die Anforderungen eingestellte Lösungen. Da ein funktionierender Fuhrpark elementar für ein erfolgreiches Tagesgeschäft ist, werden bei der Fuhrparkverwaltung auch die Arbeitsaufwände optimiert und stabilisierte Prozesse erzeugt. Diese Aufgaben bei der Zusammenstellung eines Fuhrparks beziehungsweise einer Flotte geht einher mit einem sich vielleicht bald etablierenden FlottenmanagementParadigmenwechsel in der Branche: Hatte der «Dieselskandal» eine Signalwirkung auf die Denkweise der Flottenmanager? Werden Flottenbesitzer allenfalls eine ganze Dieselflotte durch Hybridfahrzeuge ersetzen? Ein Wechsel der Flotten-Strategie ist jedoch immer mit finanziellen Ressourcen behaftet. Gleichzeitig ist der Trend zum EMobility-Flottenmanagement etwas abgeflacht. Die nötige Infrastruktur ist noch nicht so ausgebaut, damit gewisse Abläufe gewährleistet sind. Dazu kommt, dass das unternehmerische Handeln von kleinen und mittelständischen Firmen oft von den Faktoren Kostenreduk-

tion und Freisetzung von gebundenem Kapital bestimmt wird. Ein eigener Fuhrpark kann die Einschränkung von Handlungsfreiheit bedeuten. So gilt die Regel: Ein eigener Fuhrpark lohnt sich erst ab einer Auslastung von rund 75 bis 80 Prozent. Ist dies nicht gewährleistet, wird als Alternative oft die Nutzung von Mietfahrzeugen oder Carsharing-Systemen gewählt. Doch welche Trends werden sich konkret im Flottenmanagement durchsetzen?

Trend Gesundheit und Sicherheit

Trend in Richtung Nachhaltigkeit

Vernetzung und mobile Anwendungen

Mit dem Einsatz einer professionellen Fuhrparkmanagement-Lösung schafft man nicht nur bezüglich der Wahl der Antriebssysteme Nachhaltigkeit, sondern man kann auch bei der Disposition von Fahrern und Fahrzeugen effizienter werden, die Auslastung erhöhen und Leerfahrten vermeiden. Zunehmend gefragt sind künftig auch Technologien, die das Fahrverhalten aufzeichnen und der Fahrerin oder dem Fahrer in Echtzeit Feedback zum Fahrstil, Spritverbrauch und CO ²-Ausstoss geben.

Vernetzte Systeme sind aus der heutigen Logistik und bei Flottenfahrzeugen nicht mehr wegzudenken. Daten werden an das installierte Fahrzeugortungsgerät übertragen und automatisch an die Zentrale weitergeleitet, die entsprechend disponieren kann. Auch in die Warenwirtschaft lassen sich moderne Fuhrparkmanagement-Lösungen integrieren. Das sorgt für die reibungslose Erfassung und Disposition der eingehenden Aufträge. Ebenso im Aussendienst ist der mobile Zugriff auf Daten sinnvoll. 

Das Thema Fahrergesundheit spielt eine zentrale Rolle. Gefragt sind heute technische Lösungen, mit welchen Fahrer und Fahrerinnen für Gefahren im Strassenverkehr gewappnet sind. Aktuelle Informationen, die im Fahrzeug angezeigt werden, tragen dazu bei, dass Verkehrsbehinderungen rechtzeitig erkannt und Unfälle vermieden werden.

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Unternehmen unterwegs

Lösungen für kleinere Fuhrparks Klassisches Carsharing als stationäres Carsharing ist im Trend. Der Vorteil dieser Variante sind die geringen Kosten pro Stunde. Zusätzlich fällt in der Regel eine Kilometerpauschale an. Das flexible Carsharing (Free-Floating-Carsharing) ist in den Städten beliebt. Die Autos «verteilen sich durch die Fahrten der Kunden von selbst» und eine Reservierung ist nicht immer notwendig. Der Vorteil dieser Variante ist die sehr hohe Flexibilität. Der Nachteil die hohen Kosten bei längeren Fahrten, denn es wird pro Minute oder Kilometer abgerechnet. Vor allem die Autohersteller setzen mit ihren CarsharingAngeboten auf dieses relativ neue Modell. Immer mehr Anbieter ermöglichen zudem eine Kombination aus stationärem und flexiblem Carsharing.

Steuervorteile nutzen In der Schweiz herrschen klare Regeln, wie Firmenwagen steuerlich zu behandeln sind. Arbeitgeber können die Kosten rund um ihre Fahrzeuge bis auf die Mehrwertsteuer voll absetzen. Mitarbeiter versteuern die private Nutzung von Firmenwagen pauschal mit monatlich 0.8 Prozent vom NettoAnschaffungspreis. Die Firmen können grundsätzlich alle Kosten, die mit dem Betrieb von Firmenwagen verbunden sind, als Personalaufwand von der Steuer absetzen. Zu beachten ist allerdings, dass über den durch den geldwerten Vorteil beim Mitarbeiter entstehenden Privatgebrauch Mehrwertsteuer von zurzeit acht Prozent als Eigenverbrauch abgerechnet werden muss. Wenn Unternehmen die Firmenfahrzeuge erwerben, können sie grundsätzlich zwischen zwei Abschreibungsmethoden wählen: entweder können die Unternehmen Ab-

Intelligente und smarte Lösungen stehen auf der Agenda.

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schreibungen vom Buchwert vornehmen, wobei in der Regel ein Abschreibungssatz von 40 Prozent pro Jahr akzeptiert wird. Alternativ können die Unternehmen stets vom Anschaffungswert abschreiben. In diesem Fall ist die jährliche Abschreibung auf grundsätzlich 20 Prozent limitiert. Firmenwagen sind in der Schweiz eine interessante Option, die Mitarbeiter zu entlohnen und zusätzliche Leistungsanreize zu schaffen. Für viele Unternehmen ist der Fuhrpark daher ein Motivationsinstrument, das gezielt eingesetzt wird. Im Nutzfahrzeugbereich sind folgende Trends auszumachen:1 1. Wachsendes Transportaufkommen: Zusätzliche Dynamik erfährt der Güterverkehr aus dem wachsenden Online-Handel mit der Zunahme von kostenlosen Lieferungen und Rücksen-


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Verstopfte Strassen brauchen neue Mobilitätskonzepte.

dungen, was die Zahl der Retouren deutlich erhöhen dürfte. Der Strassengüterverkehr wird bis 2050 um mehr als das Doppelte wachsen. Mit dem steigenden Verkehrsaufkommen erhöhen sich zugleich die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur. 2. Effizientere Antriebstechnologien: Während elektrische und hybride Antriebstechnologien in den nächsten 20 Jahren zunehmend im städtischen Lieferverkehr eingesetzt werden, wird sich im Bereich der schweren Lkw mittel- bis langfristig keine Alternative zum Verbrennungsmotor durchsetzen. Das Potenzial der Energieeffizienzoptimierung bei Dieselmotoren ist noch nicht ausgereizt. Den Verbesserungen bei der Kraftstoffeffizienz steht allerdings ein weiterwachsender Güterkraftverkehr gegenüber. Langfristig könnten Brennstoffzellenantrieb und Wasserstoff als Kraftstoff Nutzfahrzeuge ermöglichen, die keine Emissionen mehr ausstossen 3. Aerodynamik und Leichtbau: Ein wesentlicher Teil des Kraftstoffverbrauchs wird im Lkw-Verkehr durch den

Luftwiderstand verursacht. Fachleute sagen, dass sich Technologien für eine verbesserte Aerodynamik und MaterialInnovationen für den Leichtbau zu Zukunftsmärkten entwickeln. Weitere Treibstoffeinsparungen werden durch den Leichtbau ermöglicht, der zu den zentralen Trends im Automobilbau allgemein gehört. Der Logistik-Bereich profitiert davon, dass Nutzfahrzeuge mit einem niedrigeren Leergewicht mehr Fracht transportieren können. Realisierbar sind partielle Gewichtseinsparungen von 20 bis 30 Prozent. 4. Urbanisierung: Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens werden neue Lösungen für urbane Mobilität an Bedeutung gewinnen. Auch hier gewinnen grüne Konzepte an Bedeutung, denn immer mehr Städte werden strenge Reglementierungen bis hin zu Null-EmissionsVorschriften erlassen, die entsprechende Fahrzeugkonzepte (hybrid, vollelektrisch etc.) erfordern. Kleinste Elektrofahrzeuge könnten in Zukunft zum Transport von Waren und Paketen eingesetzt werden.

5. Intelligente Infrastrukturen: Nutzfahrzeuge werden zunehmend in smarte Infrastrukturen integriert werden. Nutzfahrzeuge werden in Zukunft nahtlos in smarte Infrastrukturen (vehicle-to-vehicle und vehicle-toroadside) integriert sein. Anmerkung 1) Quelle: Futuremanagementgroups

Daniele Ciociola ist Technischer Kaufmann mit eidg. Fachausweis und angehender Marketingmanager. www.sffv.ch www.post.ch www.scania.com

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Unternehmen unterwegs

Es rechnet sich Elektromobilität für kleine und mittlere Unternehmen von Sabine Kloos

© Solar Promotion GmbH

Elektromobilität ist ein zentraler Baustein für die neue Energiewelt, die erneuerbar, dezentral und digital sein wird. Laut Wood Mac Kenzie werden 2040 rund 280 Millionen Elektroautos auf den Strassen weltweit fahren – im Vergleich dazu: Ende 2018 waren es noch knapp sechs Millionen E-Fahrzeuge. Elektromobilität wird sich also zunehmend zum Massenmarkt entwickeln. Auch für kleine und mittlere Unternehmen sind Elektrofahrzeuge heute schon eine attraktive Alternative.

Auch Nutzfahrzeuge können zunehmend von der Elektromobilität profitieren.

N

och sieht die Situation in Europa für Elektromobilität sehr unterschiedlich aus. In Norwegen ist fast jeder dritte Neuwagen ein Elektroauto. In der Schweiz liegt der Anteil bei um die zwei Prozent, allerdings mit steigender Tendenz. Das ist auch im Nachbarland so. Schon 2020 könnte es in Deutschland rund 700’000 E-Firmenfahrzeuge geben. Ein Blick auf die künftige Entwicklung der Elektromobilität zeigt: Elektrische Gewerbeflotten werden in Unternehmen die erste Wahl sein. Denn laut einer Studie der DEKRA und des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) sollen die Gesamtkosten eines Elektroautos inklusive Anschaffung, Strom, Wartung und Reparatur weiter sinken und 2020 sogar ohne zusätzliche staatliche Subventionen um 3.2 Prozent unter den Kosten eines Autos mit Verbrennungsmotor liegen. Der Grund: Bei E-Autos fallen weniger Servicearbeiten an.

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Der Kaufpreis ist also heute kaum noch ein Argument für Verbrenner. Vor allem Nutzfahrzeuge, die im Leasing betrieben und steuerlich geltend gemacht werden, sind in der Elektro-Variante günstiger. Für die sinkenden Preise verantwortlich sind neben höheren Produktions- und Absatzvolumina technologische Weiterentwicklungen und staatliche Förderungen. Beispiel Batteriekosten: 2010 kostete eine Kilowattstunde Speicherkapazität noch rund 1 000 US-Dollar. Laut dem Beratungsunternehmen Bloomberg New Energy Finance lag der Preis 2018 bei nur noch 176 US-Dollar und könnte bis 2024 auf durchschnittlich 94 US-Dollar fallen.

Alternative für Nutzfahrzeuge In Deutschland gibt es rund eine Million Handwerksbetriebe, etwa 100'000 Architekten und mehrere Zehntausend Ingenieurbüros. Die meisten haben ihren Wir-

kungskreis in einem Radius von 50 bis 100 Kilometern – in Städten oft in noch geringeren Distanzen. In der Schweiz sieht dieser Radius nicht anders aus. Das ist ideal für den Betrieb von E-Flotten, zumal dank verbesserter Batterietechnologie auch grössere Strecken von 300 bis 600 Kilometer zurückgelegt werden können. Selbst mit geringerer Reichweite eignet sich die Elektromobilität für das Handwerk, die Altenpflege, für kommunale und private Rettungsdienste sowie Entsorgungsbetriebe oder für den Fuhrpark kommunaler Energieversorger. Finanziell sehr attraktiv ist auch der Kauf von gebrauchten, überarbeiteten und nachträglich mit einem Elektromotor ausgerüsteten Lkws oder Bussen. Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge senkt nicht nur die Kosten und erlaubt freie Zufahrt auch bei Innenstädten mit Dieselfahrverbot. Die nachhaltige und saubere Energieversorgung und -nutzung ist dazu noch ein wichtiger Beitrag für die Energiezukunft.


Unternehmen unterwegs

Erfolgskritisch für die Umstellung sind die Mitarbeiter. Ohne entsprechende Infrastruktur werden sie nur bedingt mitmachen. Laden muss für sie an den Unternehmensstandorten und zu Hause mit individuellen Ladelösungen möglich sein. Wer das noch mit eigener Ökostromerzeugung durch eine PV-Anlage auf dem Firmengelände verbindet, gestaltet die Umstellung noch nachhaltiger und wirtschaftlicher. Entsprechend dynamisch wächst das Angebot bei Ladesystemen – von Wallboxen über Ladesäulen bis hin zu Schnellladern oder auch Ladestationen, die mit Batteriespeichern oder einer Kraft-WärmeKopplung gekoppelt werden. Das zeigte erst kürzlich die zweite Auflage der «Marktübersicht Ladesysteme» der Power2Drive Europe, der internationalen Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität, die kostenlos online verfügbar ist und 74 Anbieter mit 122 Produkten und Lösungen zu Ladesystemen, Solar-Carports sowie Apps und Software aufführt.

Elektromobilität rechnet sich

Mobile Batteriespeicher Es gibt noch einen weiteren Faktor, der für Elektrofahrzeuge spricht und den die meisten Unternehmen bisher wenig beachtet haben, nämlich die Nutzung der Fahrzeuge als Batteriespeicher. Dies funktioniert ganz einfach durch eine intelligente Kopplung von Elektromobilität mit

© Solar Promotion GmbH

Ein wichtiger Faktor für den Fahrzeugeinsatz sind die Kilometerkosten. Heute kommt beispielsweise der e-Golf schon besser weg als sein Verbrenner-Pendant,

wie ein Kostenvergleich des ADAC schon Anfang 2018 zeigte: Der e-Golf kostet bei einer Laufleistung von 10’000 Kilometern im Jahr 63.2 Cent pro Kilometer. Im Vergleich: Die Benziner-Variante ist bei gleicher Laufleistung um 0.3 Cent teurer, in der Dieselversion muss der Verbraucher 5.7 Cent mehr zahlen. Stellt man TeslaModelle aus der X- und S-Reihe entsprechenden BMW-, Audi- und Mercedes-Verbrennungsmodellen gegenüber, ist auch hier die Elektro-Variante günstiger: Beispielsweise ist der Tesla S 75D bei einer Laufleistung von 10.000 Kilometern mit 144.2 Cent pro Jahr 28.5 Cent günstiger als der BMW 640i (172.7). Die positive Kostenentwicklung bekommt noch einen weiteren Schub, wenn die Autos mit selbst erzeugtem Strom geladen werden. Mit einer eigenen PV-Anlage gibt es den sauberen Strom bereits für unter zehn Cent pro Kilowattstunde.

der eigenen solaren Stromerzeugung. Ein beeindruckendes Beispiel lieferte dabei The Mobility House auf der Insel Porto Santo bei Madeira. Sie ist nach Aussage von CEO Thomas Raffainer die erste Insel weltweit, die durch Elektrofahrzeuge mit Strom versorgt wird. Dort sind rund 200 Elektroautos über bidirektionale Ladesäulen, ein intelligentes Lademanagement sowie eine Aggregationsplattform in das Stromnetz der Insel eingebunden, das durch eine zwei MW starke Photovoltaikanlage sowie eine Windkraftanlage mit 1.1 MW gespeist wird. Die Batterie-Akkus der E-Autos speichern in Ergänzung zu stationären Stromspeichern aus sogenannten Second-Life-Batterien (Autobatterien, die in Fahrzeugen bereits ausgedient haben) temporär überschüssigen Strom und speisen ihn wieder ins Inselnetz ein (Vehicle-toGrid), wenn der Bedarf hoch ist. Dieses Speichersystem lässt sich auch bei Unternehmen zum Beispiel an Tagen mit wetterbedingt hoher erneuerbarer Stromproduktion gewinnbringend umsetzen. Wer die ungeheure Marktdynamik der Elektromobilität und weitere Beispiele für den Einsatz von E-Fahrzeugen erleben möchte, sollte den Messetermin für die nächste Power2Drive Europe in München fest einplanen. Die internationale Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität öffnet ihre Tore vom 17. bis 19. Juni 2020. Die Aussteller präsentieren Ladelösungen und Technologien für alle Arten von Elektrofahrzeugen sowie Lösungen, die für jedes KMU einfach, schnell und kostengünstig umzusetzen sind. Interessant sind auch Booster für Schnellladestationen, neue und architektonisch ansprechende Solar-Carports sowie skalierbare Ladelösungen von Einzelparkplätzen bis zu Firmenparkplätzen oder Parkhäusern.

Sabine Kloos arbeitet in der Projektleitung Power2Drive Europe bei der Solar Promotion GmbH.

Bei einem genauen Vergleich sind Kaufpreise heute kein Argument mehr gegen Elektromobilität.

www.powertodrive.de www.swiss-emobility.ch

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Unternehmen unterwegs

Billettkäufe bequem über die SBB Mobile App buchen.

Geschäftsreisen für Profis Effizient unterwegs mit SBB Businesstravel von Swenja Willms

Wer in der Schweiz pünktlich ankommen und seine Reisezeit möglichst sinnvoll nutzen will, reist mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Am einfachsten und effizientesten unterwegs sind kleine und mittlere Unternehmen mit dem Online-Buchungsportal SBB Businesstravel und der App SBB Mobile – sowohl im In- als auch im nahen Ausland.

I

mmer mehr Menschen pendeln zur Arbeit. Wer auf seinem Arbeitsweg oder unterwegs zu Kunden statt hinter dem Steuer vor dem Notebook sitzt, hat Hände und Kopf frei. Die Pendenzen sind schon bearbeitet, an der Präsentation wird noch etwas geschliffen – kurz: Man kommt bestens vorbereitet an. Und: Je länger man mit dem Zug reist, desto besser spürbar werden die Vorteile. Die modernen Schweizer Züge verfügen über Businesszonen mit Steckdosen und genügend Ablageflächen für Dokumente.

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Das sind aber längst nicht alle Vorteile, die die SBB Geschäftsreisenden bieten. Denn mit SBB Businesstravel profitieren sie von einem speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Online-Portal.

Das Online-Buchungsportal für KMU Mit SBB Businesstravel bestellen Mitarbeitende Abos und Billette bequem online oder unterwegs mit der App SBB Mobile – rund um die Uhr, bis kurz vor der Abfahrt. Ungenutzte Billette gibt man

einfach zurück. Die Reisekosten haben Unternehmen dank übersichtlicher Darstellungen immer im Griff, und das Spesenhandling ist einfach und effizient. Die Vorteile im Überblick: >>Billette jederzeit online und mobile kaufen >>Ungenutzte Billette zurückgeben >>Keine Schulung, keine Aufschaltkosten – keine Investitionen >>Transparentes Auswertungstool nach Kostenstellen


Unternehmen unterwegs

>>Einfache Verwaltung von Usern >>Senkung der Reisekosten und Beschleunigung der Abläufe

>>Keine Vorauszahlungen durch Mitarbeitende

>>Keine manuellen Spesenabrechnungen

>>Mehrwertsteuer berechtigt zum Vorsteuerabzug

>>Attraktive Rabatte auf den Gesamtumsatz

Geschäftsreisen ins nahe Ausland – besser mit dem Zug Wer hat sich am Flughafen nicht auch schon gefragt, warum man gefühlt den grössten Teil seiner Reisezeit mit dem Check-in verbringt? Meist sind Geschäftsreisen mit zahlreichen Terminen verknüpft, die Konzentration und Vorbereitung benötigen. Darum ist es umso wichtiger, seine Reisezeit möglichst kurz, effizient und produktiv zu gestalten. Aus den folgenden Gründen ist das Reisen mit dem Zug die bessere Alternative für Geschäftstermine im nahen Ausland:

>>Kein Check-in, keine Wartezeiten, direkte Ankunft am gewünschten Ort >>Kein Stau, keine Parkplatzsorgen >>Grosse Flexibilität dank hoher Frequenz an Verbindungsmöglichkeiten >>Hochgeschwindigkeitszüge >>Produktive Nutzung der Reisezeit, zum Beispiel zur Vorbereitung auf Geschäftstermine >>Starke Ökobilanz >>Vernünftiges Preis-LeistungsVerhältnis >>Transparenz, Effizienz und Kostenersparnis bei der Spesenverwaltung, zum Beispiel über SBB Businesstravel >>Kombinierte Mobilität mit P+Rail, RailTaxi oder Mobility Business Carsharing

SBB Mobile für Geschäftskunden: praktisch und konfigurierbar Manchmal muss es schnell gehen. Da bleibt keine Zeit, das Zugbillett am Schalter oder am Automaten zu kaufen. Das braucht es auch nicht. Denn die Smartphone-App SBB Mobile bietet neben hilfreichen Funktionen auch einen einfachen und schnellen Billettkauf. Mit der neuen Geschäftskunden-Funktion können Geschäftsreisen vor dem Kauf als solche gebucht werden, ohne zwei separate Zu-

Moderne Züge verfügen über Businesszonen für Geschäftsreisende.

gänge dafür zu benötigen – das persönliche SwissPass-Login reicht aus.

Geschäftsreisen einfacher buchen Doch wer denkt, dass SBB Mobile nur ein Online-Billettschalter ist, irrt: Sind einmal alle persönlichen Informationen hinterlegt, lassen sich Fahrplanabfragen, Billettkäufe oder auch das Hinzubuchen von Billetten für Mitreisende einfach, schnell und bequem durchführen. Die wichtigsten Komfort-Funktionen im Überblick: >>Persönliche Startseite: Mit wenigen Klicks lässt sich die Startseite der App persönlich konfigurieren, damit die bevorzugten Funktionen entsprechend schnell abrufbar sind. >>Geschäftskunden-Funktion: Vor dem Kauf kann in der App neu gewählt werden, ob das Billett für den privaten oder geschäftlichen Gebrauch gedacht ist. Dazu reicht das persönliche SwissPass-Login aus, und die Geschäftsreise wird direkt beim Firmenkonto abgebucht. >>Touch-Fahrplan: Die Abfrage des Fahrplans geht nun noch schneller: Einfach den gewünschten Abfahrtsund Zielort auf dem Display berühren und schon kann das Billett gekauft werden. Im oberen Bereich des Bildschirms lassen sich zudem die häufigsten Reiseorte personalisiert hinterlegen – auch mit eigenen Fotos.

>>Kalender-Export: Eine Reise kann in wenigen Schritten in den Kalender des Smartphones exportiert werden. >>Abo-Zonen und Anschlussbillette: In den Einstellungen können Verbund-Abos mit den entsprechenden Zonen hinterlegt werden, was die Buchung von Anschlussbilletten erleichtert. >>Billette für Mitreisende: Ob für Geschäftsreisen oder private Ausflüge – in der App können häufige Mitreisende mit Namen, Geburtstag und Abo-Typ gespeichert und beim nächsten Billettkauf gleich ausgewählt werden. Dies beschleunigt und vereinfacht den Kauf. >>Meldung von Defekten und Verschmutzungen: Mit der App lassen sich Defekte oder Verschmutzungen an Bahnhöfen, an Ticketautomaten oder in Zügen melden, was die Zeit zur Beseitigung der Mängel enorm verkürzt.

Swenja Willms ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU www.sbb.ch

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empfiehlt Zeitwirtschaft statt Zettelwirtschaft Erledigen Sie alle Aufgaben der modernen Zeiterfassung einfach, schnell und transparent und ermöglichen Sie Ihren Mitarbeitern einen komfortablen Weg, um Arbeitszeiten zu managen. Die modulare Systemlösung ZEUS® ist ein Programm für alle Aufgaben der modernen Personalwirtschaft, jederzeit erweiterbar und bietet ein höchstes Mass an Investitionssicherheit. Egal, ob Personalzeiterfassung, Einsatzplanung, Workflow-Management, Betriebs- und Maschinendatenerfassung oder Zutrittskontrolle. Mit ZEUS® gehen Sie auf Nummer sicher. IVS Zeit + Sicherheit AG | Hertistrasse 25 | CH-8304 Wallisellen Tel. +41 (0)43 443 31 14 | info@ivs-zeit.ch | www.ivs-zeit.ch

Andreas Herzog ist neuer Verwaltungsratspräsident von Systemcredit Andreas Herzog ist zum neuen Verwaltungsratspräsidenten des Schweizer Fintech-Start-ups Systemcredit ernannt worden – dem einzigen anbieterunabhängigen Marktplatz der Schweiz für KMU-Finanzierungen. Systemcredit fokussiert sich auf Kreditbedürfnisse der KMU und sucht die besten Offerten im ganzen Schweizer Kreditmarkt. Die Firma erwartet, mit der langjährigen Erfahrung von Herzog als CFO der Uzwiler Bühler Gruppe den KMU einfachere Wege zu passenden Finanzierungen mit fairen Bedingungen zu ermöglichen. KMU sparen sich den Weg zu mehreren Banken und das Ausfüllen von Formularen. Systemcredit AG | Wiesenstrasse 5 | CH-8952 Schlieren | Tel. +41 (0)58 255 0989 info@systemcredit.com | www.systemcredit.com

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vorschau &  IMPRESSUM

vorschau die nächste Ausgabe erscheint ENDE September 2019 Folgende Schwerpunkte stehen auf unserer Agenda:

Schotten dicht IT Security & Künstliche Intelligenz

Arbeitswelten im Wandel Das mobile Büro

Im Aufbau Infrastruktur für E-Mobilität

Produktivitätsketten anspannen Unternehmenskommunikation verbessern

Umbrüche gestalten Neue Fintech in den Finanzwelten

Das etwas andere Business Soziales Unternehmertum

Rund um den Globus Logistiklösungen in der Praxis

Zu langsamer Fortschritt Frauen in Führungspositionen

Auf dem richtigen Weg Klimaneutrale Unternehmen

Herausgeber rundschauMedien AG St. Jakob-Strasse 84 CH-4132 Muttenz / Basel Telefon +41 61 335 60 80 Telefax +41 61 335 60 88 info@rundschaumedien.ch www.rundschaumedien.ch Verleger Francesco J. Ciringione Mitglied der Geschäftsleitung Boris Jaeggi b.jaeggi@rundschaumedien.ch Hasan Dursun h.dursun@rundschaumedien.ch Projektleitung Carmen Helde c.helde@rundschaumedien.ch Verkauf & Marketing Virginie Vincent v.vincent@rundschaumedien.ch Chefredaktion Georg Lutz g.lutz@rundschaumedien.ch Redaktion Freya Mohr f.mohr@rundschaumedien.ch

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